Essen. Claudia Pechstein hat vor dem Oberlandesgericht München einen Sieg gegen das Internationale Sportgericht CAS errungen. Folgt auch der Bundesgerichtshof diesem Entscheid, ergibt sich für den Sport eine völlig neue Situation. Ein Kommentar.
Rund um das Pechstein-Urteil taucht immer wieder das Wort „sporthistorisch“ auf. Doch so weit ist es noch nicht. Das Urteil vom Oberlandesgericht München landet zunächst in der Revision beim Bundesgerichtshof. Kassiert der BGH das Urteil wieder ein, kann man das Wort „sporthistorisch“ streichen. Folgt der BGH aber dem Oberlandesgericht, kommen tatsächlich neue Zeiten auf den Sport zu.
Bisher müssen sich Doping-Sünder vor der Sportgerichtsbarkeit verantworten. Anders als vor Ordentlichen Gerichten gilt dabei: Der Angeklagte muss seine Unschuld beweisen. Gelingt ihm dieses nicht, wird er mit einer Sperre bestraft.
Dieser Mechanismus funktioniert im Sinne des Fairplays. Beispiel: Ein Sprinter wird vor Olympia bei einer Doping-Kontrolle positiv getestet. Die Sportgerichtsbarkeit kann schnell reagieren und ihn für Olympia aus dem Verkehr ziehen.
Bestätigt nun der BGH das Pechstein-Urteil, kann der Sprinter mit der positiven Dopingprobe vor ein Ordentliches Gericht ziehen. Dort kann es Monate bis zur Verhandlung dauern. Heißt: Der Sprinter kann trotz positiver Dopingprobe bei Olympia starten, weil sein Verfahren in der Schwebe ist. Da vor dem Ordentlichen Gericht die Unschuldsvermutung gilt, kann er bei Olympia sogar noch rasch Gold gewinnen.
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Ein unerträglicher Gedanke für den Sport, aber im Umkehrschluss darf man nicht verlangen: Alles bleibt, wie es ist. Denn so wird die Doping-Problematik seit Jahrzehnten verschleppt. Der Sport braucht also gänzlich neue Wege, und die BGH-Entscheidung könnte diese Entwicklung beschleunigen. Wenn es dann am Ende sogar eine „sporthistorische“ wird, die Doping endlich wirkungsvoller als bisher bekämpfen kann: Umso besser.