Essen. . Platz fünf in der Medaillenwertung, das ist das große Ziel für die Spiele in London, seit Jahren tragen die Anzugträger des deutschen Sports diese Vorgabe in die Welt. Jetzt fällt die Medaillenausbeute überraschend bescheiden aus und Deutschland diskutiert über seine staatliche Sportförderung.

132 Millionen Euro im Jahr gibt derzeit allein das Bundesinnenministerium (BMI) pro Jahr für den Spitzensport aus, dazu kommen Staatssportler bei der Bundeswehr, der Bundespolizei und beim Zoll. Der deutsche Sport leistet sich 19 Olympiastützpunkte an denen er seine besten Sportler zusammenzieht und 39 Eliteschulen des Sports für den vielversprechendsten Nachwuchs. Wer wo wie gefördert wird im Spitzensport, wird zum Großteil von oben nach unten diktiert: Vom Ministerium über den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) in die Verbände hinein – hierarchisch und zentral.

Die zentral gesteuerten und über die Jahre milliardenschweren Investitionen in den Sport begründen Ministerium und DOSB immer wieder mit dem guten Bild, das deutsche Medaillen im Ausland angeblich vermitteln sollen. Auch deshalb ist die Sportförderung auf Medaillen ausgerichtet: Sportarten werden nach ihrem glänzenden Erfolg bewertet und danach, wie groß ihr Potential ist, in Zukunft noch mehr Medaillen mit nach Hause zu bringen. BMI und DOSB wollen für das Geld Medaillen sehen. Wie viele Medaillen jeder Verband holen soll, wird in sogenannten Zielvereinbarungen vier Jahre vor Beginn der Spiele festgelegt. Doch die Zahlen bleiben geheim, Einzelheiten verheimlicht das Ministerium mit allen Mitteln.

Das Berliner Verwaltungsgericht hatte nach einer Klage der WAZ-Mediengruppe vergangene Woche Dienstag beschlossen, dass die Medaillenziele öffentlich werden müssen – und zwar noch während der Olympischen Spiele. Das Ministerium veröffentlichte jedoch nicht, sondern nahm sich die bekannte Promi-Kanzlei Redeker Sellner Dahs, die auch Ex-Bundespräsident Christian Wulff vertrat, und legte gegen diesen Beschluss acht Tage später, am Mittwoch, Beschwerde ein. Das Verfahren wird nun am Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg entschieden. Parallel hatte die WAZ-Mediengruppe jedoch einen Antrag auf Anordnung einer Zwangsabgabe gestellt. Dem stimmte das Verwaltungsgericht am gestrigen Donnerstag zu. Sollte das Innenministerium bis zum heutigen Freitag um 15 Uhr die Medaillenziele nicht mitteilen, muss es 10000 Euro Strafe zahlen. Allerdings kann das Ministerium auch gegen diesen Beschluss noch einmal Beschwerde einlegen.

Das Innenministerium handelt gewohnt intransparent. Der Öffentlichkeit verweigert es seit Jahren Einblick in konkrete Zahlen – genauso übrigens wie dem Sportausschuss des Bundestages. Die längst entbrannte Diskussion über die Förderung von Spitzensport kann das Ministerium aber nicht mehr verhindern. Ist es sinnvoll, Sportförderung an Medaillen zu koppeln? Brauchen wir ein neues Fördersystem? Welche Rolle spielt der DOSB als Mittler zwischen Verbänden und dem Ministerium?

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Der Generalsekretär des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, Frank Hensel, kritisierte heute in der Süddeutschen Zeitung die Medaillenvorgaben des DOSB als unrealistisch und realitätsfern. Grundsätzlich müsse überlegt werden, „ob man die Verteilung nicht vollkommen neu organisieren sollte“, sagte Hensel. Er schlägt vor, dem DOSB Macht zu entziehen. „Aus meiner Sicht wäre die Möglichkeit einer direkten Kommunikation zwischen dem BMI und den Spitzenverbänden wünschenswert, damit das nicht immer nur durch so einen Nürnberger Trichter wie den DOSB läuft.“

Auch DOSB-Präsident Thomas Bach hatte vor den olympischen Spielen angekündigt, die deutsche Sportförderung müsse generell effizienter werden. Bach fragte sich, wo man „Reibungsverluste verhindern und zielgerichteter arbeiten“ kann. Eine Entmachtung seines Dachverbandes dürfte er dabei kaum im Sinn gehabt haben.