Mülheim. Nach vier Jahren und zwei Meistertiteln geht HTCU-Trainer Schlingemann. Er findet bewegende Worte – eines konnte der Klub ihm aber nicht bieten.
Bevor Omar Schlingemann im Sommer 2016 von Schwarz-Weiß Neuss zum HTC Uhlenhorst wechselte, wollte er eigentlich als Trainer aufhören und sich ganz auf den Beruf konzentrieren. „Bei uns in Holland sagt man: Wenn Uhlenhorst anfragt, dann sagst du nicht nein“, sagte der heute 42-Jährige damals. Der Rest ist Geschichte.
Zweimal führte Schlingemann die Mülheimer zum deutschen Meistertitel auf dem Feld – erlöste Uhlenhorst von der großen Sehnsucht nach 21 titellosen Jahren. Jetzt verlässt er den Klub schweren Herzens und wechselt zum niederländischen Erstligisten HC Klein Zwitserland.
Schlingemann findet in den Niederlanden die gewünschte Planungssicherheit
Die Gründe für Schlingemanns Abschied sind einfach zu erklären: „Ich wollte Planungssicherheit haben. In Mülheim hätte ich für ein Jahr unterschreiben können, in Holland habe ich einen Vertrag über zwei Jahre mit der Option für ein drittes Jahr bekommen.“ Auch wegen der aktuellen Corona-Krise war Schlingemann, der neben seiner Trainertätigkeit für das Essener Trainingszentrum „Fusion5 Performance“ arbeitet, an einem langfristigen Engagement gelegen.
Das konnten ihm die Mülheimer nicht bieten. „Von uns aus hätte es noch drei oder fünf Jahre weitergehen können. Nur können wir das nicht sichern“, sagt Hanns-Peter Windfeder, Präsident des HTC Uhlenhorst. In Mülheim schauen sie von Jahr zu Jahr. Erst recht, da mit Natsu der Trikotsponsor zur kommenden Saison aussteigt. „Omar hatte den Sponsor mitgebracht, die Laufzeit war von Anfang an auf drei Jahre fixiert. Die sind nun abgelaufen“, erklärt Windfeder.
Mannschaft hat sich für ihren Trainer stark gemacht
Am finanziellen hat es aber letztlich weniger gelegen, dass Schlingemann dem Verein den Rücken kehrt. Die Dauer des Vertrages war ausschlaggebend. Da konnte es ihn auch nicht mehr umstimmen, dass sich die Mannschaft bis zuletzt für seinen Verbleib eingesetzt hat. „Mit jedem einzelnen Spieler verbindet mich eine unglaubliche Geschichte. Eigentlich will ich meine Jungs nicht verlassen. Was sie für mich gemacht haben, werde ich nie vergessen“, so der Niederländer, der nachschiebt: „Ich wollte mein Leben lang am Uhlenhorst bleiben.“
Vom ersten Moment an habe er die „Wärme des Vereins gespürt“, blickt Schlingemann zurück. Am Tag seines Geburtstages hätte die erste Auswärtsfahrt für ihn als Trainer mit den Mülheimern angestanden. „Da hat Corinna Windfeder mir eine große Torte gebacken“, so Schlingemann. Bevor es zum Final Four ging sei es Tradition gewesen, gemeinsam Pulled Pork zu essen.
Einen ganz besonderen Moment habe er zudem am Abend vor dem ersten Titelgewinn 2018 gegen Rot-Weiss Köln erlebt.
Uhlenhorst ist für Schlingemann mehr als nur ein Verein
„Christian Windfeder stand mit Tränen in den Augen vor mir, hat mich umarmt und mir gesagt, dass wir den Titel morgen holen müssen. Diesen unbedingten Willen im Verein zu sehen hat mich so motiviert. Und als wir dann gewonnen haben, und ich ihn gesehen habe – da bekomme ich heute noch Gänsehaut“, beschreibt Schlingemann, was Uhlenhorst Mülheim für ihn bedeutet. Im Moment des größten Erfolges war Übungsleiter ein stiller Genießer.
Er stand einige Meter abseits der Jubeltraube, schaute sich das Treiben an. Erinnerungen an Franz Beckenbauer wurden wach, der nach dem WM-Sieg der deutschen Fußballnationalmannschaft 1990 alleine über den Rasen der Olympiastadions von Rom schritt. „Der Titel ist für die Jungs und für den Verein. Ich habe sie als Trainer begleitet und versucht, sie so zu führen, dass wir unsere Leistung bringen“, sagte der niederländische Meistertrainer im Juni 2018.
Sein neuer Verein, der HC Klein Zwitserland bei Den Haag, sei ähnlich gestrickt wie der HTC Uhlenhorst. „Es ist ein stolzer Traditionsverein, der von 1977 bis 1984 achtmal in Folge niederländischer Meister war, dann aber bis in die dritte Liga abgestürzt ist“, so Schlingemann. Unter dem Argentinier Carlos Castaño gelang der Durchmarsch von der dritten bis in die erste Liga. Mit Schlingemann soll im dritten Jahr der Erstklassigkeit der nächste Schritt gemacht werden, mittelfristig ist das FinalFour das Ziel.
Rückkehr zur den familiären Wurzeln
Für den Uhlenhorster Meistertrainer ist es auch eine Rückkehr zu den Wurzeln. Zwar ist er selbst in Utrecht aufgewachsen, seine Familie kommt aber ursprünglich aus Den Haag, der Heimat des HC Klein Zwitserland. „Meine Familie hat dort Hockey gespielt“, sagt Schlingemann. Er möchte nun den nötigen Schwung mitbringen, um mit dem Verein den nächsten Schritt zu machen.
Durch den Wechsel ist er auch wieder näher dran an seiner Familie. „Meine Mutter lebt in Holland und auch deshalb war es mir wichtig, den nächsten Schritt zu machen“, sagt Schlingemann. Auch für Hanns-Peter Windfeder ist das nachvollziehbar. „Es geht eine Zeit zu Ende und das bedauern wir sehr. Aber es ist doch auch klar, dass Omar mit Blick auf seine Karriere aus den zwei Meistertiteln die er hier gewonnen hat, etwas machen möchte.“
Unzählige Erinnerungen an die Uhlenhorster Erfolge
Was bleibt, sind unzählige Erinnerungen, die Schlingemann mit dem Verein verbindet. „Wenn ich an die Finalspiele denke: Timm Herzbruch konnte kaum noch sprechen, so erledigt war er. Aber wenn ich ihn vom Feld genommen hätte, hätte er mir vermutlich in die Fresse geschlagen“, sagt Schlingemann.
Oder Benedikt Fürk, der das 3:2 durch Jan Schiffer gegen Köln nach einem Sprint über das gesamte Feld vorbereitete und in den Schlusssekunden einen hohen Ball einhändig abwehrte. Es sind Momente, die Schlingemann immer wieder vor Augen hat. Er habe seine Mannschaft für diesen unbedingten Siegeswillen, für die Einstellung bewundert.
„Als ich kam, haben wir zu einer talentierten Mannschaft ein paar arrogante Holländer geholt und zwei Kanadier. Die Jungs wollten das so, um diese Uhlenhorst-Atmosphäre zu durchbrechen und noch mehr Wachstum herauszuholen. Und die Jungs haben diese Gelegenheit in beide Hände genommen. Nichts konnte sie schocken“, gerät er ins Schwärmen. Auch im Jahr der Titelverteidigung, als nach einigen Abgängen ein Umbruch anstand. „Dann kommt Julius Meyer zurück zu uns und ausgerechnet er schießt das entscheidende Tor im Finale. Das ist auch eine dieser wahnsinnigen Geschichten.“
Fans wie bei Borussia Dortmund
Ebenso, wenn er an die Fans denkt. „Die sind wie die Ultras von Borussia Dortmund.“ Oder an seinen kongenialen Trainerpartner Johannes Schmitz. „In Holland sagt man wir sind wie zwei Hände auf einem Bauch. Wir haben die Spielphilosophie beide geatmet und wenn etwas schief gelaufen ist die Schuld nie beim anderen sondern beim Problem gesucht, um eine noch bessere Lösung zu finden“, sagt Schlingemann, ohne dabei auch den dritten im Trainer-Bunde, Jonas Termitjtelen nicht zu vergessen. Das Pressing, das die Uhlenhorster spielen, ist längst zum Maßstab der gesamten Liga geworden.
„Wir haben die anderen Mannschaften zum Nachdenken gebracht. Sie mussten sich anpassen, müssen jetzt auch mehrere Systeme spielen, einen Weg finden. Wir haben etwas bewegt, auf das wir stolz sein können. Aber das fängt immer bei der Qualität der Jungs an“, sagt der Trainer.
Mannschaft soll zusammenbleiben
Deshalb hofft Schlingemann auch, dass die Meistermannschaft auch in Zukunft zusammen bleibt. Wer sie dann trainiert, ist noch ungewiss. „Damit werden wir uns zeitnah befassen. Zunächst müssen wir aber Klarheit haben, ob wir die aktuelle Saison wegen des Coronavirus überhaupt zu Ende spielen können“, sagt Hanns-Peter Windfeder.
Eine Entscheidung könnte schon Ende der kommenden Woche fallen.
Mit Blick auf die Schlingemann-Nachfolge stehen die Namen Johannes Schmitz und Thilo Stralkowski hoch im Kurs. Es wäre die nahe liegende und logische Lösung.
Schlingemann schließt Rückkehr nicht aus
Omar Schlingemann wird seinen Wohnsitz in Mülheim derweil behalten – den Verein verlässt er schweren Herzens und mit warmen Worten.
„Wenn ich alt, dick und ohne Haare bin, kann ich mir vorstellen, wieder zu dem Verein zurückzukommen. Ich wollte hier schließlich alt werden. Und wenn ich einmal Kinder habe, möchte ich, dass sie am Uhlenhorst Hockey spielen.“ Denn wenn der Uhlenhorst ruft, sagt man in Holland schließlich nicht nein.