London. Alexander Winokurow ist ein Olympiasieger, den sich bis auf die Kasachen niemand gewünscht hat. Ausgerechnet Winokurow, hieß es bei vielen Zuschauern, Fahrern und Reportern, als der verurteilte Dopingsünder Gold im Straßenradrennen holte.

War es eine Freudsche Fehlleistung? War es ein Übersetzungsfehler? Oder war es einfach nur ein Versprecher? Als eine der unzähligen, stets hilfsbereiten freiwilligen Helferinnen bei der Pressekonferenz die Journalisten um Entschuldigung bat, weil sich der Olympiasieger im Straßenrennen der Radprofis ein bisschen verspäten würde, tat sie es so: „Der Goldmedaillengewinner ist noch beim Doping.“ Nein, so dumm ist selbst der verurteilte Dopingsünder Alexander Winokurow nicht. Gemeint war natürlich, dass der Kasache mit der für alle Olympiasieger obligatorischen Dopingkontrolle beschäftigt sei.

Alexander Winokurow ist ein Olympiasieger, den sich bis auf die Kasachen niemand gewünscht hat. Ausgerechnet Winokurow, hieß es bei vielen Zuschauern, Fahrern und Reportern. Die einen sagten es offen wie der deutsche Sprint-Spezialist Andre Greipel: „Jeder hat eine zweite Chance verdient, aber ich hätte mir einen anderen Sieger gewünscht.“ Andere flüsterten es nur hinter vorgehaltener Hand. Winokurow, der fast 39-jährige Kasache, ist ein ums andere Mal mit Doping in Verbindung gebracht worden. Wino gehörte zum T-Mobile-Team, als Jan Ullrich umjubelt wurde, ehe das deutsche Sportmärchen zum Grusel-Schocker wurde, weil sich herausstellte, dass den Erfolgen mit pharmazeutischen Mitteln nachgeholfen wurde.

Winokurow wegen Fremdblutdopings erwischt

2007 wurde Winokurow dann wegen Fremdblutdopings erwischt und für zwei Jahre gesperrt. Aber der für seine mutigen Ausreißversuche bekannte Silbermedaillengewinner von Sydney 2000 machte nicht nur durch medikamentöse Betrügereien von sich reden. Er wird verdächtigt, einige seiner Siege mit viel Geld erkauft zu haben. Für seinen Triumph beim Frühjahrsklassiker Lüttich-Bastogne-Lüttich 2010 soll er 100000 Euro an Alexander Kolobnew gezahlt haben. Der Russe soll ihm dann beim Sprint der beiden Ausreißer den Vortritt gelassen haben. Der Weltverband UCI kündigte Ermittlungen an, passiert ist bis jetzt nichts. Ein nicht untypisches Beispiel, wie wenig der Weltverband zur Glaubwürdigkeit seines Sports beiträgt.

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Als Winokurow am Samstag endlich seine Dopingkontrolle hinter sich gebracht hatte, musste er natürlich auch zu Fragen Stellung nehmen, die er so gern hat wie eine Zahnwurzelbehandlung. „Das Kapitel 2007 ist geschlossen. Der Radsport hat sich verändert, es wird im Kampf gegen Doping viel unternommen“; sagte Winokurow, „es ist nun wirklich nicht die Zeit für solche Fragen.“

Der große Spielverderber

Winokurow war der große Spielverderber bei einem Rennen, das zum Höhepunkt der Olympischen Spiele werden sollte. So wie Danny Boyle die grandiose Eröffnungsfeier von der ersten bis zur letzten Minute durchinszeniert hatte, so sollte es wenige Stunden später auch zwischen Trafalgar Square und Buckingham Palace laufen. Das superstarke britische Team um Tour-de-France-Sieger Bradley Wiggins sollte Ausreißer möglichst nicht entkommen lassen oder zumindest früh genug wieder einfangen, ehe auf der Mall, auf Londons Prachtstraße, Mark Cavendish, der stärkste Sprinter der Welt, das erste Gold für Großbritannien einfahren würde. Knapp vor Andre Greipel, dem stärksten deutschen Radprofi, der wie Cavendish bei der Tour 2012 drei Etappensiege feierte. Aber es sollte völlig anders kommen. Die Briten und die Deutsche verschätzten sich im Katz-und-Maus-Spiel. Die Ausreißer kamen durch. Winokurow gewann vor den unbekannten Rigoberto Uran aus Kolumbien und dem Norweger Alexander Kristoff.

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„Die Stimmung war gigantisch“

Es hätte ein schöner Tag für den Radsport werden können. Über eine Million Zuschauer standen an der Strecke und sorgten so für einen neuen Rekord bei Olympsichen Spielen. „Die Stimmung war gigantisch“, sagte Andre Greipel, der den Sprint des Hauptfeldes gewann und als bester Deutscher mit einem Rückstand von 40 Sekunden auf dem 27. Rang landete, „mit diesen Massen kann selbst die Tour nicht mithalten. Es gab nicht einen einzigen Punkt an der Strecke, an dem man in Ruhe pinkeln konnte.“

Und so musste auch der Olympiasieger Winokurow bis zur Dopingprobe warten. Erleichtert war danach aber nur er selbst. Der Radsport kann es mit dem Triumph eines mit dem Doper-Etikett versehenen Olympiasiegers nicht sein. Und es ist auch nur ein schwacher Trost, dass der Kasache seinen Rücktritt für Mittwoch ankündigte. Nach dem olympischen Zeitfahren.