Essen..

Oh, das tut weh. 0:0 stand es in der Verlängerung, und die RWE-Fans fieberten bereits dem Elfmeterschießen entgegen. Noch hatten die Rot-Weißen die Chance, gegen den Zweitligisten Union Berlin in die zweite Runde des DFB-Pokals einzuziehen. Die Essener Spieler wurde von Krämpfen geschüttelt, aber sie wehrten sich. Die „Eisernen“ suchten den Weg nach vorn, nicht druckvoll, nicht schön, aber immer wieder. Auf der Tribüne waren sie entzückt, bejubelten begeistert jede gelungene Aktion. Nur noch Sekunden.

Aber dann die eine Unachtsamkeit, wohl mehr der Erschöpfung geschuldet. Berlins Simon Terrode kam an den Ball und traf zum 1:0 für den Favoriten. In der 120. Minute. Das ist bitter. Ganz unverdient war der Erfolg indes nicht unterm Strich. Denn zuvor (118.) hatte eben jener Terodde den Ball an den Innenpfosten gesetzt. Und während der regulären Spielzeit musste das Aluminium beim Schuss von Michael Parensen (74.) retten. Union erreichte erstmals nach sechs Versuchen wieder mal Pokalrunde zwei und revanchierte sich für das schmähliche Pokal-Aus an der Hafenstraße vor einem Jahr.

Konfetti rot-weiß. Als die Mannschaften gestern ins Stadion einliefen, war die Sorge, die Hafenstraßen-Atmosphäre könnte beim Umzug ins neue Stadion auf der Strecke geblieben sein, wie weggeblasen. Die Gegentribüne bebte und ließ Eisern Union wissen, dass hier im Essener Norden auch weiterhin die Post abgeht, wenn die Rot-Weißen auflaufen. Und schriftlich gab’s die Kampfansage auch noch auf einem Transparent, das sich an der gesamten Seitenlinie erstreckte: „Union will sich eisern rächen, Kruppstahl wird sie wieder brechen“.

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Dass sich der Außenseiter nicht bereitwillig vom Pokal-Karussell schubsen lassen würde, war ohnehin klar. Und wer nicht so recht an die Chance des Viertligisten glaubte, wurde gleich in der ersten Minute von der Entschlossenheit des Gastgebers überzeugt. Die erste Ecke, Max Dombrowka kam zum Kopfball, traf aber nur Berlins Keeper Daniel Haas.

Nach einer Viertelstunde hatte sich Union langsam sortiert und versuchte, die Partie zu kontrollieren. Die Berliner hatten mehr Ballbesitz, doch Tore erzielt man dadurch noch lange nicht. Mit Dauer des Spiels wurde immer deutlicher, warum sie an der Alten Försterei mangelnde Durchschlagskraft beklagen. Angreifer Silvio ließ sein Können einige Male aufblitzen, doch sein Sturmpartner Simon Terodde war (zunächst) nur in der Anfangsphase präsent. Ein Distanzschuss (23.), dann rettete Vincent Wagner in höchster Not (23.) und ein Schuss ans Außennetz (26.), womit auch Berlins stärkste Phase in Hälfte eins beendet war. Benedikt Koep prüfte noch einmal Torwart Haas, doch viel mehr hatte auch RWE nicht mehr zu bieten.

Warum auch? Sie waren der Außenseiter und spielten mit viel Herz und Einsatz. Die Defensive zeigte sich wehrhaft wie eine Festung gegen die ideenlosen Angriffe der Gäste. Denen fehlte Schnelligkeit beim Umschalten, das Überraschungsmoment, ein entschlossenes Dribbling, das Räume öffnet. Die Rot-Weißen grätschten, kämpften, agierten clever und behaupteten sich im Zweikampf.

RWE-Keeper Lamczyk indes hatte bis in die Schlussphase hinein kaum eingreifen müssen. Den Distanzschuss von Menz parierte er aber reaktionsschnell (86.).

Trainer Waldemar Wrobel konnte zufrieden sein, die RWE-Fans feierten ihre tapferen Recken, die sich eine Verlängerung gegen den Zweitligisten wahrlich verdienten. Wie im vergangenen Jahr. Was wohl Uwe Neuhaus an der Seitenlinie durch den Kopf ging. Die Essener Fans jedenfalls sangen begeistert: „Immer wieder RWE“.

Von Krämpfen geschüttelt

Von Krämpfen geplagt musste Benedikt Koep vom Platz, der für Stefan Grummel eingewechselte Holger Lemke (Kreislauf) räumte ebenfalls wieder das Feld. Pires-Rodrigues war wie alle seine Mitspieler am Ende. Er musste bleiben. Aber die Kraft schwand beim Viertligisten, was wirklich nicht verwunderte angesichts des enormen Pensums, das RWE abgespult hatte. Und Union Berlin? Energisch gab Neuhaus in der kurzen Spielpause der Verlängerung seinen Spielern Anweisungen. Union blieb harmlos. RWE war mausetot. Bezeichnend die Szene acht Minuten vor Ende der Verlängerung. Der spät eingewechselte Nemec bekam frei stehend den Ball im Strafraum und schob in aus zehn Metern Lamczyk in die Arme. Es war die größte Chance der Berliner. Nemec versiebte sie kläglich. Aber noch war nicht Schluss.

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Uwe Neuhaus (Union Berlin): Es war ein Kampf auf Biegen und Brechen. Die Essener haben 77 Minuten lang ungemein viel investiert und hatten vor allem in der Anfangsphase gute Szenen nach vorn. Meine Mannschaft war hoch konzentriert, das konnte man deutlich sehen. Erst nach 70 Minuten wurden die Essener etwas ruhiger im Spiel nach vorn. In der Endphase denkt man an das Elfmeterschießen, da schlottern einem schon etwas die Knie. Deshalb haben wir immer wieder versucht, die Spieler nach vorn zu treiben. Das Siegtor in der späten Phase war natürlich glücklich, aber nicht ganz unverdient.
Waldemar Wrobel (RWE): Im Pokal ist das Ziel, die nächste Runde zu erreichen. Das haben wir nicht geschafft. Aber wir haben 120 Minuten lang ein tolles Spiel geliefert. Union hatte zwar mehr Aktionen, hat uns spielerisch aber nicht dominiert. Am Ende fehlte uns einfach die Kraft. Einen Klassenunterschied habe ich nicht gesehen. Natürlich sind wir enttäuscht, aber was übrig bleibt ist, dass wir uns heute sehr, sehr gut verkauft haben. Deshalb bin auch ich nicht unzufrieden.

Rot-Weiss - Union Berlin 0:1 n.V. (0:0)

RWE: Lamczyk – Dombrowka, Wagner, Rodenberg, Guirino – Heppke, Grund – Grummel (79. Lemke/98. Sawin), Avci, Pires-Rodrigues – Koep (103. Ellmann).

Union: Haas - Pfertzel, Puncec (16. Menz), Stuff, Kohlmann - Karl - Zoundi, Parensen, Mattuschka (64. Gallegos) - Silvio (91.Nemec), Terodde.

Tore: 0:1 Terodde (120.).
Schiedsrichter: Martin Petersen (Stuttgart); Zuschauer: 12 500.