Pyeongchang. Das Rennrodel-Doppel Wendl/Arlt steckte eine Schrecksekunde im Training weg und raste zu Olympia-Gold. Eggert/Benecken holten Bronze.

Solch ein schreiendes Knäuel an Menschen kennt man sonst nur aus dem Fußball. Wenn die Spieler übereinander herfallen und einen wild zuckenden Haufen bilden, nachdem einer der ihren ein wichtiges Tor geschossen hat. Gestern Abend standen die deutschen Rennrodler der balltretenden Zunft jedoch in Nichts nach. Tobias Wendl und Tobias Arlt hatten kaum die Ziellinie passiert und ihren Doppelsitzer-Schlitten abgebremst, da wurden sie förmlich "begraben". Trainer und Teammitglieder warfen sich auf das Erfolgsduo und ließen ihrer Freude freien Lauf. Mittendrin: Damen-Olympiasiegerin Natalie Geisenberger und Felix Loch, ihre langjährigen Trainingspartner.

Der Jubel fiel wohl auch deshalb so ekstatisch aus, weil die Beiden trotz ihres Olympiasieges 2014 in Sotschi diesmal nicht als die großen Favoriten galten. Zu holprig verliefen die letzten beiden Jahre; zu groß waren zwischenzeitlich Zweifel und Verunsicherung - und zu stark trumpften vor allem in diesem Winter ihre Konkurrenten Toni Eggert und Sascha Benecken auf. Die Thüringer gewannen acht von neun Rennen, sicherten sich zudem zwei Sprintsiege und holten souverän den Gesamtweltcup. Auch das Training auf der anspruchsvollen Olympia-Bahn hatten die Saison-Überflieger dominiert.

Rodel-Wettbewerbe enden am Donnerstag

Wendl/Arlt dagegen mussten im letzten Trainingslauf sogar einen Sturz verkraften. "In Kurve zwölf haben wir mal eine andere Linie ausprobiert und sind in der Einfahrt zur 13 gekippt", erklärte Wendl. Weil so ein Missgeschick "nicht ganz so leicht abzuschütteln" sei und die erste Fahrt danach "immer etwas wacklig" ist, hätte ihn die Zeit im Auftaktrennen mächtig überrascht. Vermutlich war der Sturz aber genau der richtige Wachrüttler - und beschwor eine Art Trotzreaktion herauf. Die Bayern legten in beiden Läufen die Bestzeit hin und sicherten sich Gold vor den Österreichern Peter Penz und Georg Fischler. Eggert/Benecken blieb zumindest Bronze.

"Das ist unsere erste olympische Medaille. Wir sind absolut glücklich damit", sagte Eggert. Und Benecken, der gestern seinen 28. Geburtstag feierte, ergänzte: "Wir hatten uns vorher gefragt: Wie viel wollen wir hier riskieren? Und uns dafür entschieden, eine Nummer sicherer unterwegs zu sein, als im Weltcup." Dort könne man ein verpatztes Rennen eine Woche später wieder gutmachen; Olympische Spiele gäbe es nur alle vier Jahre. Um die Sponsoren und Wegbegleiter nicht zu enttäuschen und vielleicht ohne Medaille wieder nach Hause zu fahren, mieden die Thüringer das letzte Risiko. Benecken gestand offen: "Bronze war das Maximum für das Setup, das wir gewählt haben." Eine verblüffende Taktik, die man angesichts des Dramas um Felix Loch am Sonntag durchaus nachvollziehen kann.

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Deutlich gelassener waren trotz des Trainingssturzes die alten und neuen Olympiasieger angetreten. Arlt: "Wir wussten, wir haben Gold schon zu Hause in der Vitrine. Deshalb sind wir die ganze Sache entspannter angegangen und konnten uns auf unser Super-Material verlassen." Die Bayern sind das dritte Paar nach den Oberhofern Hans Rinn und Norbert Hahn (1976/1980) sowie den Österreichern Andreas und Wolfgang Linger (2006/2010), die zweimal in Folge Olympiasieger im Doppelsitzer wurden. Die Party danach fiel indes nur kurz aus. Zum Abschluss der Rodel-Wettbewerbe steht am Donnerstag, 13.30 Uhr (MESZ), noch das Teamstaffel-Rennen auf dem Programm. Da will das Gold-Doppel gemeinsam mit Geisenberger und Johannes Ludwig den nächsten Coup landen. Die härtesten Konkurrenten sind Österreich, Kanada und die USA.

In der Stunde des Erfolges hatte Tobias Wendl allerdings noch ein Kompliment für die geschlagenen Gegner parat: "Ohne Toni und Sascha wären wir nicht dort, wo wir jetzt wieder stehen. So eine starke Konkurrenz intern zu haben, pusht enorm. Da muss man ständig an sich arbeiten, um schneller zu werden", sagte er. Beide deutsche Doppel kündigten noch am Abend an, die Spiele 2022 in Peking in Angriff nehmen zu wollen. Weitere spannende Schlitten-Duelle sind garantiert. Und wohl auch Medaillen.