Austin. . Im vorletzten Rennen der Saison kann Weltmeister Sebastian Vettel schon alles klar machen und sich wieder als Champion feiern lassen. Vettel fährt an diesem Wochenende seinen 100. Formel-1-Grand-Prix.

Das „A“ ist das größte in der neuen Heimat der Formel 1 in den USA. A wie Amerika. A wie Austin. A wie Action, natürlich. Und A wie Alphatiere. Für Sebastian Vettel und Fernando „A“-lonso, die vor dem vorletzten Rennen zehn Punkte in der WM trennen, geht es darum, keinen Fehler zu machen. Weder auf noch neben der Strecke. Eine zugespitzte Weltmeisterschaft, die auch über Coolness und Posing entschieden wird.

Die psychologische Kriegsführung des Herausforderers Alonso erfolgt vorzugsweise über Twitter-Botschaften. Vor dem ersten Treffen der Kontrahenten bei einer Talkrunde am Circuit of the Americas sahen die Twitter-Freunde des Spaniers ihr Idol mit einer Pump Gun in der Hand. Ganz so martialisch war es dann nicht, es handelte sich um ein Farbspritzgewehr, und gesendet hatte es zunächst Ferrari-Teamkollege Felipe Massa.

Der Egoisten-Sport

Auf dem Podium war es dann wieder friedlicher, auch im Dialog mit Widersacher Vettel. Als die Gespräche dahinplätscherten, nahm Alonso sein Smartphone und machte eine Panorama-Aufnahme von den 120 Journalisten vor ihm, zwitscherte es in die Welt, und zeigte es dann seinem Nebensitzer. Vettel und Alonso im Dialog, das kann man sich ähnlich harmonisch vorstellen wie Bilder von Angela Merkel mit Philipp Rösler.

Der Lauerzustand wird zum Dauerzustand. Aber jetzt: Bloß nicht die Anspannung anmerken lassen, das gehört sich nicht in diesem Egoisten-Sport. „Als ich 2006 beim letzten Rennen mit Michael Schumacher um den Titel gekämpft habe, konnte ich vorher nicht schlafen. Auch 2007 war ich sehr gestresst“, gab Alonso zu, „aber schon 2010 in Abu Dhabi war alles viel ruhiger.“

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Damals war er im Finale gegen Vettel unterlegen, aber daraus möge man bitte keine Rückschlüsse ziehen: „Ich war besser vorbereitet auf die Situation, mittlerweile bin ich reifer geworden.“ Sechs Jahre Altersunterschied und 96 Rennen mehr sind die statistische Differenz, Vettel fährt an diesem Wochenende seinen 100. Formel-1-Grand-Prix.

Den ersten fuhr er auch auf nordamerikanischen Boden, 2007 als BMW-Ersatzfahrer holte er seinen ersten Punkt. „Das erste Rennen vergisst man natürlich nicht. Aber danach ging alles so schnell. 100 ist eine große Zahl, es heißt auch: hundert Mal die erste Kurve zu überstehen. Mir kommt es so vor, als ob alles noch nicht so lange her ist. Aber das zeigt, wie schnell die Zeit vergeht, wenn man etwas tut, was einem Spaß macht. Also gehen wir die 200 an.“ Ob er reflektiere? „Das macht man, wenn man ein bisschen älter ist. Ich lebe gerade lieber in den Tag hinein...“

Der Red-Bull-Pilot steht kurz vor dem Titelhattrick, Alonso hätte immerhin noch die Chance, jüngster Fahrer zu werden, der drei Weltmeisterschaften gewonnen hat. Vettel verdrängt solche Gedankenspiele mittlerweile routiniert: „Das würde mir viel bedeuten. Allerdings ist es schwierig in Worte zu fassen, bevor es soweit ist. Es ist immer schwer, Erwartungen zu haben, wenn man nicht weiß, was einen erwartet.“

Formel 1 und das Kinderprogramm

Das bezieht sich darauf, dass noch niemand bisher auf dem Kurs in Austin eine Rennrunde gedreht hat. Alles, was neben der Strecke passiert, sind für ihn „Spielchen“. Und sein Spiel ist es, nicht angespannt zu wirken. Sein Selbstbewusstsein wird beschleunigt durch die famose Aufholjagd von Red Bull in den letzten Rennen, und sein Husarenritt von Abu Dhabi vom letzten Startplatz auf Rang drei hat ihn auch das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit gelehrt. Aber Stolz, das weiß er auch, kann er momentan nur nach innen zeigen. Denn: „Die richtig wichtigen Sachen hat man im Kopf.“

Das lose Mundwerk auf dem Podium im Emirat, als Vettel in der öffentlichen Ansprache die Redewendung „to fuck up“ („etwas versauen“) benutzte, hat zu neuen Benimmregeln vom Automobilweltverband FIA geführt. Vettel muss sich an die verbale Ideallinie halten: „Ich wollte niemanden vor den Kopf stoßen." Gottlob hält er die Formel 1 aber immer noch für einen Volljährigen-Sport: „Jeder kann schauen, was er will und hat die Fernbedienung in der Hand. Wer sensibel ist, kann Kindersendungen schauen...“

Die neuen Gürtelschnallen

„Je mehr Druck er hat, umso besser wird Sebastian“, weiß Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko. „Das ist etwas, das in ihm steckt“, sagte der Österreicher. Mit dem Verweis darauf, dass es seit drei Jahren so läuft, dass Vettels zweite Saisonhälfte immer die bessere ist. Sollte Sebastian Vettel das Rennen gewinnen und Fernando Alonso maximal Fünfter werden, hätte der Deutsche den Titel gewonnen. Wenn er Zweiter wird und der Spanier maximal Neunter, wäre Vettel der große Triumph ebenfalls nicht mehr zu nehmen.

Auf ihre Gürtelschnallen haben die Texaner an der Rennstrecke schon vorab prägen lassen: „Heimat der Weltmeisterschaften“.