Mülheim. Sportlich steht RW Mülheim in der Bezirksliga gut da, doch im Hintergrund schwelt ein Streit. Worum es geht und wer die Protagonisten sind.

Mit einem 8:1-Kantersieg hat sich Rot-Weiss Mülheim in der Fußball-Bezirksliga am vergangenen Sonntag etwas Luft verschafft. Sechs Punkte stehen nach fünf Spielen zu Buche. Doch das Sportliche droht an der Bruchstraße immer mehr in den Hintergrund zu rücken.

Dabei sollte nach der katastrophalen letzten Saison und dem späten Klassenerhalt endlich Ruhe einkehren. „Eigentlich herrscht ein sehr gutes Klima im Verein. Das Verhältnis zum Beispiel zwischen erster und zweiter Mannschaft ist zur Zeit hervorragend. Und auch in den anderen Teams ist die Stimmung sehr gut“, erklärt Thorsten Ketzer, der als zweiter Geschäftsführer im Vorstand sitzt und bis zuletzt auch als Sportlicher Leiter tätig war.

Rot-Weiss Mülheim: Hakan Katircioglu kehrte im Frühjahr nach Eppinghofen zurück

Er selbst war es, der den früheren RWM-Spieler und Vorsitzenden Hakan Katircioglu an die Bruchstraße zurückgeholt hatte. „Wir hatten damals echt gute Gespräche“, sagt Ketzer. Im April wurde der frühere MFC-Trainer zum zweiten Vorsitzenden für den Bereich Sport gewählt. Neuer erster Vorsitzender wurde Bernd Felsenheim.

Es gab ein neues Konzept mit klaren Zuständigkeiten. „Ich habe mich nur bereit erklärt, wenn wir eine gemeinsame, mittelfristig ausgelegte Vision haben“, so Felsenheim, der für sich die Verlängerung des Pachtvertrages bis 2045 und die Vermarktung der Namensrechte an der Anlage als erste Erfolge für sich in Anspruch nimmt.

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Auch eine sportliche Entwicklung gehörte zu dieser Vision. „Ich habe von vorneherein gesagt, dass ich mit Rot-Weiss früher oder später in die Landesliga will“, betont Katircioglu. Er und der Vereinschef bekräftigen, bei diesem Vorhaben kein Hauruck-Verfahren anwenden zu wollen. Aber beide wollen eine sportliche Entwicklung sehen. „Fünf Jahre lang Platz 13 ist mit uns nicht zu machen“, sagt Felsenheim.

Da zogen noch alle an einem Strang: Hakan Katircioglu (li.), Bernd Felsenheim (2.v.r.) und Thorsten Ketzer (re.) bei der Umbenennung der Anlage in „MWB-Stadion an der Bruchstraße“.
Da zogen noch alle an einem Strang: Hakan Katircioglu (li.), Bernd Felsenheim (2.v.r.) und Thorsten Ketzer (re.) bei der Umbenennung der Anlage in „MWB-Stadion an der Bruchstraße“. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Von einer gemeinsamen Vision ist heute, knapp fünf Monate nach der Wahl, nicht mehr viel zu erkennen. „Es gibt plötzlich ganz andere Absprachen und Ziele. Die andere Seite will einige Schritte überspringen“, sagt Ketzer. Felsenheim kontert: „Uns ist in Teilen des Vorstands keine Transparenz gegeben in Sachen Finanzen rund um den Verkauf bei den Heimspielen.“

Stein des Anstoßes: Hakan Katircioglu bekommt Nicht-Abstiegsprämie

Auch in vielen anderen Bereichen stellen die zerstrittenen Parteien die Dinge höchst unterschiedlich da. Felsenheims Idee eines Beirats sei zum Beispiel überhaupt nicht gut angekommen. „Es wurden sogar Leute aus dem Sponsorenkreis und ehemalige Vorstandsmitglieder vorgeschlagen“, widerspricht Ketzer.

Dass sich die Wege trennen würden, zeichnete sich schon am Ende der vergangenen Saison ab. Vieles begann damit, dass Katircioglu, als er als Trainer für den entlassenen Kim Rolinger einsprang, vom ersten Vorsitzenden eine Nicht-Abstiegsprämie zugesagt bekam.

Kapitän Pierre Hirtz drohte mit Trainingsboykott

Mit der Zeit entstanden immer weitere Konflikte zwischen den beiden Sportchefs – auch mit Blick auf die Kaderplanung. Am vorletzten Montag wurde Ketzer vom Amt des Sportlichen Leiters enthoben. Katircioglu wirft ihm vor, Vorstandsinterna in die Mannschaft getragen zu haben. „Ohne die Zustimmung des gesamten Vorstandes kann niemand seines Amtes enthoben werden“, sagt Ketzer, während Katircioglu eine solche Entscheidung klar seinem Aufgabenbereich zuordnet.

Spielte seine Rolle in den Streitigkeiten des Vorstandes: Kapitän Pierre Hirtz.
Spielte seine Rolle in den Streitigkeiten des Vorstandes: Kapitän Pierre Hirtz. © FUNKE Foto Services | Ant Palmer

Zuvor waren viele Gerüchte kursiert, die zu einer Eskalation der Situation führten. In der Mannschaft gab es Befürchtungen, die neue Führung würde im Winter einen radikalen personellen Umbruch anstreben – was Katircioglu bestreitet. Kapitän Pierre Hirtz rief das Team daraufhin auf, bei einer Vorstandssitzung aufzuschlagen und für Ketzer und Geschäftsführer Jens Staude Stimmung zu machen. Außerdem drohte er mit einem Trainingsboykott.

Unterschiedliche Auffassungen rund um die Suspendierung des Spielführers

Seitdem fehlt Hirtz in den Aufstellungen. „Aber nur, weil er im Urlaub ist, danach wird er ganz normal am Trainingsbetrieb teilnehmen“, bekräftigt Ketzer. Katircioglu hingegen spricht von einer Suspendierung bis zum 30. November. Das blühte wohl auch Robin Wandel, der kurz vor Transferende zum VfB Speldorf floh. „Es wurden leider zu viele falsche Informationen in die Mannschaft getragen“, bedauert Felsenheim. Und Katircioglu fordert: „Die Mannschaft soll sich auf den sportlichen Bereich konzentrieren.“

Wie geht es mit Cvetkovic weiter?

Trainer Thomas Cvetkovic versucht aktuell, bei allen Hintergrundgeräuschen, sich auf seine sportliche Aufgabe zu konzentrieren. Die Ergebnisse sind bislang im Bereich des Erwartbaren.

„Nach jedem Sieg gibt es aber wieder Negativschlagzeilen. Das ist einfach sehr schade“, meinte Cvetkovic, der sich im Übrigen auch gegen eine Suspendierung seines Kapitäns Pierre Hirtz ausgesprochen hat.

Eine Kommunikation mit Hakan Katircioglu und Bernd Felsenheim findet aktuell nicht statt. Um seine Position bangt der Coach aber nicht. „Es ist ja quasi ein Patt im Vorstand. Solange das so ist, mache ich mir eigentlich keine Sorgen“, sagte der RWM-Coach.

Beim Spiel gegen die GSG Duisburg wurde an der Bruchstraße weder verkauft, noch Eintritt genommen. Stattdessen wurden (ebenso beim Spiel gegen Duisburg 08) kritische Plakate aufgehangen. Der Konflikt war für jede Besucherin und jeden Besucher sichtbar. „Die Mannschaft war auch total von der Rolle. Unter normalen Umständen hätten wir das Spiel gewonnen“, ist sich Thorsten Ketzer sicher.

150 Unterschriften: Petition läuft gegen Katircioglu

Im Netz gibt es mittlerweile eine Petition gegen Katircioglu. Dessen „Verhalten gegenüber verdienter Mitglieder ist einfach inakzeptabel, und tritt die Werte unseres Vereins mit Füßen“, heißt es dort. Bis Donnerstag hatten 149 Personen unterschrieben – nach Informationen dieser Zeitung auch mehrere Spieler der aktuellen Mannschaft.

„Selbst im Vorstand wurde dafür Stimmung gemacht“, beschreibt der „Beschuldigte“ die aktuelle Zerrissenheit und ergänzt: „Diejenigen, die Transparente mit ,Wir leben Rot-Weiss’ aufhängen, sollten wissen, dass ich mit Michael Hoge zusammen vor vielen Jahren den Verein gerettet habe, als hier schon alle abschließen wollten.“

Nur eine Neuwahl kann das Chaos jetzt noch auflösen

„Wir sind mit gutem Glauben angetreten, verlieren aber gerade viele“, fasst Bernd Felsenheim zusammen. Noch wollen er und Katircioglu weitermachen – aber auch nur im Doppelpack. Eine Zusammenarbeit mit dem aktuellen Vorstand wird es wohl nicht mehr geben, das bestätigen beide Seiten. „Unser Ziel ist es nun, eine Neuwahl hinzubekommen“, sagt Thorsten Ketzer.

Und das alles nur fünf Monate nach der letzten Wahl …