Sepang. . Nach dem großen Formel-1-Crash will Sebastian Vettel bis zur letzten Kurve kämpfen. Der Deutsche braucht derzeit ein Karbongemüt.

Beim letzten Auftritt der Formel 1 in Malaysia (Sonntag, 9 Uhr/RTL), gehen die Veranstalter volles Risiko. Sie zwängen die drei Crashpiloten Sebastian Vettel, Max Verstappen und Kimi Räikkönen noch näher zusammen als am Ende der Startgeraden von Singapur. Diesmal mit dem mutmaßlichen Auslöser Vettel in der Mitte. Doch neben der Strecke fliegen bei Rennfahrern selten die Fetzen. Brav sitzen sie in einer Bank und umkurven verbal alles, was mit dem großen Unfall zu tun hat.

Derjenige, der vielleicht nicht nur einen Frontflügel verloren hat, gibt keineswegs den Angreifer. Sebastian Vettel, vor dem 15. WM-Lauf nun mit 28 Punkten gegenüber Spitzenreiter Lewis Hamilton im Rückstand, drückt mit seiner ganzen Körperhaltung Abwehr aus. Der Heppenheimer übt sich in der Sprache des Vergessens. Dabei klingt jeder Satzanfang so: „Uaaaaah“. Und: „Joooooh“. Oder: „Pffft.“

Aussageverweigerung nach dem Unfall

Die zugehörigen Fragen galten stets seiner Sichtweise des Unfalls, mit dem er die große Siegchance des Jahres peinlich verschenkte. Die Aufarbeitung der Kritik gerät zur Aussageverweigerung. Ist das Strategie oder die Angst, schon alles verloren zu haben?

In der generellen Sprachregelung, die der Ferrari-Pilot für sich gefunden hat, setzt er sich nicht mehr mit den Geschehnissen in der Marina Bay auseinander: „Alle drei von uns sind damit nicht glücklich. Aber wir müssen nach vorn schauen.“ Sebastian Vettel kümmert sich selten darum, was andere von seinen Aktionen halten. Diese Unbeirrbarkeit hat ihn zu einem viermaligen Champion gemacht.

Die Überlegenheit großer Rennfahrer basiert in der Regel auch auf ihrer Überlegtheit, weshalb nach dem Desaster von Singapur dringend die Frage gestellt werden muss: Will Vettel zu viel? Er wirkt allerdings nicht so, als ob er besonders viel Zeit in die Auseinandersetzung mit sich selbst steckt. Zweifel taugen nicht als Antrieb. Die relativierende Antwort in Malaysia daher: „Was kannst Du schon machen am Start? Das ist Teil des Rennsports. Ich stecke meine Energie lieber in das, das kommt.“ Reue kommt nicht vor.

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Der Deutsche braucht dieses Karbongemüt, um mit dem selbstgemachten Druck fertig zu werden, der sich durch die Erwartungen von Fiat-Lenker Sergio Marchionne noch potenziert. In den drei Rennen nach der Sommerpause hat Vettel im Duell mit Mercedes-Pilot Lewis Hamilton 42 Punkte und die WM-Führung verloren. Der Brite hat die letzten drei Grand Prix gewonnen, und auf Vettels Ansinnen, die letzten sechs Rennen zu gewinnen, richtet er aus: „Da wünsche ich ihm viel Glück.“

Überhaupt befindet der Brite, dass er in dieser Saison die Schwachpunkte Vettels vorgeführt bekomme: „Für die letzte Schwäche bin ich dankbar.“ Hamilton weiß aber auch um den Ehrgeiz Vettels, weshalb er davon ausgehen müsse, dass dieser in Malaysia stark zurückkomme. Technisch scheint in Sepang zwar Mercedes im Vorteil, aber die Hitze und der stets drohende Regen können das Blatt schnell wenden.

Schon vier Vettel-Siege in Malaysia

Erheiternd ist für Angreifer Vettel die Annahme, dass er jetzt ja weniger Druck empfinden müsse, wo er nichts mehr zu verlieren habe: „So sehe ich das nicht.“ Schließlich steht er auch bei seinem Vorgesetzten, Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene, im Wort: „Wir versprechen, bis zur letzten Kurve der Weltmeisterschaft zu kämpfen.“

Sebastian Vettel hat in Malaysia viermal gewonnen, 2015 zum ersten Mal mit Ferrari. An das Rennen vor einem Jahr hat er aber keine allzu guten Erinnerungen. Nach einem Bremsmanöver gegen Max Verstappen musste er damals die Segel streichen. Passiert ist das Ganze übrigens: am Start.