Shanghai. Als sich Sebastian Vettel (Heppenheim) beim Großen Preis von China in Shanghai mit nachlassenden Reifen herumquälte, nutzte Lewis Hamilton (England) die Gunst der Stunde und schnappte ihm den Sieg weg.

Der Vettel-Finger bleibt diesmal eingefahren, und der spitze Schrei des Siegers kommt aus dem Mund von Lewis Hamilton. Gut gebrüllt, Löwe! Mit cleverer Reifentaktik und mutigen Angriffen hat der Weltmeister von 2008 Sebastian Vettel beim Großen Preis von China vier Runden vor Schluss noch abgefangen und dem Heppenheimer den Saison-Hattrick vermasselt.

„Mehr war nicht drin“, stöhnte der Titelverteidiger. Ganz hatte Sebastian Vettel das Lächeln aber nicht verlernt: „Wir haben einige Fehler gemacht und sind trotzdem noch Zweiter geworden. Es war kein einfaches Rennen, wir hatten ein paar Probleme. Man muss alles richtig machen, das fängt beim Start an. Deshalb muss ich mit Platz zwei zufrieden sein, das gibt viele Punkte. Wir haben noch viel zu lernen.“

Nur fünf Runden noch auf dem Shanghai International Circuit – jetzt beginnt die Champions-League: Hamilton setzt sich am Ende der Geraden zweimal gleichauf. Vettel sieht im Rückspiegel nur noch das britische Silber. Kampflinie in der Haarnadel! Der coolste Mann im Feld gegen den hitzigsten. Und dann geht Hamilton in Runde 52 fast mir nichts, dir nichts am Red Bull vorbei – und zieht auf und davon. 5,1 Sekunden Vorsprung im Ziel auf den für unschlagbar gehaltenen RB7.

McLarens locker vorbei

Kein kompletter Trost für die Bullen, dass Mark Webber von Startplatz 18 auf Rang drei (!) geschossen ist und damit ganz zum Schluss noch Jenson Button vom Podium stößt. Nico Rosberg wird Fünfter hinter Button, Michael Schumacher im zweiten Silberpfeil Achter hinter Fernando Alonso. In der WM-Wertung führt Vettel immer noch komfortabel mit 68 Punkten vor Hamilton (47), Button (38) und Webber (37). Nick Heidfeld, der nach einer verpatzten Qualifikation Zwölfter wurde belegt Rang acht (15).

Schon am Start öffnet sich die Wundertüte des bislang abwechslungsreichsten Rennens der Saison. Vettel kommt stotternd in die Gänge, da sind die beiden McLaren von Jenson Button und Lewis Hamilton schon rechts und links am Spitzenreiter vorbei.

Wie kompliziert so ein Rennverlauf durch die so schwer auszurechnenden Reifen wird, zeigt sich nach der ersten Boxenstopp-Session – plötzlich führt Rosberg, weil er zwei Runden vor Button frische Pneus geholt hat. Der britische Ex-Weltmeister scheint verwirrt: Als er in Runde 16 mit Sebastian Vettel im Nacken zum Service vorfährt, steuert er die Red-Bull-Box an. Dort winkt ihn die Boxencrew wie in einer Slapstick-Einlage durch, und nach diesem Fauxpas ist Vettel vorbei. „Man stelle sich nur vor, die hätten ihm meine Reifen gegeben“, unkt der Heppenheimer später.

Danach bleibt Sebastian Vettel länger als die anderen Top-Leute draußen. Red Bull hat ihn auf eine Zwei-Stopp-Strategie gepolt, er soll die letzten 24 der 56 Runden mit harten Pneus durchstehen. Zur Box hat der Pilot keinen Funkkontakt mehr. Der einsame Wolf nimmt nach eigenem Gutdünken am Lenkrad Einstellungen vor, um die fehlende Bremsbalance auszutarieren. Aber er ahnt schon, dass es verdammt eng wird. McLaren hatte ursprünglich auch nur zwei Stopps geplant, dann aber auf drei umgestellt.

Mercedes beim Tanken diesmal zu sparsam

Auch Nico Rosberg empfängt in der Schlussphase schlechte Nachrichten: „Du musst Benzin sparen, sonst reicht es nicht ins Ziel.“ Prompt verliert er in Runde 43 den dritten Platz an Lewis Hamilton. Am Ende klagt er: „Extrem schade. Wir haben nicht rausgeholt, was möglich gewesen war.“ Und Mercedes-Sportchef Norbert Haug gibt zu, dass man die schwäbische Sparsamkeit übertrieben hat.

Vorne führt Vettel vor Felipe Massa im Ferrari, aber den schnappt sich Hamilton in bester Ninja-Manier. Jetzt wird’s spannend, der Brite ist eine Sekunde schneller als Vettel. Denn er hat für die entscheidende Phase noch frische Pirellis. Das bringt die Entscheidung.