London. Wenn Sebastian Brendel von ihr spricht, wird der Modellathlet ganz weich. Hanna heißt sie. Ihr widmet er das Gold und entschuldigt sich im gleichen Atemzug dafür, dass er sie in den vergangenen Monaten so oft vernachlässigt hat. Hanna ist zwei Jahre alt und seine Tochter.

Als Sebastian Brendel von der Siegerehrung kommt, gratuliert Hans-Peter Wagner dem Potsdamer und ruft ihm dann zu: „So, Basti, jetzt geht der Rummel los.“ Während viele Fußballer Interviews als lästiges Übel empfinden, hätte der Pressesprecher des Deutschen Kanu-Verbandes dem Olympiasieger im Einer-Canadier gar nichts Schöneres sagen können. „Das ist doch prima!“, erwidert Brendel.

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Entspannt setzt sich der neue Olympiasieger im Einer-Canadier auf einen Stuhl. Kanuten stehen nur alle vier Jahre im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Da freut man sich, dass man endlich gefragt ist und befragt wird. Natürlich hängen nicht Hunderte Reporter aus der ganzen Welt an seinen Lippen, wie es bei den Superstars der Sommerspiele, Usain Bolt oder Michael Phelps, gewesen ist. Aber immerhin gut zwei Dutzend Journalisten wollen die Geschichte des Sebastian Brendel hören. Die massive Medaille um den Hals, den Blumenstrauß von der Siegerehrung noch in der Hand, gibt der Potsdamer ein zärtliches Liebesbekenntnis an die Dame seines Herzens ab. Wenn er von ihr spricht, wird der Modellathlet ganz weich. Hanna heißt sie. Ihr widmet er das Gold und entschuldigt sich im gleichen Atemzug dafür, dass er sie in den vergangenen Monaten so oft vernachlässigt hat. Hanna ist zwei Jahre alt und seine Tochter.

Frau Romy schickt Video nach London

Am frühen Morgen des bisher größten Tages im Leben des Sebastian Brendel hat ihm seine Frau Romy ein Video über das weltweite Netz von Magdeburg nach London geschickt. „Mein Papa, viel Glück“, lautete die kurze Botschaft der kleinen Hanna. Vier Worte mit großer Wirkung. „Auf den letzten 250 Metern muss man den inneren Schweinehund überwinden. Alles brennt, der ganze Körper schmerzt“, sagt Brendel, „dann musst du an etwas Schönes denken, um diese Qualen zu vergessen. Da ist mir meine Tochter Hanna eingefallen, das hat mir Kraft gegeben.“

Romy und Hanna haben ihren Mann und Papa in den vergangenen Monaten nur selten gesehen. Ein Trainingslager reihte sich an das andere. Wer Olympiasieger werden will, der muss sich schinden, der muss tiefe Einschnitte in seinem Privatleben aushalten. Das ist nicht immer einfach, doch Sebastian Brendel weiß, dass es nicht anders geht.

Allein im vergangenen Jahr hat er 4000 Kilometer auf dem Wasser abgespult. 20 bis 25 Stunden hat er Woche für Woche trainiert. Hinzu kommen noch die vielen Stunden, in denen er sich von Physiotherapeuten pflegen lässt, damit der Körper eine solche Belastung überhaupt durchstehen kann. Es ist eine brutale Plackerei. Vom Start bis ins Ziel muss Brendel im Wettkampf auf den 1000 Metern etwa 260-mal das Stechpaddel ins Wasser treiben. Etwa 50 Kilogramm bewegt er mit jeder Schaufel, das ergibt insgesamt rund 13 Tonnen. So viel schafft in so kurzer Zeit nicht einmal ein Bagger.

Brendel bekam eine Maßanfertigung

Vor einem Jahr ist ihm bei der Schaufelei ein Missgeschick passiert. Ausgerechnet beim Saisonhöhepunkt, bei der Weltmeisterschaft im ungarischen Szeged hat er beim Start das Stechpaddel mit einer solchen Wucht ins Wasser gejagt, dass er nur noch ein Stück in der Hand hielt. So kurz wie ein Kochlöffel. Statt um den WM-Titel zu kämpfen, sah er die Rivalen in Richtung Ziel entschwinden.

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Aus Schaden wird man klug. Auch ein Canadier. Brendel setzte sich mit dem Hersteller in Verbindung und bekam eine neue Maßanfertigung. Garantiert bruchsicher. „Ich habe das Paddel hier zu keiner Minute aus den Augen gelassen“, sagt er, „um auszuschließen, dass es umfällt oder einer drauftritt. Das Paddel hat super gehalten, alles prima. Ich war letztes Jahr der Pechvogel, aber das ist mir jetzt alles egal.“

Am Freitag und Samstag hat er auf dem Eton Dorney Lake noch weitere olympische Einsätze. Im 200-Meter-Sprint. „Das ist nicht meine Spezialität“, warnt Sebastian Brendel vor zu großen Erwartungen, „mit einer Medaille ist nicht zu rechnen.“ Aber danach geht es endlich nach Hause. Zu seinen beiden Frauen. Für Hanna hat er ein Spielzeug dabei. Es ist aus Gold.