Tokio. Mit Jacob Schopf (22) tritt eine neue Kanuten-Generation ins Rampenlicht der Olympischen Spiele. Sein Hunger nach Erfolg ist groß.

Bevor es losgeht, sieht man Jacob Schopf mit seiner kleinen Box. Es läuft Musik, er singt mit, tanzt dabei ein bisschen. Wettkämpfe geht der Kanute auf diese Art recht entspannt an, selbst die großen. Mit seinen 22 Jahren gelingt es ihm sogar, erfahrene Kollegen vor den Rennen aufzulockern, ihnen die Anspannung ein wenig zu nehmen.

Veränderte Technik half Jacob Schopf

In Tokio muss der gebürtige Berliner zunächst nur auf sich schauen, er tritt im Einer-Kajak über 1000 Meter an (Finale Dienstag). Das Rennen möchte er „sportlich perfekt für mich regeln, aber das Hauptboot ist selbstverständlich der Zweier“, sagt er. Darin geht er einen Tag später zusammen mit Max Hoff (Essen) als amtierender Weltmeister auf Vorlauf-Fahrt (Finale Donnerstag). Hoffen kann Schopf aber in beiden Disziplinen auf herausragende Resultate.

Trotz seines Alters ist er bereits ein außergewöhnlich starker Kanute. „Ich habe viel Kraft in der Kelle“, sagt Schopf. Deshalb sind viele Experten schon auf ihn aufmerksam geworden, als er noch im Juniorenalter war. Binnen kurzer Zeit etablierte er sich auch bei den Großen. Dort half ihm allerdings nicht nur seine physische Stärke. Auch eine veränderte Technik machte ihn unverzichtbar für das Olympiateam. Und er profitierte von Hoffs Erfahrung.

Jacob Schopf und Max Hoff im Generationen-Boot

Als Generationen-Boot werden die beiden im Zweier oft bezeichnet. Der Altersunterschied fällt auch tatsächlich auf, doch Hoff wirkt jünger. „Er ist schon eine coole Socke, im Kopf ist er keine 38“, sagt Schopf. Die Anzahl der Lebensjahre kumuliert sich jedoch in seinem Wissensschatz, der sehr umfangreich ist. Das nutzt Schopf auch für den Einer, der über zehn Jahre das Metier von Hoff war. „Mein Buch der Erfahrung“ nennt Schopf den Routinier, der dabei mitwirkt, die Einer-Rennen des jungen Kollegen auszuwerten. „Er ist Fachmann auf dem Gebiet“, erzählt der Lehramts-Student.

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Das hilft ihm, noch stärker zu werden. Dafür zog er im vergangenen Jahr auch von Berlin nach Potsdam, um dort das Trainingsumfeld zu optimieren. Dafür verlässt er sich seit einiger Zeit nicht mehr nur auf seine Armkraft, sondern paddelt ökonomischer, mehr aus dem gesamten Oberkörper heraus: „Ich bin sehr stolz, dass ich das in dem Maße schon verändern konnte.“ Zu verfeinern gibt es technisch aber immer etwas, die Handführung etwa.

Verschiebung der Olympischen Spiele war für Schopf schwer

Zu seiner Entwicklung gehört es aber ebenso, Rückschläge zu verkraften. Mit der Verschiebung der Spiele umzugehen, das fiel dem jungen Athleten schwer. „Es war etwas kompliziert“, sagt Schopf, der die Vorsaison früher abbrechen musste, aber dann sehr gut durch den Winter kam. Doch als es darum ging, die Olympia-Besatzungen festzumachen, schwächelte ausgerechnet Hoff. „Viele haben sich die Frage gestellt, ob das Boot so bestehen bleibt. Ich allerdings nicht, ich habe ihm zu jedem Zeitpunkt vertraut“, so der Kanute.

Seine Treue zahlte sich aus, die Situation forderte ihn aber auch. Sie mussten sich teamintern gegen ein anderes Boot durchsetzen beim Weltcup, gegen zwei Kumpel aus Juniorentagen. „Das war physisch und psychisch das schwerste Rennen, das ich je gefahren bin. Ich bin total an meine Leistungsgrenze gegangen und danach abgeklappt“, so Schopf. Sie gewannen, holten danach auch den EM-Titel. Schopf freute es zu sehen, dass Hoff, der Vierer-Olympiasieger von Rio, sich wieder selbst vertraut.

Mit der Ausdauer von Max Hoff in die Medaillenränge

Nach dem Weltcup-Sieg, der Tokio-Qualifikation mit Hoff, kamen Schopf die Tränen, Olympia war sein großes Ziel: „Ich wollte unbedingt, dass wir das zusammen schaffen.“ Es ist gewissermaßen der Dank für eine lehrreiche Zeit. Schopf bezeichnet es als sein Glück, mit Hoff im dritten Jahr in einem Boot zu sitzen. „Um das Wissen zu sammeln, das ich jetzt schon habe, dafür hätte ich noch Jahre gebraucht ohne Max. Er ist ein guter Ratgeber“, sagt der Berliner, der nun vor den Toren der Hauptstadt lebt.

Die Kombination seiner Kraft, seiner Spritzigkeit und der Ausdauer von Hoff lässt das Ziel einer Medaille mehr als realistisch erscheinen. „Max ist ein extremes Akku. Ich kenne niemanden, der so ausdauernd zügig fahren kann“, erzählt Schopf, der am Start und in den Zwischenspurts viel Druck macht, seinen Kollegen im Rennen antreibt. Und ihn eben vor dem Start mit seiner gelassenen Art dazu animiert, etwas relaxter zu sein.

Schopf kann sich auch allein im Einer behaupten

Bevor er das in Tokio tun muss, steht aber der Start im Einer auf dem Programm. Auch allein kann sich Schopf behaupten. Seine Physis, seine Technik und Hoffs Hinweise ließen ihn bereits ein Weltcuprennen gewinnen in dieser Saison. „Zwei Starts zu bekommen, ist eine überwältigende Sache“, sagt Schopf, der seine Olympiapremiere erlebt und im Land der aufgehenden Sonne gern „nach den Sternen greifen“ würde.