Velbert. Cellou Diallo kommt aus Guinea und spielt bei der SSVg Velbert. Als er 16 Jahre alt ist, trifft er eine Entscheidung, die sein Leben verändert hat.
Mit 16 Jahren haben Jugendliche viel im Kopf. Die erste Liebe, das Ausgrenzen der eigenen Grenzen und der der Eltern oder das Finden einer Leidenschaft. Es ist eine Phase des Umbruchs. Oder - wie im Fall von Cellou Diallo - eine Phase des Aufbruchs.
Diallo wurde in Guinea geboren, in der kleinen Stadt Yembering-Mali. Sein Leben verläuft anders als das der Kinder in Deutschland. Eine Sache eint viele Jungs aber über alle Kilometer hinweg: der Traum des Profifußballers.
Von Guinea bis nach Deutschland
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„Es ging um die Hoffnung, Fußball spielen zu können. In Afrika war das etwas schwierig. Das Sportliche war der Grund“, sagt der heute 24 Jahre alte Mittelfeldspieler der SSVg Velbert. Also machte er sich 2012 auf den Weg nach Europa, teilweise zu Fuß, teilweise mit dem Auto durchquerte er Land für Land, bis er an der Küste Marokkos ankam und das Mittelmeer vor ihm lag.
Es war eine schwierige Entscheidung, die Diallo zu treffen hatte. Doch er war schon weit gekommen, es gab kein Zurück mehr. Von einem Freund lieh er sich Geld und bezahlte einen Schlepper, mit dem Boot ging es über das Meer bis nach Malaga. Über 4000 Kilometer hatte der Jugendliche zurückgelegt. Zum Vergleich: Moskau ist von Velbert knapp 2300 Kilometer entfernt.
Doch in Spanien wurde Diallo nicht glücklich. „Es war eine schwierige Zeit. Aber darüber möchte ich nicht so viel reden. Sonst erinnere ich mich nur an viele Situationen, bei denen ich weinen könnte“, sagt der Fußballer. Vier Monate lang blieb er auf der iberischen Halbinsel, verdiente etwas Geld mit dem Waschen von Autos - und kaufte sich davon ein Zugticket nach Deutschland. Es ging nach Stuttgart, nach Dortmund und dann nach Schieder-Schwalenberg im Kreis Lippe. Dort half der Zufall Diallo.
Der Durchbruch beim SV Rödinghausen
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Er lernte in einem Internetcafé Haydar Özdemir kennen, der den B-Ligisten TSC Steinheim trainierte. Özdemir lud ihm zum Fußballspielen ein, Diallo folgte dem Ruf und zeigte sofort, dass er zu gut für die Kreisliga war. „Ich kannte damals keinen. Es war durch den Fußballer einfacher, anzukommen. Und das Tempo in der Liga war nicht so schnell, da konnte ich gut spielen, glücklich sein und viele Tore schießen“, erinnert sich Diallo.
Sein Talent erkannte auch Özdemir, der ihm 2015 ein Probetraining beim SV Rödinghausen verschaffte. Wieder überzeugte Diallo und bekam einen Vertrag, der ihm zugleich eine Spielberechtigung des DFBs und eine eigene Wohnung anstatt einer Flüchtlingsunterkunft brachte. Er spielte viel in der Regionalliga, trotzdem ging er zunächst zum FC Nieheim in die Bezirksliga, dann zum SC Paderborn II in die Oberliga, zum SC Verl in die Regionalliga und zur SG Wattenscheid, bei der er vor dem Rückzug des Traditionsklubs Stammspieler war.
Insolvenz der SG Wattenscheid, Neuanfang bei der SSVg Velbert
In der Zeit in Bochum begann er auch eine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann, welche schlussendlich auch entscheidend dafür war, dass Diallo seine neue sportliche Heimat in Velbert fand und dafür Angebote des TuS Haltern am See und der Spielvereinigung Vreden ausschlug. „Ich hatte viele Angebote“, verrät Diallo. „Eigentlich wollte ich zu Rot-Weiß Erfurt wechseln aber das war weit weg und ich habe damals schon mitbekommen, dass es dem Verein finanziell nicht gut geht.“ Mittlerweile hat RW Erfurt Insolvenz angemeldet und Diallo ist glücklich bei der SSVg.
„Ich habe den Riesen-Vorteil, hier meine Ausbildung zu Ende machen zu können. Das ist wichtig, man weiß ja nie, was danach kommt. Wenn ich die Ausbildung in eineinhalb Jahren fertig habe, kann ich immer noch gucken, ob ich in der Regionalliga spielen kann“, blickt Diallo voraus und hofft, dass er sich dieses sportliche Ziel mit der SSVg Velbert erfüllen kann: „Dafür gebe ich alles.“
„Ein Paradebeispiel für gelungene Integration“
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Im Klub sind sie absolut glücklich, dass Diallo den Weg in den Verein gefunden hat. Sportlich, wie menschlich. „Cellou hat in seinen jungen Jahren schon viel erlebt und sich bis jetzt alles erarbeitet. Er ist ein sympathischer Mann mit einem tollen Charakter, der auch fußballerisch noch viel Potenzial besitzt. Aber auch außerhalb des Vereinsleben hat sich Cellou bestens in Deutschland eingelebt. Man kann definitiv behaupten, dass er ein Paradebeispiel für gelungene Integration ist“, sagt Oliver Kuhn, der Vorsitzende des Vereins.
Sein Trainer Marcus John ergänzt: „Er ist ein sehr offener, kommunikativer Typ. Ich habe ihn noch nie mit schlechter Laune gesehen. Er passt charakterlich sehr gut bei uns rein.“ Und auch sportlich scheint er ein wichtiges Puzzleteil zu sein, in vier Einsätzen erzielte er drei Tore, bevor das Coronavirus den Spielbetrieb lahmlegte. „Er kann sowohl im Zentrum spielen, als auch auf dem Flügel, ist enorm schnell und dribbelstark, hat eine gute Technik“, beschreibt John die Qualitäten Diallos.
„Man weiß im Fußball nie, wo man morgen ist“
Diallo selbst bereut den Schritt nach Velbert keineswegs. „Ich habe hier super Leute kennengelernt. Bevor ich unterschrieben habe, hat mir Oliver Kuhn gesagt, ich werde in Velbert glücklich sein. Und er hatte Recht.“
Wohin sein Weg führt, weiß er selbst nicht. „Ich bin nun 24 Jahre alt. Ich will mein Ziel nie verlieren, man weiß im Fußball nie, wo man morgen ist. Es gibt viele Beispiele, die auch mit Mitte zwanzig plötzlich Profi geworden sind. Kai Pröger beim SC Paderborn zum Beispiel oder Marius Bülter. Mit ihm habe ich in Rödinghausen zusammengespielt und nun ist er bei Union Berlin Stammspieler. Mein Ziel ist es, so hoch wie möglich zu spielen.“
Dass er bereit ist, für seinen Weg viel zu opfern, hat er eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Seitdem er 16 Jahre alt ist.
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