Gelsenkirchen-Buer. Eigentlich hätte am Wochenende das traditionelle Pfingstturnier bei der SSV Buer stattfinden sollen. Dem Klub startet die Aktion Rothosen-Retter.

Während der Corona-Zeit ruht in den Vereinen zwar der Sportbetrieb und die SSV musste ihre traditionsreichen Nachwuchsturniere absagen. Auch das Pfingstturnier, das für das vergangene Wochenende geplant war, konnte nicht stattfinden. Von Stillstand kann allerdings trotzdem keine Rede sein.

Mit welchen Problemen selbst ein größerer Stadtteilklub wie die SSV Buerzu kämpfen hat, machen Vorsitzender Marcel Denneborg und die im Vorstand für Sponsoring und Öffentlichkeitsarbeit zuständige Andrea Weichert im Interview mit der WAZ deutlich.

Herr Denneborg, die SSV Buer hat die Aktion Rothosen-Retter gestartet. Geht es dem Verein wirklich so schlecht?

Marcel Denneborg: Nein, definitiv nicht. Ich glaube, dass wir in den vergangenen Jahren gut gearbeitet haben und uns deshalb über Wasser halten können. Allerdings: Die Jugendarbeit muss natürlich auch nach Corona weitergeführt werden. Und da sehe ich Probleme. Die Frage ist: Was kommt noch alles auf uns zu, wann geht es weiter, wann kommen wir wieder in den Trainingsbetrieb? Uns fehlen Einnahmen, es kommen ja momentan keine Gelder rein. Andererseits muss die Bewirtschaftung der Sportanlage weitergehen. Und wenn wir die Sportanlage nicht pflegen, würde es dort schlimm aussehen.

Die SSV musste ihre traditionsreichen Nachwuchsturniere absagen. Welche wirtschaftlichen Folgen hat das für den Verein?

Denneborg: Von den Einnahmen, die wir bei diesen Turnieren erzielen, leben wir das gesamte Jahr. Das betrifft nicht nur den Senioren-, sondern auch den Juniorenbereich. Die finanziellen Einbußen, die wir in diesem Jahr erleiden, wollen wir natürlich auffangen.

Kann man diese Einbußen in Zahlen ausdrücken?

Denneborg: Ich gehe davon aus, dass die SSV Buer in diesem Jahr umsatzmäßig auf einen fünfstelligen Betrag verzichten muss.

Wie wollen Sie diesen Verlust auffangen?

Denneborg: Die Kosten für unsere Spieler und für unsere Trainer wurden reduziert. Darüber hinaus haben wir mit unseren Angestellten gesprochen. Einige von ihnen sind sogar bereit, ehrenamtlich, also ohne ein Entgelt, für den Verein weiterzuarbeiten.

Muss der Gürtel für die Fußball-Landesliga-Mannschaft enger geschnallt werden?

Denneborg: Nein, definitiv nicht. Der Gürtel wurde schon letztes Jahr enger geschnallt, was jedoch nicht aufgrund eines finanziellen Engpasses geschah. Unser Ziel ist es, unsere eigene Jugend mitzunehmen und für die erste Mannschaft aufzubauen. Diese soll meiner Meinung nach zum größten Teil aus „Eigengewächsen“ bestehen, die sich mit dem Verein identifizieren und die hier groß geworden sind. Der Grundstein hierfür wurde bereits 2019 gelegt.

Und in diesem Jahr holen Sie mehrere Jungs aus der eigenen, in die Landesliga aufgestiegenen A-Junioren-Mannschaft hoch.

Denneborg: Das ist richtig und das finde ich enorm. Natürlich spart man auch da Geld, denn ein 18-Jähriger bekommt für seine erste Saison im Seniorenbereich weniger als ein 30-Jähriger, der während seiner Karriere schon einiges erreicht hat.

Kann es sein, dass die SSV Buer im späteren Verlauf dieses Jahres eines der ausgefallenen Turniere nachholen wird?

Denneborg: Eher nicht, wir hatten anfangs über eine Corona-Abschlussparty nachgedacht. Aber es ist doch gar nicht absehbar, wann dieses Virus weg ist. Und ganz ehrlich: Wer stellt sich gerne hier hin und versucht, mit einer Maske seine Bratwurst zu essen? Alles schwierig auf einem Sportplatz.

Wird das Vereinsleben nach Corona wieder so sein wie vor Corona?

Andrea Weichert: Das gesellschaftliche Miteinander wird, so glaube ich, noch stärker zum Ausdruck kommen, denn es ist ja in dieser Zeit gänzlich verloren gegangen oder reglementiert worden.

Welche Lehren ziehen Sie aus der Corona-Krise?

Weichert: Gute Frage, die zu beantworten verdammt schwierig ist. Grundsätzlich hat Corona eine Auswirkung auf den Sport, und zwar in der Form, dass es um die Gesundheit geht. Corona ist etwas, das dem Sport schadet. Ich kann mir vorstellen, dass der Breitensport nach Corona einen positiven Zulauf haben wird ...

Weil die Leute danach lechzen, wieder Sport treiben zu dürfen?

Weichert: Richtig. Und weil sie sich einfach gesund und fit halten wollen.

Wird die SSV Buer das stemmen können? Oder wird der Verein sein Angebot nicht mehr an alle Kinder richten können?

Spendenaktion soll 4728 Euro einbringen

„Rettet die Rothosen!“ So nennt sich das Projekt, das die SSV Buer ins Leben gerufen hat. Mit einer Spende von Mitgliedern und Freunden des Vereins hofft die SSV Buer, ihrer 113-jährigen Geschichte auch nach Corona noch weitere Kapitel hinzufügen zu können. Ab einer Spende von 15 Euro gibt es das T-Shirt „Rothosenretter“ und ab 20 Euro die Tageskarte zum ersten Heimspiel nach Corona obendrauf.

Die Bueraner visieren eine Spendensumme von 4728 Euro an. Sollte dieser Betrag bis zum 5. August nicht erreicht werden, erhalten alle Einzahler ihr Geld zurück.

Denneborg: Schwierig. Das konnten wir schon vor Corona nicht mehr. Dem Zulauf, den die SSV Buer hat, können wir gar nicht gerecht werden. Hier spielen zum Beispiel fünf D-Junioren-Mannschaften und es gibt trotzdem noch 50 bis 100 Kinder, die in dieser Altersklasse gerne für uns spielen würden. Aber irgendwann sind die Kapazitäten erreicht. Wir haben leider im Winter nur zwei Plätze, im Sommer drei, wir schaffen es nicht mehr. Wir sind mittlerweile mit sechs Mannschaften auf einem Platz. Wenn man unseren Trainingsplan sieht, besteht keine Möglichkeit aufzustocken.

Konzentriert sich die SSV auch künftig nur auf Fußball und Tennis?

Denneborg: Wir machen uns Gedanken darüber, das Sport-Angebot der SSV Buer über den Fußball und Tennis hinaus zu erweitern. Denn: Wir müssen uns für das Umfeld in Buer öffnen, wir müssen Sportarten anbieten, die woanders nicht so oft angeboten werden. Wir sind in dieser Hinsicht in ersten Gesprächen mit Gelsensport und auch mit dem Rad-Club aus Buer …
Weichert: … und wurden dabei von Corona etwas ausgebremst.

Mit Trainings-Challenges und Turnierzeitschrift das Miteinander fördern

Kinderschminken, Musikauftritte, Kletterparcours: Andrea Weichert hatte erneut ein buntes Rahmenprogramm für das Pfingstturnier der SSV Buer auf die Beine gestellt. Im Kurzinterview erklärt die 56-jährige, warum ihr diese Veranstaltungen so wichtig sind und wie der Klub das Miteinander in Corona-Zeiten aufrechterhält.

Frau Weichert, wie hätte das Rahmenprogramm für das Pfingstturnierursprünglich ausgesehen?

Andrea Weichert: Wir hatten in Zusammenarbeit mit unseren Kooperationspartnern viele Aktionen geplant. Die Arbeiterwohlfahrt hätte beispielsweise Kinderschminken angeboten, die Manuel-Neuer-Stiftung wollte in den Bäumen unserer Sportanlage einen Kletterparcours aufbauen und die Kinder der KiTa Niefeldstraße hätten das Programm musikalisch begleitet. Das alles fällt jetzt leider aus.

Was ist Ihnen an diesen Veranstaltungen abseits des Fußballplatzes so wichtig?

Weichert: Grundsätzlich geht es uns darum, alle Gäste ins Turnier einzubinden. Ich kenne das selbst: Als mein Sohn zum ersten Mal hier teilgenommen hat und ich noch nicht im Vorstand war, haben die Spiele stattgefunden und ich habe mich gelangweilt (lacht). Am wichtigsten ist uns aber, dass wir das gesellschaftliche und interkulturelle Miteinander fördern. Auch hier in Buer leben viele Menschen mit Migrationshintergrund. Ich sehe es deshalb als unsere Aufgabe an, diese Vielfalt zu fördern, unabhängig von Nationalität, Herkunft, mit oder ohne Handicap. Wo sonst können Hemmschwellen und Barrieren leichter abgebaut werden als bei Spiel und Sport?

Sonderausgabe erhältlich

Die Sonderausgabe der Turnierzeitschrift ist ab dieser Woche gegen eine Schutzgebühr von 1,50 Euro in den Geschäften im Buerschen Stadtgebiet erhältlich.

Auch ein Versand gegen eine zusätzliche Portogebühr von 1,55 Euro ist möglich. Anfragen an sponsoring@ssvbuer.de .

Wie halten Sie dieses Miteinander auch jetzt in Corona-Zeiten aufrecht?

Weichert: Das ist natürlich schwierig, denn die dafür notwendigen Begegnungen fallen weg. Trotzdem sind viele unserer Teams kreativ geworden und haben zum Beispiel Trainings-Challenges per Video gestartet. Bezogen auf den Gesamtverein ist die Sonderausgabe unserer Pfingstturnier-Zeitschrift ein weiteres Zeichen dafür, dass die SSV Buer eine große Familie ist, die auch jetzt zusammenhält. Die Kinder und Jugendlichen freuen sich ja immer sehr, wenn sie sich in der Turnierzeitschrift wiederfinden. Da sie wegen des ausgefallenen Turniers ohnehin schon gebeutelt sind, war es uns umso wichtiger, trotzdem eine Zeitschrift zu gestalten.