Essen. 1988 gewann Frank Mill als Kapitän der DFB-Auswahl Olympia-Bronze. Dass Deutschland in Rio mit einer Rumpftruppe antritt, kann er nicht verstehen.
Trainer Horst Hrubesch verkündet heute das Olympia-Aufgebot des deutschen Fußball-Teams. Große Auswahl hatte er nicht: keine EM-Spieler, keine Spieler, die gerade den Klub gewechselt haben, und maximal zwei Profis pro Klub. Hrubeschs langjähriger Teamkollege Frank Mill (57) weiß, was Spieler wie Leroy Sané, Joshua Kimmich oder Julian Draxler in Rio verpassen. Der ehemalige BVB-Star nahm mit der Olympia-Auswahl an den Spielen 1984 und 1988 teil und ist mit neun Spielen bei Olympia deutscher Rekordhalter. In Seoul gewann der Essener an der Seite von Jürgen Klinsmann, Thomas Häßler und Andreas Köpke die Bronze-Medaille. Im Gespräch mit dieser Zeitung erinnert sich Mill an „die besten Erfahrungen seiner Karriere“ und übt Kritik an den Vereinen.
Frank Mill, haben Sie Mitleid mit Ihrem Kollegen Horst Hrubesch?
Frank Mill: Es war natürlich nicht einfach für ihn, einen vernünftigen Kader auf die Beine zu stellen. Ich hätte nicht mit ihm tauschen wollen, da er viele gute Spieler nicht nominieren darf. So wird er es in Rio nicht leicht haben. Ein Ziel wird wohl kaum zu definieren sein.
Finden Sie es richtig, dass sich der DFB und die Vereine quergestellt haben und nur maximal zwei Spieler abgestellt werden?
Mill: Ich finde es nicht gut, wie die Bundesligisten gehandelt haben. Man hätte den jungen Leuten dieses große Erlebnis gönnen sollen. Diese Spieler sind für ihre Vereine noch nicht so wichtig, dass sie durch eine Olympia-Teilnahme den Erfolg des Teams gefährden. Außerdem beginnt die Meisterschaft ohnehin erst nach Olympia. Für die Jungs wäre es eine großartige Erfahrung gewesen, die sie vor allem menschlich nach vorne gebracht hätte.
Sie haben an zwei Sommerspielen teilgenommen. 1988 gewannen Sie in Seoul Bronze. Was haben Ihnen diese Erfahrungen gebracht?
Mill: Olympia ist eine tolle Sache, die man in seinem Leben nicht mehr vergisst. Es ist ein größeres Erlebnis als eine WM oder EM. Ich durfte viele großartige Sportler treffen. Als Carl Lewis in Los Angeles und Seoul über 100 Meter Gold gewann, war ich live dabei. Das bleibt genauso hängen wie die Erlebnisse im Olympischen Dorf. Dort siehst du dann einen 2,10 Meter großen Ringer, der mit einem Kollegen zum Essen geht, der nur 1,50 Meter groß ist. Unvergessen bleibt für mich auch die Atmosphäre in Los Angeles. Dort war jeden Tag Party. Die Zuschauer haben auf den Parkplätzen und vor den Stadien gegrillt. Wunderschöne Momente.
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Sie wurden 1989 mit dem BVB Pokalsieger und ein Jahr später Weltmeister. Hat Ihnen die Bronzemedaille in Seoul mehr bedeutet?
Mill: Definitiv. Daraus mache ich keinen Hehl. Ich war bei der WM in Italien nur Ersatzspieler hinter Klinsmann, Völler und Riedle. In Seoul war ich Kapitän und habe immer gespielt. Für mich persönlich ist die Bronzemedaille deshalb deutlich wertvoller als der WM-Sieg.
Hat die Medaille bei Ihnen zu Hause einen besonderen Platz?
Mill: Das ist doch klar. Allerdings habe ich hier keine Unterschiede gemacht. Sie liegt zusammen mit der WM-Medaille, dem Lorbeerblatt und der Auszeichnung zum Torschützen des Monats in einem großen Bilderrahmen mit verstärkter Scheibe. Die bekommt so leicht keiner raus.
1972 spielte Deutschland mit Fußball-Größen wie Uli Hoeneß und Ottmar Hitzfeld. Würde es helfen, wenn die Fußballstars wie Ronaldo oder Messi antreten würden?
Mill: Als Fußballer war man bei Olympia immer außen vor. Das hat man uns vor allem 1984 in Los Angeles spüren lassen. Die anderen Sportler mochten uns nicht, weil wir damals angeblich schon so viel Geld mit dem Fußball verdient haben. Es würde sicher nicht helfen, wenn jetzt die ganz großen Namen bei Olympia aufschlagen würden und allen anderen die Show stehlen. Das wäre für das Miteinander nicht förderlich. Aber viele junge Spieler, die nun nicht mitfahren dürfen, wären für Deutschland eine Bereicherung gewesen.