London. Britta Steffen schied bei den Olympischen Spielen im Halbfinale über 100 Meter Freistil aus. „Es wird jetzt keinen Weltuntergang geben und der Weltfrieden wird durch mein Abschneiden nicht gefährdet“, sagte die 28-Jährige. Eine sachliche Analyse hätte der Sportlerin des Jahres 2008 schon gut zu Gesicht gestanden.

Britta Steffen griff in die ganz große Wortkiste, um ihr Ausscheiden im Halbfinale über 100 Meter Freistil zu erklären. „Es wird jetzt keinen Weltuntergang geben und der Weltfrieden wird durch mein Abschneiden nicht gefährdet“, sagte die 28-Jährige, kniff die Lippen zusammen und verschwand in den Katakomben des Aquatics Centre.

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Es war ein bizarrer Auftritt der Berlinerin. Natürlich wird der schwache Auftritt von Britta Steffen den Kosmos nicht verändern. Und das ist auch mehr als gut so. Aber eine sachliche Analyse hätte der Sportlerin des Jahres 2008 schon gut zu Gesicht gestanden. Immerhin hatte die Doppel-Olympiasiegerin von Peking im Halbfinale als Zwölfte in 54,18 Sekunden ganz klar das Finale der besten acht Schwimmerinnen der Welt verpasst. Natürlich darf man sie nicht an ihrer Weltrekordzeit von 52,07 Sekunden messen, weil sie diese Leistung bei ihrem WM-Gold 2009 in Rom im längst verbotenen High-Tech-Anzug aufgestellt hatte. Doch im Mai dieses Jahres hatte sie bei den Deutschen Meisterschaften in 53,65 Sekunden angeschlagen. Aus dem vollen Training heraus, wie sie damals stolz erzählte. Mit dieser Zeit wäre sie am Mittwoch immerhin als Fünfte in den Endlauf eingezogen.

Britta Steffen „zufrieden mit dem Rennen“

Wie kann man sich zum Saisonhöhepunkt verschlechtern? Hat sie mit ihrem Trainer Norbert Warnatzsch falsch geplant? Solche Fragen mochte Britta Steffen nicht hören. „Ich will jetzt nichts aus der Hüfte schießen und irgendetwas brabbeln“, antwortete sie. Eine intensive Analyse ist natürlich dringend erforderlich, aber bis zu ihrem nächsten Start am Freitag über 50 Meter Freistil wird sie kaum die entscheidenden Schlüsse ziehen und anwenden können.

Eigentlich war auch alles nicht so schlimm. Diesen Glauben wollte sie den staunenden Reportern jedenfalls vermitteln. „Ich bin zufrieden mit dem Rennen“, sagte sie, „ich habe es mir genauso eingeteilt, wie ich es wollte. Ich habe alles gegeben und gekämpft wie eine Wildsau.“

Nach ihrem Vorlauf in 54,42 Sekunden hatte Steffen noch andere Töne angeschlagen. Nachdem sie als 14. nur knapp ins Halbfinale gekommen war, schien sie gespürt zu haben, dass sie für eine Schwimmerin nicht mehr die Jüngste ist. „Ich werde auch nicht jünger, ich bin fast 29“, sagte sie, „ich weiß nicht, wann es zuletzt eine so alte Olympiasiegerin gab über 100 m Kraul, das muss ewig her sein. Vielleicht ist für mich über 100 Meter die Zeit vorbei.“

Verpatzter Auftritt bei WM in Shanghai

Schon vor einem Jahr kamen Steffen erste Zweifel, ob sie noch zur Weltspitze zähle. Nach einem ebenfalls verpatzten Auftritt bei der WM in Shanghai reiste sie vorzeitig Hals über Kopf aus China nach Hause. Im Mai schien es so, als ob sie noch einmal angreifen könnte, als ob sie noch einmal um die Medaillen mitschwimmen könne. Doch es klappte erneut nicht. Nach dem Vorlauf sagte sie: „Die Jugend kommt nach, das kann man nicht aufhalten. Vielleicht muss ich im Halbfinale anerkennen, dass ich nicht mehr zur Weltspitze gehöre. Ins Finale zu kommen, wäre schon ein Riesenerfolg.“ Aber dieser Wunsch war ihr nicht vergönnt.

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Es bleibt jetzt abzuwarten, wie die Analyse der entthronten Olympiasiegerin über 100 Meter Freistil ausfallen wird. Eigentlich wollte sie auf jeden Fall bis zu den Europameisterschaften 2014 weiter machen. Die Titelkämpfe finden nämlich in ihrer Heimatstadt Berlin statt. Und selbst eine Teilnahme an den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro hatte sie schon ins Auge gefasst. Sicherlich spielte bei diesen Ideen auch ihr Lebenspartner Paul Biedermann eine Rolle. Der 25-jährige, der in London ebenfalls hinter seinen Zielen geblieben ist, will auf jeden Fall bei Olympia 2016 seine erste Medaille gewinnen, wie er jetzt in London bekräftigte: „Durch unseren vierten Platz in der Staffel sind wir noch mehr motiviert und noch bissiger Für diese Staffel würde es sich lohnen weiter zu machen, auf jeden Fall.“ Ob er dann wirklich auch mit seiner Freundin nach Brasilien fahren wird, ist nach dem schwarzen Mittwoch der Britta Steffen äußerst fraglich.