Neviges. Die Sportfreunde stehen am Tabellenende der Kreisliga B. Doch der Klub befindet sich im Aufbruch, scheint die Talsohle durchschritten zu haben
Der Blick auf die Tabelle gleicht einem Schreckensszenario: 22 absolvierte Spiele, vier Punkte und ein Torverhältnis von Minus 115! Es bleibt kein Zweifel: Rein sportlich hätten die Fußballer der Sportfreunde Siepen, die diese Bilanz vorzuweisen haben, einen Abstieg in die Kreisliga C verdient. Sechs, setzen, mag der eine oder andere denken.
Allerdings sind die nackten Zahlen nicht die ganze Geschichte. Denn im Siepen an der Hohenbruchstraße, drohte der Super-GAU.
„Der Verein sollte im vergangenen Sommer abgemeldet werden“
Der Verein hing am Tropf, die Maschinen waren kurz davor ausgeschaltet zu werden. „Der Verein sollte im vergangenen Sommer abgemeldet werden“, sagt Tim Zimmermann, der heute Geschäftsführer bei den Sportfreunden ist. Die Gebühr und die Pflege des Platzes konnte der Klub einfach nicht mehr bezahlen. Eigentlich war es schon beschlossene Sache, ehe ein Spieler der ersten Mannschaft mit seinem Meister gesprochen hat, der auch im Rat der Stadt Velbert sitzt und der sich für den Verein einsetzte.
„So wurde alles wieder zurückgesetzt. Allerdings war der 30. Juni dann schon vorbei und viele Spieler hatten sich andere Vereine gesucht. Wir hatten keine Mannschaft“, erinnert sich Zimmermann.
Die Kreisliga B wurde somit zu einem schier unerklimmbaren Berg. Und den sollten Spieler hochklettern, die lange keine Wettkampferfahrung mehr hatten, denen es mal hier zwickt und mal da weh tut. „Wir haben viele der alten Herren reaktiviert. Auch ich stand mit meinen 46 Jahren wieder auf dem Platz. In einem Spiel habe ich nach links geguckt und gedacht, unsere linke Seite ist gefühlt zusammen 99 Jahre alt“, sagt Zimmermann und lacht.
Mehrfach zweistellig verloren
Ganz so viele Greise sind es nicht, die für Siepen in der B-Liga die Knochen hinhalten. Jedoch gehört man mit 30 Jahren, die beim Überschreiten für einen Fußballer oft den Herbst der eigenen Karriere einleiten, bei den Sportfreunden eher noch zu den jungen Hüpfern.
So war es nicht überraschend, dass der Saisonstart ordentlich in den Sand gesetzt wurde. Nach einer knappen Niederlage gegen den SC Sonnborn II folgte die erste herbe Klatsche gegen den Langenberger SV. Die Langenberger SG, der ASV Mettmann II, der FC Langenberg, der TSV Gruiten, die Sportfreunde Dönberg II und Sonnborn II im Rückspiel erzielten sogar eine zweistellige Anzahl an Toren.
Nur in einer Partie, war alles anders. Gegen Germania Wuppertal II gelang den Sportfreunden der einzige Saisonsieg, den Zimmermann humorvoll mit den Worten „auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn“ bezeichnet.
Es ist kein Geheimnis, Siepen war ein gefundenes Fressen für die gegnerischen Teams. Auf dem Präsentierteller, garniert mit einem offenen Scheunentor. Doch der Klub hielt zusammen. „Der Teamgeist war die ganze Zeit in Ordnung. Jeder hat sich reingehangen und wusste, dass es nicht besser geht“, so Zimmermann.
Wendepunkt im Winter
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Und dann kam der Winter, der so etwas - so hofft es Zimmermann - wie der Wendepunkt sein soll, die Talsohle war erreicht. „Ab da haben wir uns gefangen und die Ergebnisse sind auch besser geworden. Nun blicken wir zuversichtlich in die Zukunft. Es sind ein paar neue gekommen, der jetzige Kader ist schon zu etwas anderem fähig, als es die Tabelle aussagt. Wir sind in der Rückrunde eine andere Mannschaft.“
Als ein Indiz hierfür kann das 1:1-Remis gegen die Langenberger SG herhalten, im Hinspiel setzte es noch eine 1:12-Ohrfeige. Der Abstand auf den ersten Rang, der nicht den direkten Abstieg bedeuten würde, liegt dennoch bei 16 Zählern.
Für Zimmermann „nicht uneinholbar, auch wenn es mit sehr viel Optimismus verbunden wäre.“ Zur großen Aufholjagd wird es aber wohl nicht kommen, die Sportfreunde bleiben wie alle anderen Vereine auch an der roten Ampel des Coronavirus stehen - und haben somit plötzlich eine mehr als realistische Chance auf den Ligaverbleib.
Tischtennisabteilung reaktiviert
„Auch wenn wir es sportlich nicht verdient hätten, würden wir es dankend annehmen“, so Zimmermann, der nun mit dem neuen Vorstand daran arbeitet, die Sportfreunde wieder auf gesunde Beine zu stellen.
„Wir müssen eine vernünftige Basis aufbauen. Das Potenzial, die Anerkennung und die Unterstützung der Stadt sind da. Wir haben vier Wochen vor Corona unsere Tischtennisabteilung reaktiviert und eine Mannschaft für die neue Saison gemeldet. In der Fußballabteilung sind wir dabei, eine Struktur zu schaffen, um den Eindruck zu vermitteln, dass hier seriös gearbeitet wird“, so Zimmermann.
Denn zwei Probleme sorgen aktuell und wohl auch in der nahen Zukunft noch dafür, dass die Sportfreunde Siepen etwas wacklig auf den Beinen bleiben: Der Ascheplatz sowie die fehlende Jugendabteilung. Zimmermann und sein Team jedenfalls packen genau dort an, doktern herum. Aktuell wegen des Coronavirus noch mit Mundschutz - und möglichst bald wieder mit Stollen unter den Fußballschuhen.
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