Stuttgart. Angelique Kerber hat sich nach ihrer Krise zum Geheimfavoriten für die French Open entwickelt. Verdanken kan die Tennisspielerin das auch Steffi Graf.
Inmitten der größten Krise seit ihrem kometenhaften Aufstieg vor rund vier Jahren wandte sich Angelique Kerber an die deutsche Tennis-Legende schlechthin. In Las Vegas trainierte die Kielerin einige Tage mit Steffi Graf - und ist seitdem nicht mehr wiederzuerkennen. "Es ist immer inspirierend, mit ihr ein paar Bälle zu schlagen", berichtete Kerber. "Sie spielt immer noch richtig gutes Tennis."
Richtig gutes Tennis - das zeigt auch Kerber wieder, seit sie sich Rat bei der 22-maligen Grand-Slam-Turnier-Gewinnerin gesucht hat. Nach der Stippvisite bei der "Gräfin" wollte es bei den Turnieren in Indian Wells und Miami zwar noch nicht sofort klappen, doch inzwischen hat es klick gemacht.
Keber siegt beim Heimturnier in Stuttgart
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Zunächst holte sich Kerber Anfang des Monats in Charleston den vierten Titel ihrer Karriere, am Sonntag dann gewann sie das Heimturnier in Stuttgart im Finale gegen die Dänin Caroline Wozniacki. "Das ist bestimmt der schönste Erfolg und der, der immer in meinem Herzen bleiben wird", sagte die 27-Jährige nach dem 3:6, 6:1, 7:5 gegen die ehemalige Nummer eins der Welt. In der am Montag veröffentlichten Rangliste verbesserte sich Kerber um zwei Plätze auf Position zwölf und nimmt nun die Top Ten wieder ins Visier.
In ihrer Siegesrede auf dem Centre Court überschlugen sich die Worte der sonst eher zurückhaltenden Norddeutschen förmlich. Man merkte, hier ist jemand von einer Zentnerlast befreit und mit sich und der Welt endlich wieder im Reinen.
Rückkehr zum alten Trainer Beltz
"Angie ist endgültig wieder zurück", sagte Fed-Cup-Teamchefin Barbara Rittner. Sie hielt auch nach all den Rückschlägen mit frühen Niederlagen bei den Australian Open, in Doha, Dubai und Brüssel zu Kerber, genauso wie ihr Trainer Torben Beltz, zu dem sie nach der Trennung von Benjamin Ebrahimzade zurückgekehrt war. "Ich bin Torben sehr dankbar. Er kennt mich einfach am besten und weiß, was er an und mit mir hat", sagte Kerber.
Seitdem sie wieder mit ihrem alten Coach arbeitet, schafft es Kerber, ihre Trainingsleistungen auch in den Spielen abzurufen. "Ich habe wieder Spaß auf dem Court und auch bei allem, was ich abseits des Platzes mache." Erst einmal bis zu den French Open in Paris wollen beide Seiten zusammenarbeiten, danach will Kerber neu entscheiden.
Kerber macht sich selbst keinen Druck
Doch trumpft sie weiter so auf wie zuletzt, gibt es keinen Grund, dass sich die Wege wieder trennen. Schließlich ist Kerber derzeit die "beste Sandplatzspielerin der Welt", wie der ehemalige Erfolgscoach Heinz Günthardt am Sonntag etwas überschwänglich lobte.
Ist die Schleswig-Holsteinerin also auf einmal eine Kandidatin auf den Grand-Slam-Titel in Paris Anfang Juni? "Soweit denke ich noch überhaupt nicht. Ich mache mir keinen Druck", wiegelte Kerber ab. "Aber ich hätte auch nie gedacht, dass Sand mal mein Lieblingsbelag wird."
Nach dem Turnier geht's auf die Achterbahn
Bevor es für sie bei den Masters-Events in Madrid und Rom auf der roten Asche weitergeht, will sie jedoch erst einmal ein paar Tage gar nichts machen. "Ich hatte zuletzt viele Matches und bin viel gereist. Ich habe Schmerzen überall im Körper", gab Kerber zu. Doch für einen kurzen Besuch auf dem Stuttgarter Frühlingsfest sollte die Kraft noch reichen. Schließlich musste ihr Coach in guter alter Tradition nach dem Turniersieg trotz Höhenangst wieder in die Achterbahn. (dpa)