Abu Dhabi. Zum Abschluss der Saison gastiert die Formel 1 an diesem Wochenende in Abu Dhabi. Die 67. Strecke der Formel 1 wirkt so, als ob man die Pisten von Sepang, Monte Carlo, Manama und Shanghai in einen Mixer getan und daraus die 5555 Meter Emirat-Rennstrecke gegossen hätte.
Das Raumschiff ist gelandet, mitten in der Wüste, seine gläsernen Waben leuchten nächtens blau und rot, wie ein Verwandter der Allianz Arena. Von oben betrachtet sieht die neue Oase des Motorsports wie eine Star-Wars-Kulisse aus. Auf Yas Marina Island, vis-a-vis der Emirate-Hauptstadt Abu Dhabi, wird zum Saisonende ein Stück blendender Formel-1-Zukunft wahr. Der richtige Ort für das Finale eines verrückten Rennjahres, eine Sand-Insel der Seligen.
Wie gut, dass das Rennen um die Weltmeisterschaft entschieden ist – die volle Konzentration bei der Premiere in den Vereinigten Arabischen Emiraten gilt jetzt dem Spektakel neben der Strecke. Mit Rennwagen, die durch ein Hotel-Foyer rasen und am teuersten Yachthafen der Welt vorbei. Der internationale Sandburgenbau bekommt auf dem künstlichen Eiland im Golf eine neue Dimension, die stockenden Projekte im nahen Dubai wirken dagegen langweilig. Natürlich geht es auch darum, den Nachbarstaat in der touristischen Attraktivität auszustechen. Yas, we can!
Die 67. Strecke der Formel 1 wirkt so, als ob man die Pisten von Sepang, Monte Carlo, Manama und Shanghai in einen Mixer getan und daraus die 5555 Meter Emirat-Rennstrecke gegossen hätte. Gegen den Uhrzeigersinn, mit der längsten Gerade aller aktuellen Pisten, und tückischen rechten Winkeln. Das Ganze wirkt wie eine betonierte Fata Morgana mit Glitzerelementen. Und ein wenig so, als sei die Formel 1 dort ihrem eigenen Wahnsinn nicht nur auf die Spur gekommen, sondern gleich von ihm überholt wurde. Wie gut, dass der Polizei von Abu Dhabi ein eigener Rennwagen kredenzt wurde. . .
Noch einmal eine Wohlfühl-Kur
Das schrumpfende Grand-Prix-Geschäft erfährt zum Schluss noch einmal eine Wohlfühl-Kur. Luxus pur, sogar die Garagen in der Box sind klimatisiert, alle 50.000 Zuschauerplätze wurden überdacht. XXL scheint als Maßstab zu klein für den Yas Marina Circuit, wo zum Vorzugspreis von angeblich 27 Milliarden Euro ein 17 Quadratkilometer großer „Freizeitpark” mit eingebauter Piste entstanden ist, für den in rund 48 Millionen Mannstunden in anderthalb Jahren unter der Aufsicht des deutschen Architekten Hermann Tilke etwa 1,6 Milliarden Kubikmeter Erde bewegt wurden. Was für eine Schaustelle! Die 21.000 Bauarbeiter haben nur ein Wochenende Pause, unmittelbar nach Rennende übernehmen wieder die Bulldozer die Pole-Position, es gilt die Einkaufs-Mall und den Erlebnispark „Ferrari-World” mit 220.000 überdachten Quadratmetern fertigzustellen. Größe oder Wahnsinn?
„Massiv”, stöhnt Kimi Räikkönen, der sonst so schnell durch nichts zu beeindrucken ist. Der Vertrag mit Bernie Ecclestone wurde besiegelt, bevor nur eine Schaufel mit rotem Sand gefüllt war. Selbstzweifel sind dem reichsten der arabischen Emirate fern, angesichts des schwindenden Öls hat Abu Dhabi längst neue Geldquellen erschlossen.
Großinvestoren auf den Finanzmärkten
Die Nachfahren des Beduinenstamms Bani Yas gehören zu den Großinvestoren auf den internationalen Finanzmärkten. 2005 waren 41 Prozent aller Firmen des Emirats unabhängig vom Öl, in 21 Jahren sollen es 64 Prozent sein. Der Scheich-Verkehr auf der modernsten Strecke der Welt funktioniert auch gegen den Uhrzeigersinn als Werbe-Karawane für die „Vision 2030”. Ein Geschäft auf Gegenseitigkeit. Arabische Investoren sollen die Automobilindustrie und ihre Sportabteilungen stützen: Die Königsfamilie von Bahrein hat sich an Daimler beteiligt, Abu Dhabi gehören fünf Prozent von Ferrari, die Qataris sind bei VW-Porsche im Boot. Das Ding aus einer anderen Welt lockt schon vor dem ersten Training mit spektakulären Ergebnissen, zumindest rein architektonisch: Wo hat man schon ein Hotelfoyer gesehen, durch das Rennwagen rasen? Der Asphalt ist glatt, der technische Anspruch hoch, Überhol-Entertainment das höchste Ziel. Konstrukteur Tilke über die Tücke der lebendig gewordenen Play-Station: Wichtig ist, dass Fehler leicht möglich sind.
Im Bemühen, das „Beste aus zwei Welten” zusammen zu führen, wird der Grand Prix von Abu Dhabi das erste Rennen sein, das offiziell vom Tag in die Nacht reicht, das Flutlicht brennt auch schon beim Start um 17 Uhr Ortszeit (14 Uhr MEZ). Auch das ist eine Perspektive: Die Formel 1 rast als leuchtende Bewegung dem Sonnenuntergang und dem Ende der Saison entgegen.