London. . Die Geheimfavoritin wendet nur mit Mühe ein Zweitrundenaus in Wimbledon ab. Von ihrer nächsten Gegnerin muss sie sich erst noch ein paar Videos anschauen.

Um die Mittagszeit stieg die Herzogin von Cornwall aus der königlichen Karosse, wenig später wurden ihr ein Wimbledon-Champion, Rafael Nadal, und weitere Spieler vorgestellt. Und tatsächlich auch jener Vogel, der seit mehr als einem Jahrzehnt höchst engagiert die bösen Tauben aus dem All England Club verscheucht: Rufus. Der Falke hat längst Kultstatus in Wimbledon und lässt einen Twitter-Account in seinem Namen führen. Nachdem das alles erledigt war und Herzogin Camilla, Gattin des Thronfolgers Prinz Charles, einen kleinen Lunch zu sich genommen hatte, nahm sie in der ersten Reihe der Royal Box Platz, um sich ein wenig Tennis anzusehen.

Zu viele leichte Fehler

Beste Rahmenbedingungen also für Sabine Lisickis ersten Auftritt auf dem geliebten Centre Court im Rahmen der 129. Championships, doch in den knapp zwei Stunden, die dann folgten, lief nicht alles nach Plan.

Es ist immer wieder erstaunlich, wie die Ereignisse einer Minute die Ereignisse eines Spiels von fast zwei Stunden Dauer beeinflussen können. Die Lage war kritisch, als sich Lisicki dem Ende des zweiten Satzes gegen Christina McHale näherte, nachdem sie den ersten bereits verloren hatte.

Drei unerzwungene Fehler der Berlinerin und ein erfolgreicher Aufschlag der Amerikanerin führten zu deren Ausgleich zum 5:5, und in diesem Moment stand die gedachte Quote für einen Sieg von McHale mindestens bei 70:30; sie wirkte stabiler, spielte präziser und druckvoller und schien auch moralisch im Vorteil zu sein.

Lisickis Coach, Christopher Kas, blickte höchst besorgt; dieser Blick sagte eine Menge über die Bedeutung der nächsten Minute. Ein Aufschlagverlust im nächsten Spiel – und das wäre es wohl gewesen. Lisicki führte, machte wieder Fehler, ließ McHale herankommen, doch dann schnappte sie sich dieses schwierige Spiel, und der Rest lief dann endlich wie nach Plan. Sie reduzierte die Zahl ihrer leichten Fehler, schlug nun auch öfter Asse als zu Beginn, und am Ende, nach einer Stunde und 49 Minuten, hatte sie die Ereignisse endlich im Griff und gewann 2:6, 7:5, 6:1.

Jetzt gegen Bacsinszky

„Ich war am Anfang ein bisschen nervös, habe meine Chancen nicht genutzt und angefangen, leichte Fehler zu machen. Aber als ich den zweiten Satz gewonnen hatte, lief es sehr gut“, sagte Lisicki hinterher. Aber man kann davon ausgehen, dass die Sache im nächsten Spiel noch deutlich komplizierter werden wird. Ob Sabine Lisicki wie bei jedem Aufritt in Wimbledon seit 2009 auch diesmal wieder das Viertelfinale erreichen kann, wird maßgeblich von den Ereignissen am Samstag in Runde drei abhängen. Denn Gegnerin wird jene Spielerin sein, die zu den erfolgreichsten in diesem Jahr gehört und deren höchst interessante Geschichte seit ein paar Monaten zu den besten Themen im Frauentennis gehört, Timea Bacsinszky.

Die Schweizerin zählt sicher nicht zu den Rasenspezialistinnen, aber darauf kommt es vermutlich nicht an. Seit sie im zweiten Teil ihrer Karriere in jeder Situation die spezielle Lösung finden will und damit in diesem Jahr schon großen Erfolg hatte – zuletzt bei den French Open, wo sie das Halbfinale erreichte und drei Sätze gegen Serena Williams spielte –, ist es ihr egal, wie die Umstände aussehen mögen. Lisicki ist jedenfalls gewarnt: „Ich weiß nicht, wie sie auf Rasen spielt. Ich werde mir ein paar Matches von ihr anschauen“, sagte die 25 Jahre alte Berlinerin.