Pyeongchang. Kombinierer Eric Frenzel versteht es wie kaum ein anderer, zum Saisonhöhepunkt in Bestform zu sein - und wurde erneut Olympiasieger.
Wer Eric Frenzel nur ein bisschen kennt, der merkt schnell: Der Mann aus dem Erzgebirge ist alles andere als ein Sprücheklopfer. Auf vollmundige Kampfansagen wartet man bei ihm vergebens. Und so hielt er sich bei aller Zuversicht auch zurück, als es um das vermeintlich gute Omen ging, dass die Rolle des deutschen Fahnenträgers bei der Eröffnungsfeier mit sich bringen würde. Vor vier Jahren in Sotschi hatte Alpin-Star Maria Höfl-Riesch die Mannschaft ins Stadion geführt und anschließend ihren Olympiasieg von Vancouver 2010 in der Super-Kombination wiederholt.
Frenzel verzichtete, wie gewohnt, auf große Worte. Stattdessen ließ der Nordische Kombinierer am Mittwochabend Taten sprechen und tat es Höfl-Riesch in beeindruckender Manier gleich. Nach dem Springen von der Normalschanze war er als Fünfter auf die 10-Kilometer-Langlaufstrecke gegangen. Dort konnte ihn dann nichts und niemand mehr halten. Nach knapp einem Drittel der Distanz hatte er bereits die Führung übernommen, das Tempo diktiert und mit einem unwiderstehlichen Antritt am letzten Anstieg die hartnäckigsten Verfolger abgeschüttelt.
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Als er die Ziellinie überquerte, hüpften die Vertreter des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) um Präsident Alfons Hörmann ausgelassen auf den Zuschauerrängen und klatschten lautstark Beifall. Frenzel gilt als Vorzeigesportler; als einer, der trotz aller Erfolge bescheiden und bodenständig geblieben ist, aber dennoch meinungsstark auftritt. Hörmann bezeichnete ihn deshalb "als Vorbild in jeder Hinsicht". Sportlich erlebte der 29-Jährige unter dem strahlenden Flutlicht des Alpensia-Stadions eine weitere Sternstunde und verwies den Japaner Akito Watabe sowie Lukas Klapfer aus Österreich auf die weiteren Podestplätze.
"Ich habe nie den Glauben an mich verloren. Mir gelang es ja schon öfter, auf den Punkt toptfit zu sein", erklärte Frenzel. Und genau das ist es, was das Phänomen Frenzel ausmacht. Niemand in der Kombinierer-Szene versteht es so gut, zum jeweiligen Saisonhöhepunkt in Bestform zu sein. Zwar stand er im vergangenen Winter bei der WM in Lahti im Schatten des vierfachen Weltmeisters Johannes Rydzek, der deshalb zurecht zu Deutschlands Sportler des Jahres gewählt wurde. Doch der Sachse musste sich mit seiner Ausbeute keinesfalls verstecken: Zweimal Gold und einmal Silber fügte er seiner ohnehin beträchtlichen Medaillensammlung noch hinzu. Und Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft - besonders im eigenen Team.
Frenzel-Geständnis: "Sicher war etwas Windglück dabei"
Deutschlands Mannschaft gilt als die stärkste im winterlichen Zweikampf. Allerdings hatten Rydzek sowie Vinzenz Geiger und Fabian Rießle gestern Pech beim Springen. Sie erwischten die Phasen zwischen ständig wechselnden Winden, die keine großen Weiten zuließen. Selbst eine famose Aufholjagd reichte Rydzek nicht, um in den Medaillenkampf eingreifen zu können. Der Oberstdorfer verkürzte den anfänglichen Rückstand von 1:26 Minuten zwischenzeitlich zwar auf neun Sekunden. Dann aber zog die Spitzengruppe das Tempo wieder an und ließ kein Aufschließen zu. Rydzek wurde am Ende Fünfter; Rießle stürmte von Rang 16 auf sieben. Geiger landete auf dem neunten Platz.
"Gefährlich war es Wind nicht, aber halt Lotterie. Letztendlich hat der Wind entschieden, wer die Möglichkeit hat, eine Medaille zu gewinnen oder nicht", resümierte Bundestrainer Hermann Weinbuch. Auch Frenzel gab zu: "Sicher war etwas Windglück dabei. Aber ich hatte einen optimalen Sprung." 36 Sekunden hinter der Spitze seien eine "perfekte Ausgangsposition" gewesen. Mit den ebenfalls laufstarken Watabe und Klapfer "sammelte" er die beiden Sprungbesten schnell ein und marschierte bis ins Ziel vorneweg. Lob prasselte dann von allen Seiten auf ihn ein. Rydzek meinte: "Eric ist ein ganz Großer. Wie er da am letzten Anstieg attackiert hat, das ist sensationell." Und Weinbuch erklärte voller Bewunderung: "Er ist kein normaler Mensch."
Dabei lief es in diesem Winter alles andere als rund. Vor allem mit seinen Sprüngen haderte der kleine Große. Beharrlich suchte er nach den Ursachen und fand sie im neuen Bindungssystem. Der sogenannte Anstellwinkel seines Fußes gegenüber dem Ski war darin nicht optimal. Hinzu kamen Probleme mit der Oberschenkel-Muskulatur, die ihn in der Anfahrtshocke behinderten. Die Behandlung bei einem Spezialisten in Potsdam zahlte sich aus. Und Frenzel kramte die alte Bindung wieder hervor und hatte sofort ein besseres Gefühl. Außerdem verzichteten die Deutschen im Vorfeld der Spiele auf den Weltcup in Hakuba und zogen sich lieber zum Training zurück. Im Vorbereitungscamp in Oberstdorf wurden dann erste Fortschritte deutlich, so dass auch das Selbstvertrauen zurückkehrte. Bei seiner Ankunft in Pyeongchang wirkte Frenzel hoch motiviert, aber sichtlich gelassen.
Diese innere Ruhe hat ganz sicher auch mit seinem Familienglück zu tun. Frenzel ist dreifacher Familienvater und findet im Kreise seiner Liebsten die nötige Erholung zwischen dem Wettkampfstress. Am Montag sind seine Ehefrau Laura und sein ältester Sohn Philipp in Südkorea angereist - ihre Unterstützung an der Strecke war ihm gewiss. "Meine Familie", sagte Frenzel, "ist mir das Wichtigste." Sie hätte ihn in dieser Saison oft entbehren müssen; gerade in den Phasen, in denen es hakte. "Doch ich habe immer ihre Rückendeckung gespürt. Das gab mir Kraft." Am späten Abend konnte er seine Frau und seinen Sohn dann endlich die Arme nehmen.
Doch sein Blick ging auch schon wieder nach vorn. In Pyeongchang stehen noch zwei Wettbewerbe an. Und vor allem mit dem Team will er Gold angreifen. "Wir haben noch eine Rechnung von Sotschi offen", verwies Frenzel auf den verlorenen Zielsprint um den Olympiasieg gegen die Norweger. Damals war er von einer Erkältung geschwächt, die er sich nach dem Triumph von der Normalschanze eingefangen hatte. Diesmal will er besser aufpassen. "Man soll ja aus seinen Fehlern lernen", sagte Frenzel.
Ganz der Musterprofi.