Pyeongchang. Das deutsche Eishockey-Team bezwang Norwegen mit 2:1 nach Penaltyschießen. Am Dienstag geht es gegen die Schweiz um den Viertelfinal-Einzug.

Als sich endlich kein Verteidiger mehr in den Weg stellte, lief alles fast von allein. Patrick Hager bewegte sich zum Tor: drin. Matthias Plachta marschierte los: drin. Dominik Kahun trat an: drin. Drei Penaltys in Folge zu verwandeln, ist im Eishockey schon mehr als eine kleine Besonderheit. „Das habe ich noch nie gesehen“, sagte Kollege Gerrit Fauser und freute sich, dass die deutsche Auswahl in Pyeongchang durch diese beeindruckende Treffsicherheit ihren ersten Sieg im olympischen Turnier feiern konnte.

Ein wenig täuschte der Eindruck vom Penaltyschießen jedoch über die Fertigkeiten der deutschen Profis hinweg. Gegen Norwegen gelang im letzten von drei Gruppenspielen nur ein 2:1 (0:0, 1:0, 0:1) – weil sich die Mannschaft von Bundestrainer Marco Sturm bei Gegenwehr enorm schwer tut mit dem Erzielen von Toren. Dieses Wissen nimmt das Team mit in die Viertelfinal-Qualifikation.

DEB-Profis sind nun mit dem nötigen Selbstvertrauen ausgestattet

Trotz der Probleme überwog nach der Partie die Euphorie. Zuletzt konnte der Deutsche Eishockey-Bund (DEB) vor 16 Jahren einen Sieg bei Olympia bejubeln. „Wir waren die dominierende Mannschaft und haben es verdient“, fand Kahun. Meist gab das deutsche Team aus einer soliden Defensive heraus das Tempo vor und ließ die Norweger nur selten gefährlich vor das eigene Tor kommen. „Wir haben das Spiel gut unter Kontrolle gehabt“, sagte Bundestrainer Sturm. Die Defizite in der Offensive jedoch offenbarten sich auch in der dritten Partie in Pyeongchang. Lediglich ein Überzahltreffer von Hager (33.) trotz zahlreicher Situationen zwang das DEB-Team in den Shootout, nachdem Alexander Reichenberger (46.) ausgeglichen hatte.

Mit dem Erfolg erhielt der Stimmungswandel in der deutschen Kabine jedoch weitere Nahrung. Von Jammer und Selbstmitleid hin zu Stolz wechselte das Empfinden. Das 2:5 zum Auftakt gegen Finnland hatte Sturm zur bekannten Qualitätskritik an der Deutschen Eishockey Liga verleitet: „Das ist ein anderes Level hier, und ein anderer Speed. Die haben auch immer einen Spieler vor dem Tor. Das ist ein generelles deutsches Problem, das sieht man auch immer wieder in der Liga.“ Weil sein Team es nicht schafft, einen Mann vor dem Tor des Gegners zu postieren, wird nicht genügend Druck auf die Defensive des Gegners ausgeübt. Auch die im Vergleich zur DEL geringere Zeit, die am Puck für Entscheidungen bleibt, machte den Spielern beim Auftakt zu schaffen.

Die Entschlossenheit beim 0:1 gegen die Schweden relativierte die Ansichten des Bundestrainers allerdings. „Das war eine der besten Leistungen während meiner Amtszeit. Wir haben in allen drei Zonen sehr gutes Eishockey gespielt, Chancen kreiert und taktisch dagegengehalten“, so Sturm. Zeitweise war sein Team sogar besser als die Auswahl des amtierenden Weltmeisters. Der abschließende Sieg in der Gruppenphase streichelte nun noch einmal die Seele und sorgt für Zuversicht.

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Das Turnierformat reduziert generelle Bedeutung der vorherigen Partien zunächst für Mannschaften wie Deutschland. Die drei Gruppenbesten und der beste Gruppenzweite ziehen direkt in das Viertelfinale ein. Alle anderen acht Teams werden in einer Tabelle zusammengefasst und spielen gemäß der Platzierungen die restlichen Viertelfinal-Teilnehmer aus. Die Punkte gegen Norwegen halfen dabei, einen vermeintlich leichteren Gegner zu bekommen. Die Schweiz ist es geworden, am Dienstag findet die Partie statt (13.10 Uhr/MESZ).

Mit dem nötigen Selbstvertrauen sind die DEB-Profis nun ausgestattet. „Das Momentum ist jetzt wichtig, das nehmen wir mit. Es ist einiges möglich“, sagt Torhüter Danny aus den Birken, der mit seinen Kollegen auch den allgemeinen Turnierverlauf verfolgt hat. Es macht sich deutlich bemerkbar in der Qualität der Top-Mannschaften, dass die nordamerikanische NHL als beste Liga der Welt diesmal keine Teilnahme ihrer Spieler erlaubt hat. „Es sind keine Mannschaften da, wo wir vor Ehrfurcht erstarren müssen“, sagt Patrick Hager.

Am meisten leiden die Amerikaner unter dem NHL-Verzicht, sie verloren zwei der Vorrundenpartien. Aber auch Russland startet mit einer Niederlage, Kanada spielte nicht souverän. „Die Mannschaften rücken etwas zusammen“, hat Kapitän Marcel Goc festgestellt in der Gruppenphase, in der auch die Schweiz sich nicht so stark präsentierte wie erwartet. In den vergangenen Jahren sind die Eidgenossen dem DEB in der Entwicklung enteilt, brachten deutlich mehr Profis in der NHL unter. Obwohl die Schweizer Liga eine sehr gute ist, können die Verluste in Pyeongchang nicht gut aufgefangen werden. Das macht die Chance auf den ersten olympischen Viertelfinaleinzug der DEB-Auswahl seit 2002 greifbar.

Generell erscheinen Überraschungen nach den ersten Tagen des Turniers nicht mehr unmöglich. Will die deutsche Mannschaft eine vollbringen, wäre etwas mehr Effizienz in der regulären Spielzeit wäre allerdings hilfreich.