London. Wie immer zählt das Basketball-Team der USA zu den ganz großen Favoriten auf den Olympiasieg. In London gehen sie mit den Besten der Besten an den Start und haben nur ein Ziel: Gold holen. Alles Andere wäre für die Nachfolger des legendären Dream Teams eine herbe Enttäuschung.

LeBron James hat einen Waschbrettbauch. Das weiß man von den Werbefotos des teuersten Basketballspielers der Welt. Doch jetzt runzelt er die Stirn, und jeder sieht: Der Star des NBA-Meisters Miami Heat hat auch eine Waschbrettstirn, wenn er sich unwohl fühlt. Er lugt unter den Sorgenfalten skeptisch auf das Gerangel der Kamerateams vor ihm. Der erste Auftritt der US-Basketballer bei Olympia in London läuft gerade aus dem Ruder.

Die Medien-Profis der US-Mannschaft hatten extra den größten Saal für die Vorstellung der Star-Truppe um LeBron James, Kobe Bryant, Kevin Durant und Carmelo Anthony reserviert. Und dann der Fehler: Die Millionen-Männer bleiben nicht auf dem Podium sitzen, sondern verteilen sich für Interviews im Raum. Die Aufforderung des Presse-Chefs an 500 Journalisten fliegt ins Leere: „Bleiben Sie ruhig, drängeln Sie nicht.“

Die Gegner des Dream Teams

Die USA treffen in der Vorrunde auf Frankreich, Tunesien, Nigeria, Argentinien und Litauen. Die ersten Vier kommen ins Viertelfinale. Das erste Spiel der USA in London ist am Sonntag gegen Frankreich.

Die deutschen Basketballer um Dirk Nowitzki haben sich nicht für London qualifiziert.

Kobe Bryant von den Los Angeles Lakers hat gerade den ersten Schritt in Richtung Rand der Bühne gemacht, als der Ansturm beginnt. Die ersten Ellbogen werden trotz der Bitte um Besonnenheit ausgefahren. Verbotene Hiebe.

Die Nachfolger des wahren Dream Teams

Von Kobe Bryant, LeBron James und Kevin Durant ist im Gewühl kein Wort zu verstehen. Um Kevin Love kümmert sich dagegen kaum jemand. Der einzige Weiße im Dream Team spielt im richtigen Basketball-Leben bei den Minnesota Timberwolves. „Ich bin nicht der Mann für die 20 Punkte im Spiel“, sagt er. „Ich bin der, der die Bälle für die anderen erobert.“ Sein Vater hat schon in der nordamerikanischen Profiliga NBA für die Lakers gespielt. „Daher bin ich Fan der Lakers“, sagt Love. „Und jetzt spiele ich mit Kobe Bryant bei Olympia zusammen. Cool!“

Die Menge hat Love in der Ecke des Saals entdeckt, er ist schnell umzingelt. Die Mauer der Menschen verschluckt nun auch seine Sätze.

Die Spieler tragen schwarze Trainingsanzüge, sie sind die Nachfolger des wahren Dream Teams, das 1992 in Barcelona die Welt begeisterte. Damals spielten mit Michael „Air“ Jordan, Earvin „Magic“ Johnson und Larry Bird erstmals die Superstars bei Olympia. Viele glaubten es nicht, einer fragte Michael Jordan tatsächlich: „Sind Sie von diesem Planeten?“ Jordan antwortete: „Ja, ich wohne in Chicago.“

US-Basketballer sind mit den Besten der Besten in London 
Das Original: das Dream Team der USA von 1992 mit Earvin Magic Johnson (Mitte), Michael Jordan (li.) und Clyde Drexler. Foto: imago
Das Original: das Dream Team der USA von 1992 mit Earvin Magic Johnson (Mitte), Michael Jordan (li.) und Clyde Drexler. Foto: imago

Die Jahre vergingen, neue Dream Teams kamen, und 2004 tauchte schließlich das Alptraum-Team auf. Es gab in Athen zunächst eine Auftaktniederlage gegen Puerto Rico, am Ende nur Olympia-Bronze, eine Schmach, und Allen Iverson, den Star, ging alles nichts an. Er hing nur am Handy und regte sich über die Polizei von Philadelphia auf. Die hatte es gewagt, sein Auto, das er mitten vor der Abflughalle des Flughafens abgestellt hatte, nach drei Wochen abzuschleppen.

Außer Iverson gingen die US-Basketballer in sich, schüttelten sich, gewannen in Peking wieder Gold und sind in London mit den Besten der Besten aufgetaucht. Seit dem 5. Juli haben sie in Las Vegas trainiert. „Wir sind ein Team geworden“, versichert Love. Fünf Testspiele, fünf Siege. „Das zeigt unsere Einheit.“ Die Vereinigten Taten von Amerika.

Nur ein Center dabei

Und trotzdem wirken sie leichtsinnig, denn sie haben nur einen Center dabei. Tyson Chandler, der Riese, der die Abpraller unter den Körben wegfischen soll. Auf den Armen trägt er Tätowierungen, die aussehen, als sei ihm der Morgenkaffee ausgelaufen. Steht man neben ihm, wirkt er wie ein Gigant. Etwas größer, und er hätte wahrscheinlich drei Monde in der Umlaufbahn um seinen Kopf. Im Olympischen Spieler-Portrait über ihn ist seine Größe mit 2,16 Metern angegeben.

Die Fragen scheinen kaum bis zum ihm nach oben zu dringen. Jemand fragt: „Was halten Sie vom Basketball in Finnland?“ Es ist ein finnischer Reporter. Chandler schaut verständnislos. Finnland? Chandler ist ein freundlicher Riese: „Yeah man, Finnland“, brummt es von oben zurück. Den Rest versteht man unten leider nicht.

Der Auftrag: Gold holen

Dann ist die halbe Stunde des Dream Teams auch schon abgelaufen, und die zwölf Riesen in den schwarzen Trainingsanzügen verschwinden durch den Hinterausgang. Sie haben in London noch einen Auftrag zu erledigen: Gold!

Sollte das nicht gelingen, dürfte es in zwei Wochen das nächste Gedränge geben. Dann im Rathaus von London, denn dort werden in diesem Fall zwölf Riesen in schwarzen Trainingsanzügen, die sich nicht in die USA zurück trauen, ihr Aufenthalts-Visum verlängern wollen. Und sie alle werden tiefe Sorgenfalten auf der Stirn tragen.