Kontiolahti. Die deutschen Biathleten wollten den ganz großen Coup landen. Staffel-Gold war das Ziel. Und dank einer phänomenalen Teamleistung konnten Erik Lesser, Daniel Böhm, Arnd Peiffer und Simon Schempp sich ihren großen Traum erfüllen.

Schon weit vor dem Ziel hatte Simon Schempp Zeit, das unglaubliche Glücksgefühl so richtig zu genießen. Mit der wehenden Deutschland-Fahne in der Hand und einem strahlenden Siegerlächeln lief der 27-jährige Schwabe seinen Teamkollegen Erik Lesser, Daniel Böhm und Arnd Peiffer in die Arme, die sich in großartiger Manier bei der Biathlon-WM in Kontiolahti ihren langersehnten Gold-Traum in der Staffel erfüllten.

Nach Bronze bei der WM 2013 in Nove Mesto und Silber bei Olympia in Sotschi im vergangenen Jahr waren die deutschen Skijäger endlich obenauf. "Das dass Glück auf unserer Seite ist, das haben wir uns in den letzten vier Jahren hart erarbeitet. Wir stehen zu Recht oben", sagte Männer-Bundestrainer Mark Kirchner.

Einen Tag nach dem Überraschungscoup der Damen holte das olympische Silber-Quartett den ersten deutschen Staffel-WM-Sieg seit elf Jahren und krönte damit genau wie die Biathlon-Mädels am Tag zuvor eine mannschaftliche Leistung der Extra-Klasse. Erstmals seit 1997 in Osrblie konnten beide deutsche Staffeln Gold gewinnen.

"Als Schlussläufer ist so etwas das Schönste was man erleben kann mit einer deutschen Fahne über die Ziellinie zu laufen. Wenn ich eine Minute Vorsprung hätte, wie die Mädels gestern, dann wäre das noch schöner gewesen", sagte Schempp.

Freudentränen bei Co-Trainer Andi Stitzl

Nachdem der Uhinger den alles entscheidenden Schuss ins Schwarze gesetzt hatte, brachen im Zielraum bei seinen Teamkollegen, den Trainern und Betreuern alle Dämme. Co-Trainer Andi Stitzl vergoss an der Strecke Freudentränen, ehe er Schempp am letzten Berg Jubelschreie hinterherjagte.

"Die Nummer eins. Der Fleißige wird belohnt, wir waren heute einfach dran", sagte Lesser, der sich nach Gold in der Verfolgung nun sogar Doppel-Weltmeister nennen kann. "Einfach der Wahnsinn, einfach nur geil", jubelte Böhm nach seinem ersten WM-Titel und sein Oberhofer WG-Kumpel Peiffer meinte: "Es ist was ganz Besonderes heute. Schön, dass ich das mit den drei erleben durfte."

Mit dem Sieg vor Titelverteidiger Norwegen (+ 15,4 Sekunden) und Frankreich (+ 33,6 Sekunden) sorgte das nur mit drei Nachladern belastete Quartett für den ersten deutschen WM-Staffelsieg seit der Heim-WM 2004, den letzten großen Staffel-Titel gewannen die Deutschen zwei Jahre später bei den Olympischen Spielen in Turin.

"Hey Jungs, wir haben es"

Ein Platz auf dem Podium war in diesem prestigeträchtigen Rennen fest eingeplant, insgeheim hoffte man aber auf nicht weniger als auf Gold. "Es ist endlich mal Zeit für Gold", hatte Verfolgungs-Weltmeister Lesser vor dem Startschuss gesagt. Und auch Bundestrainer Mark Kirchner legte seine sonst offensiv zur Schau gestellte Zurückhaltung diesmal ab: "Der Titel ist das Ziel."

Als Schempp sich schon lange vor dem Ziel die Fahne schnappte, sprang Kirchner jubelnd in die Luft. Dann stürmte er vom Schießstand in den Zielraum und feierte mit seinem Team: "Hey Jungs, wir haben es."

Einen Blick für den malerischen Sonnenuntergang an der "Bärenbucht" hatten die Skijäger nicht - dafür ging es um zu viel. Startläufer Lesser untermauerte mit zehn schnellen Treffern sein nach Verfolgungs-Gold gewachsenes Selbstvertrauen.

Peiffer traumhaft sicher am Schießstand

Der 28-jährige Böhm, der bereits in der Mixed-Staffel und im Einzel mit starken Leistungen aufwarten konnte, zeigte sein über die gesamte Saison erarbeitetes neues Selbstbewusstsein. Beim Stehendschießen brauchte er zwar zwei Nachlader, trotzdem hielt es das Team auf Kurs.

Peiffer demonstrierte dann, was das deutsche Team so stark macht: die Ausgeglichenheit. Läuferisch ohnehin auf einem Top-Niveau zeigte der Harzer auch am Schießstand traumhaft sichere und schnell gesetzte Schüsse.

So ging Schlussläufer Schempp mit einem Vorsprung von 15 Sekunden auf die ihn jagenden Konkurrenten Emil Hegle Svendsen aus Norwegen und den Tschechen Ondrej Moravec in die entscheidende Rennphase. "Ich möchte nicht in Simons Haut stecken. Emil im Nacken zu haben, ist nicht unbedingt das Schönste", sagte Peiffer mit Blick auf das entscheidende Duell. Wie seine Teamkollegen agierte auch Schempp weltmeisterlich, selbst ein Nachlader im stehenden Anschlag konnte ihn nicht aus dem Konzept bringen.

Am Sonntag wollen die Deutschen dann in den abschließenden Massenstarts für weitere WM-Medaillen sorgen. Vier Mal Edelmetall haben sie schon. (dpa)