Essen. Aktionen wie die von Christoph Harting entziehen Athleten aus Randsportarten die Aufmerksamkeit, die sie nur bei Olympia bekommen. Ein Kommentar.

Wer denkt sich solche Dramen aus? William Shakespeare? Patricia Highsmith, oder doch ein auf Happy-End spezialisierter namenloser Drehbuchschreiber aus Hollywood? Es gibt eine neue Geschichte um Helden und Gefallene.

Auch interessant

Dass beim Leichtathletik-Wettkampf einer der größten Stars des deutschen Teams sang- und klanglos im Vorkampf ausscheidet, weil er sich offenbar beim Versuch, mit dem Fuß vom Bett aus das Licht auszuschalten, einen Hexenschuss zuzog und dann dessen Bruder im Finale des Diskuswettbewerbs Gold gewinnt, hat kaum einer vorhergesehen.

Dass die Geschichte noch weitaus komplexer ist, wurde nach der Entscheidung manifest. Anders als Robert, der sich nach großen Triumphen publikumswirksam gern mal das Trikot vom Leib reißt, zelebrierte der sechs Jahre jüngere Christoph seinen Erfolg mit einer beinahe schon höfischen Verneigung. Man darf annehmen, dass diese optisch-ästhetische Abgrenzung zum Bruder eine wohl kalkulierte Entscheidung war. Dass die beiden aber verwandt sind, offenbarte sich spätestens bei Siegerehrung und Pressekonferenz. Christoph Harting grimassierte bei der Hymne, ignorierte Journalisten und gab sich im Gespräch sperrig. Anders als Robert, aber genau so provokant. Die beiden pflegen zudem offenbar eine komplizierte Geschwister-Beziehung – und leben das öffentlich aus. Für den Zuschauer ist das unterhaltsam und natürlich werden über derlei menschliche Dramen Stars und Legenden geboren. Die Hartings bewegen sich aber in doppelter Hinsicht auf einem schmalen Grat.

Auch Jansinski gebührt Aufmerksamkeit

Mit seinem wenig erwachsenen Verhalten legte Christoph Harting einen Schatten über seinen Triumph. Es reicht aber über eine individuelle Flegelei hinaus. Nur während der Spiele gelingt es Schützen, Judoka oder Ruderern das Interesse des Publikums auf sich zu ziehen.

Wenn Sportler wie die Hartings zu häufig Nebengeräusche jenseits der Arenen produzieren, verschiebt sich die Aufmerksamkeit. Dann wird nicht mehr über spektakulären Sport und großartige Leistungen geredet. So zeigte auch der Wattenscheider Diskuswerfer Daniel Jasinski große Leistung und gewann die Bronzemedaille. Das reicht als Geschichte, als Drama aus – und das darf nicht untergehen.