Mülheim. Die Olympischen Spiele finden nicht im Sommer 2020, sondern im Sommer 2021 statt. Bei Mülheims Sportlern sorgt das für gemischte Gefühle.
Die Meldung war am frühen Dienstagnachmittag keine große Überraschung mehr. Die Olympischen Spiele finden nicht wie geplant im Sommer 2020, sondern erst im Jahr 2021 statt.
Für Mülheims Spitzensportler, die sich Hoffnungen auf einen Teilnahme in Tokio gemacht haben, hat das Konsequenzen. Auch wenn alle die Entscheidung richtig finden, weckt sie doch gemischte Gefühle.
Yvonne Li hatte schon zuvor Zweifel
Schon bevor die Spiele am Dienstag verschoben wurden, hatte sich Badminton-Ass Yvonne Li besorgt geäußert. „In der jetzigen Situation Olympia stattfinden zu lassen wäre meiner Meinung nach ein völlig falsches Signal an die Weltbevölkerung gewesen, da bei den Spielen Menschen aus aller Welt zusammenkommen um sich bei einer großen Sportveranstaltung friedlich miteinander zu messen“, sagte die Deutsche Meisterin.
Sie machte deutlich, was sie von einer Austragung im Jahr 2020 gehalten hätte: „Das Image der Spiele wurde in der Vergangenheit immer wieder durch scharfe Kritiken angegriffen, die Wahrscheinlichkeit wäre groß gewesen, dass negative Schlagzeilen ins Unermessliche gestiegen wären und es viele Proteste gegeben hätte“, so Li.
Sportler wollen nicht zum Symbol der Wirtschaft werden
Die deutsche Nummer eins betonte: „Ohne finanzielle Unterstützung lässt sich eine Großveranstaltung nicht durchführen, trotzdem wollen wir Sportler nicht zum Symbol der Wirtschaft und des Geldes missbraucht werden, das über jegliche Vernunft und Gesundheit steht. Wir wollen Vorbilder in der Gesellschaft sein, auch wenn es besonders für uns schmerzhaft ist für eine Verschiebung aufzurufen, denn die Arbeit die wir tagtäglich in unsere sportliche Leistung reinstecken, kann man sich als Nicht-Leistungssportler kaum vorstellen.“ Aus dieser Verantwortung wurden die Sportler durch die Entscheidung des IOC jetzt entlassen.
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„Wer hätte das Anfang des Jahres gedacht? Aber auch die Qualifikation wäre jetzt nicht mehr fair verlaufen“, sagte Li, die das Olympiaticket schon fast sicher in der Tasche hatte. Wie es damit nun aussieht, steht noch nicht fest. „Ich weiß noch nicht, ob ich mental bereit bin, dass alles noch einmal ein Jahr lang durchzuziehen. Es wäre schon hart, wieder von vorne anfangen zu müssen“, so Li. Im Gegensatz zu manch anderem Sportler hätte sie aber so oder so nach den Olympischen Spielen weitergemacht. „Für diejenigen, für die die Karriere nach Tokio beendet gewesen wäre, ist es nun bestimmt eine große Umstellung“, vermutet Li, die derzeit zuhause trainiert. „Man mutiert ein bisschen zu einem Leichtathleten“, hat sie den Humor aber noch nicht verloren.
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Gesundheit steht für die Mülheimer Sportler im Vordergrund
Um die Vorbereitung trotzdem so gut wie möglich absolvieren zu können, hatte sich Hockey-Nationalspielerin Maike Schaunig vom HTC Uhlenhorst extra noch ein Stück Kunstrasen von ihrem Heimatverein TV Jahn Hiesfeld besorgt. Kurz nach der Entscheidung des IOC, die Spiele um ein Jahr zu verschieben, versuchte sie ihre Gedanken in Worte zu fassen.
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„Irgendwie bin ich zwigespalten. Auf der einen Seite ist es die richtige Entscheidung, weil die Gesundheit vorgeht, auf der anderen Seite haben wir uns vier Jahre darauf vorbereitet und uns, je näher die Spiele kamen, immer mehr darauf gefreut, die Chance nutzen zu können. Einige von uns haben sich extra Urlaubssemester genommen, man hat über all die Jahre sehr, sehr viel investiert. Auch privat viel zurückgesteckt, um egal ob im Verein oder mit der Nationalmannschaft immer zu trainieren. Deshalb ist das Gefühl momentan noch nicht so schön“, sagte Schaunig.
Verschiebung war im Team bereits ein Thema
Aber auch schon bevor das IOC nun die Reißleine zog hatten sich die Abwehrspielerin und ihre Teamkolleginnen mit dem Thema beschäftigt. „Wir hatten uns auch intern schon Gedanken gemacht und hätten uns in den kommenden Wochen wohl für eine Verschiebung ausgesprochen. Auch in den kommenden Tagen werden wir mit dem Bundestrainer im Kontakt bleiben und wohl mal eine große Telefonkonferenz machen“, so die Uhlenhorster Kapitänin.
Immerhin: Ihr Studienplan ist durch die Verschiebung nicht durcheinander gewirbelt: „Für mich persönlich ist es studientechnisch zum Glück nicht so problematisch. Ich habe jetzt noch etwas mehr Zeit für meine Bachelorarbeit und habe die nach dem Sommersemester dann hoffentlich fertig.“
Timm Herzbruch ist erleichtert, dass nun Klarheit herrscht
Ähnlich wie Maike Schaunig sieht es auch ihr Uhlenhorster Vereinskollege Timm Herzbruch. Der Torschützenkönig der vergangenen Bundesligasaison zeigte Verständnis für die Entscheidung: „Ich denke, dass es eine richtige Entscheidung ist, da die Gesundheit der Menschen an erster Stelle steht. Zudem ist es sehr gut, dass alle Athleten nun Klarheit haben. Jetzt müssen sich alle Beteiligten neu organisieren und die Zeit bis zu den Olympischen Spielen neu planen.“
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Dafür brauche es aktuell aber auch etwas Geduld: „Momentan muss noch abgewartet werden, wie sich die aktuelle Lage in den nächsten Wochen und Monaten entwickelt und ab wann für Sportler eventuell die ersten Sportplätze wieder geöffnet werden können.“
Optimale Vorbereitung wäre nicht mehr möglich gewesen
Gleichzeitig bedauerte er aber auch die Verschiebung der Spiele. „Für mich als Sportler ist es natürlich schade, da man sich seit mehreren Jahren auf diese Sommerspiele in Tokio vorbereitet. Aber aufgrund der eingetretenen Pandemie ist die Verschiebung richtig. Durch die Pause in der Bundesliga, EHL und Hockey Pro League für unbestimmte Zeit und damit auch das unterbundene Mannschaftstraining wäre eine optimale Vorbereitung auf die Olympischen Spiele nicht mehr möglich gewesen“, so Herzbruch.
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Er versuche sein individuelles Trainingspensum nun so gut es geht weiterzuführen, um sich fit zu halten und das „neue große Ziel, Olympia 2021, zu erreichen.“
Ungewissheit zerrte an Jonathan Rommelmanns Motivation
Ruderer Jonathan Rommelmann war bereits erleichtert als feststand, dass die Spiele nicht abgesagt, sondern nur verschoben werden. „Ich habe mich in den letzten Tagen immer mehr mit dem Gedanken angefreundet. Jetzt bin ich auch ein bisschen erleichtert über die Gewissheit. Es ist schwierig, wenn man nicht weiß, wofür man trainiert. Das zerrt einfach an der Motivation“, gestand der Gesamt-Weltcupsieger des Vorjahres im leichten Doppelzweier.
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Er trainierte zuletzt alleine in Krefeld, eine Chancengleichheit hätte er nicht mehr gesehen, hätten die Spiele im Sommer 2020 stattgefunden. „Man hat immer mehr mitbekommen, wie sehr eine Wettkampfverzerrung stattfindet durch die sehr unterschiedlichen Maßnahmen in den einzelnen Ländern. Daneben sind auch die Anti-Doping-Bemühungen eingeschränkt. Dadurch entstand immer mehr ein Fragezeichen. Deswegen ist es die richtige Entscheidung“, betonte er.
Tokio ist wohl Rommelmanns einzige Chance
Da der Leichtgewichtszweier in Tokio wohl zum letzten Mal zum olympischen Programm gehört, hätte Rommelmann eine gänzliche Absage besonders hart getroffen.
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„Über eine Absage hätte ich mich deutlich mehr geärgert und konnte aufatmen, als das ausgeschlossen wurde. Wenn wir Klarheit über den genauen Termin und die Qualifikationswege bekommen, können wir auch den Weg dahin strukturieren. Es ist gut, dass der Druck jetzt weg ist“, sagte er abschließend. Ab sofort hat er 2021 im Visier.
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Damian Wierling sah die Atmosphäre bei den Spielen gefährdet
Genau wie Schwimmer Damian Wierling, der nicht nur aus Gründen der sportlichen Fairness für eine Verschiebung plädierte. „Es ist natürlich erstmal die richtige Entscheidung. Man kann jetzt mit Corona kaum davon ausgehen, dass man da schöne und freudige Spiele hätte. Darum geht es ja bei den Spielen. Ich glaube, dass das weder von Sportlerseite noch für Zuschauer gegeben wäre, dass es jeder genießen und dabei sein kann“, sagte Wierling.
Er erlebte das olympische Gefühl bereits in Rio de Janeiro 2016. „Olympische Spiele sind ja eigentlich ein großes Fest, es geht auch darum sich untereinander auszutauschen. Man schließt Freundschaften und Verbindungen. Wenn da jeder Angst hat und mit Maske rumläuft, wären das ja eher Gruselspiele“, sah er durch die Verschiebung auch die gesellschaftliche Komponente gewahrt.
Derzeit kann Wierling nicht im Wasser trainieren
Und auch sportlich macht es die Situation für den Mülheimer leichter. Denn im Wasser kann Wierling aktuell nicht trainieren, die Bäder haben geschlossen. „Für mich persönlich sehe ich die Möglichkeit, mich zu verbessern, die Fehler die ich gemacht habe noch extremer zu vermeiden. Ich freue mich, dass jetzt eine Entscheidung da ist, denn dieses Hin und Her macht einen doch ein bisschen wahnsinnig“, so Wierling.
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Für ihn wäre es bald um die Qualizeiten gegangen. „Da wird man schon ein bisschen unruhig, das habe ich auf jeden Fall gemerkt. Jetzt fällt der Druck erstmal ab und muss nicht mehr unbedingt ein Schwimmbecken auftreiben, das noch offen hat.“
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Das muss Damian Wierling nun zunächst nicht mehr mit dem ganz großen Druck. Die Entscheidung ist getroffen. Die Sportler werden für 2021 einen neuen Anlauf nehmen.