Krasnaja Poljana. Beim großen olympischen Fest der Freestyler, Slopestyler und Snowboarder spielt Deutschland nur eine Nebenrolle. Ein Grund: Medaillenträchtige Sportarten wie Biathlon, Bob oder Rodeln werden gefördert. Die Freestyle-Artisten können hingegen noch nicht mal in Deutschland trainieren.
Im Extreme Park Rosa Khutor ist immer Party. Wenn sich die Freestyler und Snowboarder bei ihren atemberaubenden Sprüngen mit Ski oder Brett in die Luft schrauben, dann kreischen Tausende meist junge Zuschauer auf der olympischen Arena oberhalb von Krasnaja Poljana. Aber beim großen Fest der Freestyler, der Slopestyler und Snowboarder spielt das deutsche Team nur eine Nebenrolle. Diesen Trend hat der Deutsche Ski-Verband verschlafen.
Und dann ist es auch noch schlecht gelaufen für die deutsche Mannschaft. Lisa Zimmermann war die große Hoffnung. Mit gerade einmal 17 Jahren gewann sie kurz vor den Winterspielen als erste Deutsche in Gstaad einen Slopestyle-Weltcup und katapultierte sich mit ihrem superschweren Programm zur Medaillen-, ja sogar zur Goldkandidatin bei der olympischen Premiere der Sportart. 17 Jahre alt, cool, hübsch, intelligent: Vor einem Millionen-Publikum am Fernseher hätte sie mit einem Medaillen-Ritt ihre Sportart ganz nach vorne bringen können.
Bereits in der Qualifikation ausgeschieden
Doch diese Hoffnungen zerbarsten im Schnee. Lisa Zimmermann wählte auf dem Weg über die Hindernisse, die Rails, Kanonen und Ticker genannt werden, die schwierigsten Sprünge. Wenn alles geklappt hätte, wäre die Medaille so gut wie sicher gewesen. Aber da sie mehrfach bei der Landung in den Schnee griff, schied sie als 14. bereits in der Qualifikation aus. „Das Ergebnis geht in Ordnung. Ich bin unsauber gelandet“, sagte Zimmermann, „aber ich hatte Spaß, ich bin nicht verletzt. Es passt alles.“ Ihr Gesicht sagte jedoch anderes. Doch die Slopestyler mit ihrer weiten, hippen Kleidung ticken anders. „Es gehört zum schlechten Ton, wenn man zugibt, nervös gewesen zu sein. Sie war natürlich aufgeregt. Sie ist ein 17-jähriges Mädel“, sagte Thomas Hlawitschka.
Der 26-Jährige ist erst seit einigen Wochen Bundestrainer der Freestyler. Der erste, der vom Deutschen Ski-Verband bezahlt wird. Hier zeigt sich ein großes Problem des deutschen Wintersports. Während die medaillenträchtigen Sportarten wie Biathlon, Bob oder Rodeln mit einem Großaufgebot von Trainern, Technikern und Wissenschaftlern sowie mit dem besten Material unterstützt werden, gibt es erst seit September 2012 das Verbands-Projekt „Freeski Olympia“.
Die neuen Sportarten sind jetzt Chef-Sache
Es ist aber auch nicht ganz einfach für den Deutschen Ski-Verband, weil die Freestyler, die Freigeister des Skisports lange ihre Unabhängigkeit von administrativen Strukturen auslebten. Alfons Hörmann, früher Präsident des Deutschen Ski-Verbandes und jetzt Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, hat die neuen Sportarten zur Chef-Sache gemacht. „Die Leistungsstärke, mit der Lisa Zimmermann hier angereist ist, zeigt, dass die Rahmenbedingungen grundsätzlich gegeben sind“, erklärte Hörmann. „Die Frage nach der zukünftigen Förderung werden wir im Ski Freestyle genauso wie in allen anderen Sportarten und Disziplinen nach den Spielen analysieren und diskutieren.“
Das wird auch nötig sein, denn es gibt auch erheblichen Nachholbedarf nicht nur bei den Freestylern, sondern auch bei anderen neuen Sportarten wie Shorttrack oder Buckelpiste. Und selbst in den klassischen Wintersportarten sind die deutschen Stars wie die Skirennfahrer Felix Neureuther (29) und Maria Höfl-Riesch (29) oder Eisschnellläuferin Claudia Pechstein (41) in die Jahre gekommen. Und große neue Hoffnungen sind auch nicht viele in Sicht.
In Deutschland wird gefördert, wer Medaillen holt. Es gibt vier Kunsteisbahnen in unseren Regionen. Und im Freestyle? Fehlanzeige. Die Ski-Artisten müssen nach Österreich ausweichen, um optimale Trainingsbedingungen zu finden.
Außerhalb von Deutschland wenig Interesse
Deutschland beherrscht die Rodel-Wettbewerbe nach Belieben, aber außerhalb von Deutschland lassen die Vorstellungen von Felix Loch oder Natalie Geisenberger in der Eisrinne die Sport-Fans fast völlig kalt. Wenn die Stars auf der Buckelpiste, in der Halfpipe oder beim Slopestyle dagegen ihre Tricks zeigen, schaut die ganze Welt zu.
In Sotschi sorgt auch das deutsche öffentlich-rechtliche Fernsehen dafür, dass die Fans der Trendsportarten in der ersten Reihe sitzen. Deshalb ist es so schmerzlich, dass Lisa Zimmermann so früh ausgeschieden ist. An den langen Wintersport-Wochenenden, an denen ARD und ZDF vom frühen Morgen bis zum späten Abend jeden deutschen Kombinierer, jeden Rodler und Biathleten beim Weltcup intensiv begleiten, gibt es von den jungen Sportarten höchstens ein paar Bilderschnipsel. Sowohl der deutsche Wintersport als auch die Fernsehsender sind dabei, den Trend zu verschlafen. Freestyle, Buckelpiste und Shorttrack, das fesselt die Jungen -- und muss die Alten keinesfalls langweilen.
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