Ratingen. Vize-Weltmeister Michael Schrader siegt beim Mehrkampf-Meeting in Ratingen und fährt zur WN nach Peking. Auch Jennifer Oeser kann für China planen.

Kurz bevor Michael Schrader, der Vize-Weltmeister von 2013 im Zehnkampf aus Duisburg, selbst von den Kampfrichtern zum abschließenden 1500-Meter-Lauf an die Startlinie gerufen wurde, eilte er ins Ziel. Auf der roten Tartanbahn lag Siebenkämpferin Jennifer Oeser, die gerade die 800 Meter hinter sich gebracht hatte und mit schmerzverzerrtem Gesicht nach Luft schnappte. Schrader beugte sich zu seiner Trainingskollegin herunter und gab ihr einen Klapps auf die Schulter. Es war mehr als ein Glückwunsch, es war eine Geste der tiefen Anerkennung für die 31-Jährige Oeser, die sich mit 6306 Punkten das Ticket zur Leichtathletik-WM in Peking gesichert hatte.

„Es ist unglaublich, was hier abgeht”

Einige Minuten später kehrte sich das Bild um. Schrader rang auf dem Tartan nach Atem, und Oeser gratulierte ihm zu seinem Sieg im Zehnkampf mit 8419 Punkten. Schrader und Oeser waren die Protagonisten des Mehrkampf-Meetings in Ratingen, obwohl die Holländerin Anouk Vetter mit 6387 Zählern noch vor der Leverkusenerin lag. Zwei Tage lang hatten die Zuschauer mit den Sportlern mitgefiebert und manchmal auch mitgelitten. Auch wenn viele der Mehrkampf-Asse wie Kai Kazmirek und Rico Freimuth sowie Carolin Schäfer und Lilli Schwarzkopf den Wettbewerb nicht beendeten, beteiligten sich die Fans an ihrem ganz persönlichen Mehrkampf. Sie klatschten sich die Finger wund, schrien bis zur Heiserkeit und tanzten schließlich vor Begeisterung. „Es ist unglaublich, was hier abgeht”, sagte Schrader. „Ohne diese Zuschauer hätte ich diese Leistung nicht geschafft.”

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Für Schrader waren die beiden Tage in Ratingen etwas ganz Besonderes. Nicht nur weil ihn seine Familie und seine Kumpels aus der Schule anfeuerten. Schrader war zuletzt 2008 in Ratingen gestartet. Immer wieder hatten ihn Verletzungen zurück geworfen. Obwohl auch er die WM-Norm schon vor vier Wochen in Götzis geknackt hatte, stand für ihn keine Aufgabe zur Diskussion. Ganz im Gegensatz zu den ebenfalls bereits für die WM in Peking qualifizierten Kai Kazmirek, der in Götzis gewonnen hatte, Schraders Trainingskollege Rico Freimuth und Carolin Schäfer, die in Götzis mit 6547 Punkten groß aufgetrumpft hatte. „Es tut mir leid für die Zuschauer”, entschuldigte sich Kazmirek, der nur sieben Disziplinen absolvierte. „Aber ich hatte Leistenprobleme und will vor der WM kein Risiko eingehen.”

Oeser sichert sich ein WM-Ticket

Auch Schrader ist nicht ganz sorgenlos. Seit dem Zehnkampf in Götzis plagt ihn eine Entzündung im Ellenbogen. „Mir rutscht mein Herz in die Hose”, fieberte Frank Busemann, der Silbermedaillengewinner von Olympia 1996, mit. „Wenn er mehr als einen Versuch im Speerwerfen machen will, zerre ich ihn vom Platz.” Musste er nicht. Schrader begnügte sich mit einem Sicherheitswurf und steigerte seine Saisonbestleistung im Zehnkampf trotzdem.

"Wenn Weltmeister Ashton Eaton aus den USA gesund ist, wird er bei der WM nicht zu schlagen sein. Aber dahinter ist alles möglich, deswegen fahre ich nach Peking”, sagte Schrader.

Nach China reist dann auch Jennifer Oeser. Carolin Schäfer und Claudia Rath hatten sich schon in Götzis das WM-Ticket gesichert. So kämpften zwei der erfolgreichsten deutschen Mehrkämpferinnen der jüngeren Vergangenheit um den dritten WM-Startplatz. Oeser, die WM-Zweite von 2009, oder Schwarzkopf, die Olympiazweite von 2012, hieß das Duell. „Eine Viruserkrankung hat mich zu sehr geschwächt. Es geht nicht mehr”, gab Schwarzkopf vor dem 800-Meter-Lauf auf. So war der Weg frei für Oeser, die erst vor achteinhalb Monaten ihren Sohn Jakob geboren hatte. „Ich freue mich riesig”, sagte die junge Mutter. „Leider gibt es einen Wermutstropfen. Nach Peking kann Jakob nicht mit.”