Washington. . Der Düsseldorfer spielt mit den Patriots im Finale gegen die Seahawks. Seine Geschäft: kompromissloser Körpereinsatz, damit ein anderer glänzen kann.

Wenn in ferner Zukunft doch noch Lügen-Detektoren zum Einsatz kommen sollten, um Licht in den seltsamsten Skandal im American Football dieses Jahres zu bringen, hat eine rheinische Frohnatur mit westfälischer Dickhaut beste Chancen auf Freispruch.

Sebastian Vollmer, Offensiv Tackle der New England Patriots, die am Sonntag in Glendale/Arizona gegen Vorjahressieger Seattle Seahawks im Finale um die 49. Super Bowl antreten, hat schon von Berufs wegen mit dem eiförmigen Spielgerät, über dessen Beschaffenheit sich das footballvernarrte Amerika seit gut zwei Wochen die Köpfe hitzig redet, nichts zu tun.

„Ich fasse die Bälle ja nie an“, sagte die in Kaarst bei Düsseldorf geborene Schrankwand, 2 Meter 3 groß, 145 Kilogramm (plusminus zwei Kilo) schwer, gerade im Gespräch mit deutschen Journalisten. Und würgte mit dieser wahrheitsgetreuen Lakonik alle weiteren Fragen zum Thema der Stunde im Ansatz ab. Das da nach Angaben der NFL-Liga-Oberen lautet: Welcher törichte „Patriot“ hat vor dem mit 45:7 gewonnenen Regenschlacht-Halbfinale gegen die Indianapolis Colts zwecks Vorteilsgewinnung elf von zwölf rotbraunen Spielbällen regelwidrig zu viel Luft rausgelassen, auf dass sie leichter zu werfen und zu fangen wären?

Vollmers Ziel ist Bradys Unversehrtheit

Unter Verdacht steht, nachdem Neu-Englands bereits einmal wegen Schummelei bestrafter Trainer Bill Belichik jede Mitwisserschaft von sich wies, ausgerechnet der Mann, dessen körperliche Unversehrtheit auf dem Spielfeld Sebastian Vollmer bis 2017 insgesamt 27 Millionen Dollar Einkommen garantiert.

Tom Brady, den Quarterback (Spielmacher) der „Pats“, mit kompromisslosem Körpereinsatz vor übelmeinenden Häschern des Gegners zu beschützen, ist Vollmers erster Daseinszweck in der Mannschaft, die den begehrtesten Pokal im US-Profisport schon drei Mal ins heimische Foxborough/Massachusetts geholt hat. Aber Brady gibt das Unschuldslamm: „Ich würde nie die Regel brechen.“ Vollmer, Spitzname „Wolfsbarsch“, hält sich raus. Auch um die Konzentration aufs Finale gegen die „Seeadler“ nicht zu gefährden: „Wir haben souverän gegen die Colts gewonnen. Mehr kann ich nicht sagen.“ Mehr darf er nicht. Höhere Ziele toppen alles.

Denn würde am Sonntag (Übertragung am Montag ab 0.30 Uhr auf Sat.1) auch der Vorjahressieger aus Seattle von Neu-England geteert und gefedert, wäre Sebastian Vollmer der erste Deutsche mit Super Bowl-Ring am Finger. Tom Nütten, der vor 15 Jahren mit St. Louis die Vince Lombardy Trophy anfassen durfte, wuchs zwar im westfälischen Oelde auf, ist aber Amerikaner. Uwe Schamann schaffte es Anfang der 80er Jahre zweimal mit den Miami Dolphins ins Endspiel, ging aber beide Male leer aus. Vollmers Patrioten würden sich mit einem Sieg gegen die Seahawks aus Seattle um ihren wieselflinken Strippenzieher Russell Wilson in den Olymp spielen. Stammspieler Vollmer vornweg.

Die Eltern fliegen zum Endspiel ein

Vorgezeichnet war das nicht. Sebastian Vollmer fing im Großraum Düsseldorf mit Schwimmen und Basketball an. Den ersten Football sah er erst mit 14 bei den damaligen Panthers aus der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt fliegen. Bei einem internationalen Turnier 2003 in San Diego fiel er Talentspähern auf. Der wortkarge Mann, der jede Dunkelkammer dem Rampenlicht vorzieht, landete mit einem Stipendium an der Universität in Houston. 2009 nahmen die Patriots das Kühlschrank-Gardemaß unter Vertrag. Sechs Jahre und manche schwere Verletzung später ist der preußisch-akribische Perfektionist unverkennbar amerikanisiert. „Hier kümmert man sich nicht darum, wo einer herkommt“, sagt Vollmer, „nur Leistung zählt.“

Vollmers Auftritte zuletzt bürgten für deutsche Wertarbeit. Im Stadion der Universität von Phönix wollen sich am Sonntag die aus NRW anreisenden Eltern davon überzeugen, wer Spielmacher Tom Brady vor der Ballabgabe den nötigen Freiraum verschafft. Vollmer weiß um seine Aufgabe. Und sein Ziel: „Wer die Super Bowl gewinnt, ist in Amerika ein Held.“