Kitzbühel. . Wegen schlechter Sicht musste die Streif, die berühmteste und schwerste Abfahrt der Welt, stark verkürzt werden. Bester Deutscher war Andreas Sander.
Sie sind Hauptdarsteller einer wilden Raubtier-Show. Sie kämpfen, als ob der Gegner ein Tiger wäre, der sich mal mehr, mal weniger gefährlich präsentiert. Mucksmäuschenstill ist es auf der Streif im Starthäuschen gewöhnlich, nur die alten Hasen plaudern manchmal und geben den Novizen den gut gemeinten Rat mit auf die Piste, sich am Start der berühmtesten und schwersten Abfahrt der Welt in Kitzbühel auf jeden Fall gehörig abzustoßen. „Aber nicht, um sie ins Verderben zu stürzen“, erzählte der frühere Abfahrer Marco Büchel einmal, „sondern um ihnen beizubringen, dass ihnen weniger passiert, wenn sie attackieren.“
Am Samstag kursierten diese Sprüche von den Stockschüben vielleicht auch am Start, aber aus einem anderen Grund. Die berühmte Hahnenkammabfahrt wurde einiger ihrer gefährlichsten Passagen beraubt. Statt nach ein paar Sekunden in die steile Mausefalle einzutauchen, ging es für die Athleten erst einmal für ihre Verhältnisse relativ gemächlich dahin. „Aus dem Tiger ist ein Kätzchen geworden“, twitterte Kjetil Jansrud – oder beauftragte vielleicht einen Betreuer damit –, nachdem die Jury beschlossen hatte, den Start wegen zu schlechter Sicht nach unten zu verlegen.
Sander fährt nach Platz 16 auf der Streif zur WM
Aber wer stark genug ist, es mit einem Tiger aufzunehmen, kommt natürlich auch mit einem Schmusekätzchen zurecht, und Jansrud tat dies am besten aller 47 Starter. Nach knapp einer Minute war er im Ziel, so schnell wie noch nie ein Abfahrtssieger in Kitzbühel. Bei der kürzesten Hahnenkammabfahrt der Weltcup-Geschichte dominierten schließlich die Favoriten, hinter dem Norweger reihte sich Dominik Paris aus Italien, der Gewinner des Super-G-Rennens am Tag zuvor, ein. „Wir sind harte Jungs und wollten natürlich über die volle Distanz gehen“, sagte der 29 Jahre alte Sieger. „Aber das Wichtigste ist die Sicherheit. Und ein Rennen ist ein Rennen.“ Ähnlich dachten auch die Kollegen. „Für uns geht es immer um dieselben Weltcuppunkte und um ein gutes Resultat“, sagte Andreas Sander, als 16. bester deutscher Starter. Er darf wie der zwei Ränge dahinter platzierte Klaus Brandner aus Berchtesgaden trotz fehlender Qualifikationsnorm, Josef Ferstl zur WM im Februar in Vail begleiten.
Auch interessant
Eine fast so große Herausforderung wie die verkürzte Streif war es, sich auf die Verschiebungen einzustellen. Jansrud sorgte dabei mit einer außergewöhnlichen Rennvorbereitung für Aufsehen im Kollegenkreis. Vorjahressieger Hannes Reichelt schoss ein Foto, wie der Norweger auf einem der Sofas im Starthäuschen ein kleines Nickerchen zu halten schien. Tatsächlich aber „wollte ich einfach nur ein paar Minuten meine Ruhe haben“, wie Jansrud zugab.
Svindal will bei der WM starten
Den Mann aus Stavanger zeichnete wie fast alle Norweger im Ski-Weltcup große Gelassenheit und Ruhe aus. Er dominiert seit diesem Winter die schnellen Disziplinen, und übernahm die Rolle seines Kollegen Aksel-Lund Svindal. Die bisherige Nummer eins im norwegischen Team hatte sich im Oktober die Achillessehne gerissen – und ist gerade dabei, sein Comeback vorzubereiten, voraussichtlich bei der WM.
Auch interessant
„Er findet immer Lösungen“, erzählte Norwegens Cheftrainer Havard Tjorhom über seinen Top-Fahrer. Jansrud habe ein außergewöhnliches Gefühl für jede Art von Schnee, für jeden Hang, für jede Situation, sagte er. Kein Wunder, dass er sich am Samstag am besten auf die Verwandlung der Streif in ein Streifchen einstellen konnte.