Kontiolahti. . Schon bei den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi sorgte Erik Lesser mit dem zweiten Platz für Erleichterung in der deutschen Biathlon-Mannschaft.
Um einen flotten Spruch ist Erik Lesser eigentlich nie verlegen – bei der Frage nach dem Sicherheitsschloss, das alle Medaillengewinner in Kontiolahti überreicht bekommen, musste der frischgebackene Weltmeister aber passen. „Zu dem Thema“, entschuldigte er sich, „kann ich nichts Lustiges beitragen.“ Nicht nach seinem Vorredner Tarjei Bö – hinter Lesser und dem Russen Anton Shipulin Dritter in der Verfolgung –, dem für sein Präsent sofort eine gute Verwendung eingefallen war. „Damit werde ich Erik und Anton vor der Staffel wegsperren“, ulkte der Norweger und schlug seinem deutschen Widersacher vor: „Schau dir ‚Fifty Shades of Grey‘ an, dann weißt du, was du mit dem Ding anstellen kannst.“
Seine Freundin habe den Film über bemerkenswerte Schlafzimmer-Experimente gesehen, er aber nicht, gab sich Lesser unwissend, gönnte Bö den verbalen Punktsieg – und genoss seinen viel wichtigeren Erfolg an diesem Tag: Bester nach 12,5 Kilometer Verfolgung inklusive vier Schießeinlagen war er gewesen – und hatte dabei, als Fünfter im Sprint mit 30 Sekunden Rückstand auf die Spitze gestartet, als Einziger im 60er-Feld alle zwanzig Scheiben abgeräumt.
Das war das entscheidende Plus für den 26-Jährigen – der offenkundig ein Spezialist für Großereignisse ist. War Lesser doch schon im letzten Jahr in Sotschi mit zwei zweiten Plätzen Deutschlands erfolgreichster Skijäger gewesen. „Silber bei Olympia, Gold bei einer WM – für mich ist das gleich geil“, erklärte der gebürtige Suhler, der zuvor in intensiven Körperkontakt zu Mark Kirchner getreten war.
Der Chefcoach der deutschen Biathleten, der Lesser zugleich in Oberhof trainiert, wollte seinen Eleven gar nicht mehr loslassen. „Das ist Freude pur“, betonte der 44-Jährige später – „und eine große Genugtuung“. Schließlich hatte Kirchner die mediale Schelte, der er nach der Besetzung der deutschen Mixed-Staffel – ohne die vor der WM formstarken Simon Schempp und Arnd Peiffer – ausgesetzt war, nicht vergessen.
Vize-Weltmeisterin in der Verfolgung: Laura Dahlmeier
„Ich fühle mich ein bisschen wie vor einem Jahr in Sotschi. Da herrschte nach den ersten Rennen auch schon Totengräberstimmung“, erinnerte der 44-Jährige an die Tage, ehe Lesser – erst im Einzel, dann mit der Staffel – olympisches Silber holte.
Weniger gute Erinnerungen mit der Fünf-Ringe-Show im Kaukasus verbindet Laura Dahlmeier. Drei Stunden nach Lessers Coup rundete die junge Oberbayerin im verregneten Kontiolahti den glänzenden Sonntag für den DSV ab: Hinter der Französin Marie Dorin-Habert kam die 21-Jährige nach zehn Jagdkilometern als Zweite ins Ziel – und vergessen waren die dunklen Tage von Sotschi.
„Vorher“, erzählte die Garmischerin mit dem blinkenden Silber in der Tasche, „sind bei mir schon einige negative Erinnerungen hochgekommen.“ Unerfreuliche Gedanken an Sotschi, an die schlechten Resultate der deutschen Skijägerinnen – und an den Tiefpunkt mit dem Dopingfall Sachenbacher-Stehle. „Jetzt dagegen ist es bei uns richtig ruhig und entspannt“, betonte Dahlmeier. Und dann drehte sie den Scheinwerfer frontal auf das deutsche Frauen-Team, indem sie feierlich erklärte: „Dieser Tag war für uns alle die totale Befreiung.“