Tokio. Die Ruderer des Deutschland-Achters haben in Tokio nur ein Ziel: den Olympiasieg. Die letzten 50 Tage zwischen Vorbereitung und Finale.

Viermal Olympiasieger. Zwölfmal Weltmeister. Der Deutschlandachter ist das Paradeboot des Deutschen Ruder-Verbandes, er ist ein Stück deutscher Sportgeschichte. Am Freitag (3.25 Uhr deutscher Zeit) haben Johannes Weißenfeld (Herdecke), Laurits Follert (Duisburg), Olaf Roggensack (Berlin), Toben Johannesen (Hamburg), Jakob Schneider (Essen), Malte Jakschik (Castrop-Rauxel), Richard Schmidt (Trier), Hannes Ocik (Schwerin) und Steuermann Martin Sauer (Berlin) nur ein Ziel: Olympiasieger zu werden. Sie haben hart gearbeitet, sie haben viel geopfert. Die letzten 50 Tage der Mission Gold sind hier in einem Tagebuch aufgezeichnet. Der finale Eintrag soll am Freitag gemacht werden – am liebsten mit einem goldenen Stift.

Donnerstag, 10. Juni: Noch 50 Tage bis zum Gold-Rennen in Tokio, seit Wochenbeginn ist der Deutschlandachter vorübergehend Österreichachter. 17 knochenharte Trainingstage in Kärnten stehen an: täglich mindestens eine Einheit auf dem Völkermarkter Stausee östlich von Klagenfurt, dazu Krafteinheiten, Rennradausfahrten, Gymnastik. Sie sind ja nicht zum Spaß hier.

Dienstag, 15. Juni: Bergfest in Kärnten. „Wir feuern aus allen Rohren und gehen hier ans Limit“, sagt Jakob Schneider. Bundestrainer Uwe Bender zeigt sich aber auch gnädig: Jeder dritte Nachmittag ist frei. „Ohne die Pausen würden es nicht gehen“, sagt Schneider. Bei der Abreise ist Bender zufrieden: „Wir konnten uns noch einmal weiterentwickeln.“

Donnerstag, 24. Juni: Fünf Tage frei, den Kopf freikriegen. „Ich verbringe die Zeit mit der Familie, die ich jetzt einen Monat nicht sehen werde“, sagt Malte Jakschik. Ein Rede- und Denkverbot bezüglich der kommenden Wochen will er sich nicht auferlegen, aber: „Ich lasse die Rennen mal aus meinem Kopf. Wenn wir in den Flieger einsteigen, kommen die eh schnell wieder zurück.“

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Mittwoch, 30. Juni: Abreisetag. Der Deutschlandachter bricht nach der Einkleidung für die Spiele nach Japan auf. Erstes Ziel: Kinosaki, eine Hafenstadt 600 Kilometer westlich von Tokio. „Ich habe fünfmal alles gecheckt, ob wirklich alles verladen ist“, sagt Markus Schmitz, DRV-Bootsmeister am Leistungszentrum Dortmund. Zwischen Werkzeug und Ersatzteilen befinden sich Kühlwesten und der 7,50 Meter lange Mast mit Deutschland-Fahne. Für die gesamte deutsche Ruderflotte gilt: Sicherheit geht vor. Zehn Boote wurden verschifft, zehn Boote wurden in den Transportflieger verladen. Und alles kommt heil an.

Freitag, 9. Juli: Der Empfang in Kinosaki war herzlich. „Die Menschen standen hier mit Deutschland-Fahnen an den Straßen. Sie versuchen, wirklich alles für uns möglich zu machen“, sagt Weltmeister Torben Johannesen. Zur Sicherheit gehen die Ruder-Asse aber in den ersten 14 Japan-Tagen in Hotel-Isolation, nur zum Training geht’s raus. Die liebste Freizeitbeschäftigung? Brettspiele. „Die ersten Tage waren schon eine große Umstellung“, sagt Jakschik. „Die Zeitverschiebung und das Klima haben das Training nicht leichter gemacht.“ Einige Teammitglieder finden wegen des Jetlags nur schwierig in den Schlaf.

Samstag, 17. Juli: Nur noch neun Tage bis zum ersten Rennen. Mit dem Bus geht es elf Stunden nach Tokio. Das lässt sich aber aushalten: Die Ruderer schnuppern zum Abschied aus Kinosaki in die japanische Kultur und probieren einen traditionellen Kimono an. Bei Steuermann Martin Sauer (1,69 Meter) und Johannes Weißenfeld (2,00 Meter) macht sich der Größenunterschied schon bemerkbar.

Samstag, 24. Juli: Die Zimmer im Olympischen Dorf sind bezogen, wie erwartet sind die Hygieneregeln wegen der Corona-Pandemie streng. Der Vorlauf wird um einen Tag vorgezogen, weil sich vor der Küste ein Taifun zusammenbraut. Am Tag nach der Eröffnungsfeier meistert der Achter auf dem Sea Forest Waterway seine erste olympische Aufgabe mit dem direkten Einzug in den Endlauf. Schlagmann Hannes Ocik: „Wir sind gefühlt ein gutes Rennen gefahren. Ich sehe uns fürs Finale gut aufstellt.“

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Sonntag, 25. Juli: Erleichterung nach dem Vorlauf beim Deutschlandachter. Für Johannes Weißenfeld war er ein besonderes Erlebnis, 2016 in Rio war der Bugmann noch Ersatzmann. „Ich habe vorher viel darüber nachgedacht, dass es der bisher wichtigste Wettkampf in meinem Leben sein wird“, sagt er. „Aber ich war tatsächlich weniger aufgeregt als vor anderen Wettkämpfen. Solche Rennen werden nicht nur durch Kraft und Technik entschieden, sondern auch im Kopf.“

Mittwoch, 28. Juli: Großbritannien muss überraschend nachsitzen. „Wir sind froh, dass wir uns jetzt auf das Finale vorbereiten und uns den Hoffnungslauf gelassen anschauen können“, sagt Richard Schmidt, 2012 Olympiasieger in London. Der große Rivale zieht noch ins Finale ein. Schmidt warnt: „Abschreiben würde ich die Briten nicht.“

Donnerstag, 29. Juli: Letzte Vorbereitungen auf das Gold-Rennen gegen die Niederlande, die Briten, Neuseeland, die USA und Australien. Bootsmeister Markus Schmitz wird morgen noch mal überprüfen, dass auch jede Schraube festsitzt, „abschließend erfolgt noch die finale Politur.“ Und dann kann es losgehen. „Mal sehen, ob wir einen Tag erwischen, an dem wir einen wegknallen können“, sagt Schmidt. Ab jetzt geht es nur noch um: Gold.