Witten. Die Rückkehr aufs Parkett sehnen zwei herausragende Wittener Tanzsportlerinnen an. Für eine soll es noch einmal aufs oberste DM-Podest gehen.
Fast alles ist völlig anders in dieser von der Corona-Pandemie bestimmten Zeit. Auch für die Tanzsportler. Denn die müssen gänzlich ohne ihren geregelten Wettkampf-Betrieb auskommen. Statt an den Wochenenden kreuz und quer durch die Republik, bisweilen auch ins Ausland zu fahren, um sich mit der Konkurrenz zu messen, sind die Schwerpunkte für die beiden Wittener Lateintänzerinnen Virginia Lesniak und Michele Mühlig momentan ganz andere.
Angesprochen auf ihre letzte Turnierteilnahme, muss die 19-jährige Michele Mühlig ein ganzes Weilchen zurückdenken. Mehr als ein Jahr liegt das bereits zurück: „Das war in Antwerpen im Februar 2020“, sagt die junge Frau, die inzwischen ihr Studium der Sportwissenschaft in Paderborn aufgenommen hat. „Es ist schon gewöhnungsbedürftig, so aus dem normalen Turnierrhythmus ‘rausgerissen worden zu sein“, so Mühlig, die mit ihrem aus Weißrussland stammenden Tanzpartner Mikita Senin ein mittlerweile seit zwei Jahren bestens eingespieltes Duo bildet, das für den Bielefelder TC Metropol antritt.
So schnell wie möglich ‘rauf in die S-Klasse
Seit dem vergangenen Jahr ist das Paar dem Jugendbereich entwachsen, gehört nunmehr der Hauptgruppe A-Latein an und darf in derselben Startklasse auch in der Standard-Sektion Turniere bestreiten. Dabei soll es allerdings nicht bleiben, denn die beiden ambitionierten Tanzsportler haben ganz andere Ziele im Sinn. „Wenn es irgendwie bald mal wieder möglich ist, Turniere zu tanzen, möchten wir schon versuchen, so schnell wie möglich in die S-Klasse aufzusteigen“, sagt Michele Mühlig. Das Zeug dazu hat das jung, zielstrebige Paar auf alle Fälle, steckt dafür auch enorm viel Zeit in das aufwändige Hobby, das eigentlich schon viel mehr als das ist. „Sechsmal die Woche sind wir beim Training“, sagt die 19-Jährige - ein Pensum, welches man wohl in diesem Alter nur auf sich nimmt, wenn man wirklich Großes in seinem Sport erreichen will.
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Als Mitglied des Landes- und des Bundeskaders profitieren Mikita Senin und Michele Mühlig zumindest davon, auch während der Coronazeit durchgängig trainieren zu dürfen. Am Landesleistungsstützpunkt in Dortmund absolviert das Duo seine Einheiten in den fünf lateinamerikanischen Tänzen bei den DM-Medaillengewinnern Artur Balandin und Anna Salita aus Bochum, den Standard-Bereich deckt der erfahrene Coach Sven Traut ab. „Da der Turnierrhythmus derzeit wegfällt, haben wir jetzt zumindest die Zeit, neue Choreographien zu erarbeiten“, sagt die Wittenerin. Denn: „Wenn wir wieder aufs Parkett dürfen, wollen wir die Leute schließlich auch überraschen.“ Die Studentin hat die rassige Samba als Lieblings-Lateintanz auserkoren, „bei Nick ist es da eher die Rumba“.
Online-Schulungen können reales Training nicht ersetzen
Es ist keine einfache Zeit, wenn man mit einer solchen Leidenschaft Sportler durch und durch ist, wegen der Pandemie aber auf Wettbewerbe, auf große Auftritte vor Publikum verzichten muss. „In Sachen Tanzturniere sind wir beide momentan völlig auf Entzug“, gibt Michele Mühlig zu. Die ab und zu angebotenen Online-Kaderschulungen, bei denen international anerkannte Trainer quasi Tipps aus erster Hand geben, sind durchaus hilfreich - doch die emotionalen, von Musik getragenen Momente auf dem Parkett vor so vielen neugierigen, begeisterten Augen sind nicht zu ersetzen. Nachdenklich stimmt die Wittenerin, dass so viele Amateurpaare seit Monaten zwangsweise pausieren müssen, da sie keinen Kaderstatus genießen. „Ich frage mich wirklich, warum andere Paare nicht für sich alleine trainieren dürfen“, sagt Michele Mühlig.
Viel Organisations-Talent ist derzeit für die Deutschen Meister in der Kombination (zehn Tänze), Virginia Lesniak und Philip Andraus, gefragt. In der Regel trainiert das Paar in der Landeshauptstadt Düsseldorf, weil auch dort ein NRW-Stützpunkt angesiedelt ist. „Ab und zu fahren wir aber auch nach Wiesbaden zum Training“, berichtet die Wittenerin, die in der Polizei-Ausbildung (bis bis September 2022) steckt. Ständig geht daher auch der Blick auf die jeweiligen Corona-Regelungen vor Ort.
Intensive Arbeit an neuen Choreografien
„Wir arbeiten derzeit auf die Turniere hin, die hoffentlich irgendwann mal wieder stattfinden können - vielleicht ja schon ab Mai oder Juni, zumindest im kleineren Rahmen“, sagt die 26-Jährige. Was die Trainingsarbeit derzeit umfasse? „In den Lateintänzen vertiefen wir momentan die Technik, im Bereich Standard arbeiten wir an neuen Programmen.“ Schließlich wird bei einem auch international bekannten Paar - Andraus/Lesniak vertraten Deutschland 2019 bei der Welt- und Europameisterschaft - schon von Seiten der Wertungsrichter darauf geachtet, dass neue Elemente, neue Schrittfolgen auftauchen als in den gewohnten Choreographien. „Man nimmt sich jetzt viel Zeit, die man sonst wegen der ständig anstehenden Turniere gar nicht so hat.“
Das Online-Kadertraining sei nicht so wirklich ihr Ding, wie sie gerne zugibt - dennoch gehört es dazu. Mit einem speziellen Trainer arbeiten die Deutschen Meister ganz gezielt auch an der Athletik. „Man will ja fit und beweglich bleiben, das kann nie schaden.“ Nachdem die nationalen Titelkämpfe im Vorjahr wegen Corona ausgefallen waren, hoffen Andraus und Lesniak jetzt darauf, dass sie am 13. November in Stuttgart bei der DM antreten können. „Da wollen wir unseren Titel in der Kombination verteidigen, ganz klar“, so die 26-Jährige. Auch die DM-Turniere in Standard und Latein sind fest verankert im Terminkalender des Tanzpaares. Immerhin soll die Latein-DM am 30. Oktober in der Kamener Stadthalle (Ausrichter: TSC Dortmund) stattfinden. Ein solches Heimspiel, dann am liebsten mit vielen eigenen Fans, wäre das Tüpfelchen auf dem i - selbst wenn Andraus und Lesniak dort nicht zum engsten Favoritenkreis zu zählen sind.