Le Castellet. Ferrari stapelt tief vor dem Rennen in Frankreich. Parallel wird am Grünen Tisch um die vage Chance auf den nachträglichen Kanada-Sieg gekämpft.

Nach der x-ten Frage zu seinem verhängnisvollen Verbremser von Montreal und den Folgen hatte Sebastian Vettel genug. "Will vielleicht jemand was zu Frankreich wissen?", fragte der Ferrari-Star in die Runde am Formel-1-Medientag in Le Castellet. Lächelnd, aber stakkatoartig, hatte der Heppenheimer zuvor geantwortet. Wie er die Situation elf Tage nach dem Vorfall bewerte? "Wie nach dem Rennen." Ob seine wütenden Reaktionen ein Fehler gewesen seien? "Nein!"

Doch wie sollte sein verlorener Sieg aufgrund der umstrittenen Fünf-Sekunden-Strafe auch kein Thema mehr sein? Am Freitag prüfen drei der vier Rennkommissare aus Montreal die Sanktion auf Ferrari-Antrag erneut. Um 14.15 Uhr, zwischen den Trainingseinheiten zum Großen Preis von Frankreich (Sonntag, 15.10 Uhr/RTL und Sky), treten sie zusammen, um das nachträglich eingebrachte Beweismaterial von Ferrari zu bewerten.

Ferraris Erfolgsaussichten sind gering

Wird dieses als relevant erachtet, würde im nächsten Schritt die rennentscheidende Szene nochmals beurteilt - mit der Chance, das Ergebnis zu kippen. Den Stewards in Kanada standen allerdings bereits sämtliche TV-Bilder und Telemetriedaten zur Verfügung, weswegen Ferraris Erfolgsaussichten als gering erachtet werden.

Vettel selbst schob alle Fragen zu diesem sportjuristischen Thema beiseite. Wer etwas zu den neuen Ferrari-Argumenten und deren Durchschlagskraft wissen wolle, der solle "das Team fragen", erklärte der viermalige Weltmeister lapidar.

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In Montreal hatte Vettel nach einem Ausflug ins Gras in der 47. Runde nur mit größter Mühe die Führung vor Weltmeister und WM-Spitzenreiter Lewis Hamilton im Mercedes behalten. Die Rennjury untersuchte den Vorfall und bestrafte den Deutschen, weil dieser auf gefährliche Art und Weise auf die Strecke zurückgekehrt sei. Vettel kam zwar als Erster ins Ziel, wurde aber auf Platz zwei zurückversetzt. Der 31-Jährige schäumte und klagte die FIA an, ihm und dem Team den Sieg "gestohlen" zu haben.

Vettel erhält Unterstützung

In Le Castellet erhielt Vettel, der seit 15 (!) Rennen auf einen Sieg wartet, auf breiter Front Unterstützung. Renault-Pilot Nico Hülkenberg bewertete die Szene als "normalen Rennunfall", Vettels früherer Teamkollege Kimi Räikkönen erklärte: "Seb hatte keine andere Wahl." McLaren-Pilot Carlos Sainz jr. bezeichnete die Strafe gar als "Enttäuschung für alle Formel-1-Piloten", weil jeder Fahrer "genauso" wie Vettel gehandelt hätte.

Der anstehende achte Saisonlauf in Le Castellet (Sonntag, 15.10 Uhr/RTL und Sky) steht für Ferrari indes unter keinen guten Vorzeichen. "Paul Ricard war vergangenes Jahr eine schwierige Strecke für uns. Wir wissen, dass solche Strecken unserem Paket nicht besonders liegen", sagte Teamchef Mattia Binotto.

Selbst der neue Frontflügel am SF90 sei "noch nicht die Lösung unserer Probleme", so der Italiener. Die gewonnenen Daten seien "aber wichtig für die nächsten Schritte, die wir machen."

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Klarer Vorteil für Mercedes

Das klingt nicht allzu gut aus Ferrari-Sicht, womöglich war der Höhenflug von Montreal allein auf die Streckencharakteristik mit vielen Geraden zurückzuführen. Das aktuelle Ferrari-Konzept ist zwar auf Hochgeschwindigkeitskursen ein Trumpf, in den Kurven aber von Nachteil. Davon gibt es in Le Castellet 15 an der Zahl. Auf dem Papier ein klarer Vorteil für Mercedes, dessen Star-Pilot Hamilton am Donnerstag entschuldigt fehlte.

Der Weltmeister, WM-Spitzenreiter und nebenberufliche Designer weilte in Paris bei einer Gala zu Ehren des am 19. Februar verstorbenen Star-Designers Karl Lagerfeld. Nebeneffekt: Zumindest Hamilton blieben Nachfragen zu Montreal erspart. (sid)