Essen. IOC-Direktor Dubi begrüßt die Entscheidung von Michael Mronz und Armin Laschet, eine Bewerbung voranzutreiben. Rhein-Ruhr streitet mit dem DOSB.
Wenn keine große Überraschung mehr passiert, werden die Olympischen Sommerspiele 2032 in Brisbane ausgetragen. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat am Mittwoch die 2,5-Millionen-Einwohner-Stadt an der Goldküste von Australien zum bevorzugten Gesprächspartner erhoben. Die Chancen anderer möglicher Bewerber wie Rhein-Ruhr-City 2032 sind auf ein Minimum gesunken. Trotzdem erklärten Sportmanager Michael Mronz, der der Initiative vorsteht, und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am Freitag, ihre Bemühungen, um Olympia an Rhein und Ruhr zu holen, fortzusetzen.
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Unterstützung erhalten sie dabei vom IOC. „Ich halte es für sehr sinnvoll, mit Herrn Mronz und seinem Team weiter im Dialog zu bleiben“, sagt Christoph Dubi, der für die Olympischen Spiele zuständige IOC-Direktor. „Ich bin mir sicher, dass wir ein gemeinsames Langzeitziel haben können. Das sollten wir im Auge behalten.“
IOC-Direktor: Mronz und Rhein-Ruhr-City sollen ihre Arbeit fortsetzen
Herr Dubi, Sie sind als IOC-Direktor für die Olympischen Spiele mit der Entwicklung der Olympischen Spiele vertraut. Wie fortschrittlich sind die Spiele?
Christophe Dubi: Wir sind an einem sehr spannenden Zeitpunkt angekommen. Das Reformprogramm der Olympischen Agenda 2020 hat den Olympischen Spielen einen unglaublichen Schub gegeben. Die Gespräche mit Interessenten für zukünftige Spiele zeigen: Sie sehen die Spiele als Teil der Lösung, da sie sehr viel Kraft freisetzen.
Die Lösung wovon?
Christophe Dubi: Vorrangig nachhaltiger Entwicklung von Städten und Regionen. Seit der Olympischen Agenda 2020 passen sich die Spiele dem Gastgeber, der Gastgeber-Region an, nicht andersherum. Durch ihre Kraft, ihre Bedeutung, ihren Wert und ihre Symbolik können die Spiele die dynamische Entwicklung einer Region, sei es ökologisch oder ökonomisch, nachhaltig befeuern. Unsere Gesprächspartner haben verstanden, dass Olympische Spiele eine große Chance für sie sind – das Ergebnis ist ein immer größeres Interesse an den Spielen. Und ich spreche da jetzt im Plural, denn wir haben die Spiele, die Winterspiele und auch die Olympischen Jugendspiele.
Die Sommerspiele 2032 sind die ersten, die voraussichtlich an eine Region gehen. Ist das nur der Anfang eines Umdenkens?
Christophe Dubi: Seit dem Jahr 2014, als die Olympische Agenda 2020 verabschiedet worden ist, bis heute hat sich viel getan. Wir arbeiten an zwei Dingen. Einmal an den Spielen als Event, dessen Sportprogramm sich sommers wie winters weiterentwickelt hat und die Menschen fasziniert. Das andere ist die Organisation, die man manchmal vielleicht gar nicht so sieht. Wir helfen den Gastgebern, flexibler sein zu können, ihren eigenen Touch in die Planungen einzubringen. Alles in allem sehe ich uns auf einem sehr guten Weg.
Dubi: IOC und Rhein-Ruhr können noch zusammenkommen
Welche Vorteile, welche Nachteile hat es für Regionen, sich mit Metropolen bei der Bewerbung um die Spiele zu messen?
Christophe Dubi: Ehrlich gesagt sehe ich nur Vorteile. Als Region ist es doch einfacher, sich an die Olympische Agenda 2020 zu halten, die da sagt: Nutze das, was du hast; nutze das, was das Beste in deiner Region ist; nutze die vorhandene Infrastruktur und Kompetenz in allen Bereichen. Schauen Sie, selbst Olympia in Megacitys ist doch über einen größeren Raum verteilt. In Los Angeles ist nicht alles nur aufs Stadtgebiet verteilt. Warum? Weil es Sinn macht.
Stimmt schon, aber letztlich ist es auch eine Zersplittung, bei der man sich als Zuschauer für einen Standort am Tag entscheiden muss.
Christophe Dubi: Nehmen wir Mailand und Cortina d’Ampezzo, die Ausrichter der Olympischen Winterspiele 2026: dort sind die Spiele sogar über zwei Regionen verteilt. Ist da eine Distanz zwischen den verschiedenen Standorten? Ja, vielleicht sogar eine größere. Kann man sich jede Sportart an einem Tag anschauen? Nein, das kann man nicht. Aber zur gleichen Zeit wird das Beste genutzt, was ganz Norditalien zu bieten hat, wo Jahr für Jahr Top-Sportevents stattfinden. Was wir für die Zukunft benötigen sind Spiele, die für die Gastgeber sinnvoll und nützlich sind. Wir wollen Spiele, die mit ihrer ganzen Kraft der Entwicklung von Regionen helfen können.
Wegen möglicher Olympia-Bewerbung: Streit zwischen Rhein-Ruhr-City und DOSB
Dieser Ansatz wurde auch von der Initiative Rhein-Ruhr-City 2032 verfolgt. Nun sind wir in der Situation, dass Brisbane der bevorzugte Verhandlungspartner des IOC ist. Was hat die Australier so stark gemacht?
Christophe Dubi: Aus der Perspektive einer Sportorganisation: Wenn ein Gesprächspartner eine beeindrucke, unheimlich detaillierte Studie zur Durchführung vorlegt, der Rückhalt im Sport, in der Politik und in der Bevölkerung da ist, muss man erkennen, dass sich dort eine Riesenchance eröffnet und weitere Dialoge sinnvoll sind. Natürlich versuchen wir nun, die Sache nach Hause zu bringen, aber dies ist auch kein Selbstläufer. Wir werden mit Brisbane intensiv daran arbeiten, alle notwendigen Fragen zu beantworten, um die Partnerschaft eingehen zu können. Gelingt uns das nicht, wird Brisbane in den sogenannten „kontinuierlichen Dialog“ mit dem IOC zurückkehren, in dem auch die anderen Interessenten verbleiben. Die Gespräche werden fortgesetzt, egal, was passiert. Dies beinhaltet auch die Rhein-Ruhr-Region, auch wenn der DOSB bislang nicht in den „kontinuierlichen Dialog“ eingetreten ist.
Macht das dann aus Rhein-Ruhr-Sicht überhaupt noch Sinn?
Christophe Dubi: Ja, denn wir würden gern mit der Initiative um Michael Mronz weiter diskutieren. Wir können unsere Expertise in seine sehr beeindruckenden und durchdachten Planungen einbringen. Dieses Projekt ist – und ich kenne es von Beginn an – ein sehr starkes.
Statt Rhein-Ruhr: Brisbane wird wohl Olympia-Ausrichter für 2032
Die Wahrnehmung ist in Deutschland aber: Das Rennen ist vorbei.
Christophe Dubi: Das ist es nicht, genau aus dem gerade geschilderten Grund. Wir müssen zudem stets auch die langfristige Perspektive im Blick haben. Wenn man einen Plan für die nachhaltige Entwicklung einer Region hat und dazu ein vielfältiges und kraftvolles Sportangebot benötigt, wenn man den Rückhalt der Wirtschaft und der Politik spürt, sage ich doch: Wir arbeiten perspektivisch weiter zusammen. Ich halte es für sehr sinnvoll, mit Herrn Mronz und seinem Team weiter im Dialog zu bleiben. Ich bin mir sicher, dass wir ein gemeinsames Langzeitziel haben können. Das sollten wir im Auge behalten.
Können nur Olympische Sommerspiele das Langzeitziel sein?
Christophe Dubi: Nein. Wir können auch auf andere Weise zusammenkommen. Wir stehen vor einer IOC-Session Mitte März. Präsident Thomas Bach hat uns alle ermutigt, über die Reformen der Olympischen Agenda 2020 hinaus zu denken. Deshalb ist die Olympische Agenda 2020+5 entwickelt worden. Da sind einige interessante Konzepte für potenzielle Interessenten enthalten. Und, wenn die Gespräche mit Brisbane 2032 nicht erfolgreich sind, ist auch die Gelegenheit von Olympischen Spielen 2032 noch da. Darüber hinaus gibt es die Olympischen Spiele 2036.
2036, 100 Jahre nach den von den Nazis für ihre Propaganda missbrauchten Spielen in Berlin, wäre aus sporthistorischer Sicht vielleicht auch kein so geeigneter Zeitpunkt für eine deutsche Bewerbung.
Christophe Dubi: Ich habe dazu eine klare Meinung: Der Wunsch nach einer deutschen Bewerbung für 2036 wird aus IOC-Sicht absolut begrüßt. Ich kann nur noch mal sagen: Wir haben hervorragend mit Michael Mronz und seinem Team zusammengearbeitet, das führen wir gerne fort. Wenn der Wille besteht, gehen wir partnerschaftlich in die Zukunft.
IOC-Direktor hält Deutschland bezüglich Olympia nicht für zu kritisch
Der Deutsche Olympische Sportbund und die Initiative hatten sich verwundert gezeigt, dass bereits zu diesem frühen Zeitpunkt eine Vorentscheidung getroffen wird. Hatten sie keine Kenntnis über den IOC-Fahrplan?
Christophe Dubi: Wir hatten allen Interessenten erklärt, wie der Dialog aussehen soll und was wir erreichen wollen. Dabei war auch klar: Ergibt sich die Möglichkeit, mit einem Projekt vom „kontinuierlichen Dialog“ in einen „zielgerichteten Dialog“ zu wechseln, informieren wir die IOC-Exekutive darüber. Für diesen Schritt haben wir vorher keinen möglichen Zeitpunkt genannt, um nicht in das alte Verfahren zurückzukehren, was nicht mehr zeitgemäß ist, da es viel zu teuer und zu unflexibel war. Im neuen Verfahren gibt es bis zum Beginn des „kontinuierlichen Dialogs“ keinen detaillierten Bewertungsprozess, sondern nur ein kontinuierlicher Austausch mit den Interessenten. Anfang des Jahres haben wir alle Interessenten kontaktiert und gefragt, ob sie im Februar ihr Projekt vor der Future Host Commission vorstellen wollen. Dadurch, dass der DOSB formal nicht in den „kontinuierlichen Dialog“ eingetreten ist, konnte Rhein-Ruhr schlichtweg seinen Status nicht präsentieren. Aber es gab Kontakte und einen inhaltlichen Austausch.
Die Gespräche waren nicht möglich, weil es die in Deutschland notwendige Bürgerbefragung noch nicht gegeben hat. Sind hierzulande die Zweifel an den Olympischen Spielen einfach zu groß?
Christophe Dubi: Nein, das denke ich nicht. Für ein Projekt wie das an Rhein und Ruhr, das die Beteiligung der gesamten Bevölkerung erfordert, ist es normal, dass es Debatten gibt. Debatten sind nicht gleich Zweifel. Diskussionen um ein Projekt dieser Größenordnung sind normal. Wenn Referenden dann dazu führen, dass Pläne nicht zu einer Bewerbung führen, wird das von uns selbstverständlich akzeptiert. Es gehört zu einer Demokratie dazu, die Meinung der Menschen zu hören. Wie eine Region letztlich die Meinung der Bevölkerung einholt, ob per Referendum, Umfragen oder auf anderem Weg, ist jedem Interessenten selbst überlassen.