Mülheim. Der Franzose Jean-Pierre Carvalho ist seit Anfang des Jahres Trainer am Mülheimer Raffelberg. Auf die ersten Rennen muss er weiter warten.

Mindestens bis zum 18. April wird es keine Rennen auf deutschen Galoppbahnen geben. „Ich bin ein Trainer ohne Rennen“, sagt Jean-Pierre Carvalho.

Im Januar dieses Jahres hatte der 48-Jährige seinen Job auf dem Gelände der Raffelberger Rennbahn angetreten. Voller Vorfreude. Geblieben ist ihm vorerst nur der tägliche Trainingsbetrieb. Es fehlt das Salz in der Suppe.

Carvalho begann seine Jockey-Karriere in Wien

Jean-Pierre Carvalho, im französischen Clermont-Ferrand geboren, nahm nach erfolgreicher Ausbildung 1992 ein Jobangebot in Wien an. In Österreichs Hauptstadt begann seine Karriere als Jockey. „Der Weg von Wien nach München war nicht weit. Es folgte ein logischer Schritt. „Von 1994 bis 1999 war ich Stalljockey bei Jutta Mayer“, erzählt Carvalho. Von 1999 bis 2008 machte er in Krefeld Station. In 854 Rennen wurde er zum Sieger gekürt. Es fehlte nicht viel, um in den elitären „Club der 1000“ aufgenommen zu werden.

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Die Jockeykarriere fand 2008 ein jähes Ende. In der ersten Prüfung eines Renntages in Hannover stürzte er mit Kariba und zog sich einen komplizierten Bruch des Brustbeines zu. In einer monatelangen Pause reifte der Entschluss, vom Jockey- in den Trainerberuf zu wechseln. 2009 erwarb er die Lizenz. Nach Stationen in Iffezheim, Frankfurt und Chantilly führte ihn sein Weg zurück nach NRW. Sechs Jahre lang verlebte er in Bergheim, ehe das berühmte Galopper-Gestüt Schlenderhan der Familie Ullmann seine Pforten schloss.

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Die Bedingungen in Mülheim passen

Und nun Mülheim. „Ich wollte gern in NRW bleiben. Da kamen also nur Köln, Düsseldorf, Krefeld und Mülheim infrage. In Mülheim fand ich gute Bedingungen vor. Es ist möglich, die Pferde in Ruhe auf die Rennen vorzubereiten. Der Rennclub hat hier zudem viel bewegen können, der Vorstand ist sehr engagiert. Letztendlich war es auch aus einem Bauchgefühl heraus. Und ich bin mir nach wie vor ziemlich sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben“, sagt der gebürtige Franzose, der in Duisburg-Ruhrort wohnt und am Raffelberg 19 Pferde von verschiedenen Besitzern trainiert.

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Ein Bild aus alten Zeiten. Jean-Pierre Carvalho als Jockey bei einem Rennen in Düsseldorf im Jahr 2005.
Ein Bild aus alten Zeiten. Jean-Pierre Carvalho als Jockey bei einem Rennen in Düsseldorf im Jahr 2005. © NRZ | Helmut Müller

Voller Elan war Jean-Pierre Carvalho ins neue Jahr gestartet. „Ein Ortswechsel ist wie ein Neuanfang. Ich war auf den Saisonstart total gespannt. Der Winter war mild, die Trainingsbedingungen optimal. Die Pferde waren und sind in sehr guter Form. Doch nun fühlt es sich so an, als seien wir in einem Winterbetrieb — ohne Rennen, Transport und Planung. Aber es hilft nichts. Wir müssen alle Geduld haben und das Beste aus der Situation machen.“

Corona hat keine Auswirkungen auf den Trainingsbetrieb

Auf den Trainingsbetrieb hat die Corona-Krise keine großen Auswirkungen. Carvalho: „Die Pferde müssen weiterhin versorgt und in Bewegung gebracht werden. Selbstverständlich bleibt es bei der artgerechten Haltung. Allein schon aus Respekt vor den Tieren.“

Der Raffelberger Neuzugang beschäftigt drei Vollzeit-Mitarbeiter und zwei Mini-Jobber. Jean-Pierre Carvalho macht sich viele Gedanken und hat auch seine Sorgen in dieser schwierigen Phase des Stillstandes und der wirtschaftlichen Probleme.

Dubai World Cup abgesagt

Von der Ausbreitung des Corona-Virus und den Maßnahmen zur Eindämmung ist der Galoppsport weltweit betroffen. Die meisten Rennen in den kommenden Wochen sind abgesagt worden, manche sollen unter Ausschluss der Öffentlichkeit abgehalten werden.

Der für den 28. März geplante Renntag um den Dubai World Cup, mit 35 Millionen Dollar Preisgeld in neun Rennen höchst dotierte Galoppveranstaltung auf der Welt, wird nicht stattfinden. Am Sonntag hatte das Dubai Media Office die Öffentlichkeit darüber informiert.

Carvalho muss für seine Mitarbeiter aufkommen

Doch er wirkt bescheiden: „Es können wohl nicht alle, die im Pferdesport involviert sind, wirtschaftlich überleben. Ich werde vermutlich das Glück haben, die Krise halbwegs unbeschadet überwinden zu können, weil die Besitzer, mit denen ich zusammenarbeite, weiterhin für ihre Pferde zahlen werden und können.“

Ganz ohne Einbußen wird aber auch der Trainer wohl nicht aus der schwierigen Zeit herauskommen. „Mir fehlen die Prämien aus den Rennen. Für mich ist es am Ende des Monats jeweils ein Plus-Minus-Null-Geschäft. Die Hauptsache ist aber, dass die Leute weiter bezahlt und die Pferde versorgt werden können. Ich werde jetzt nicht jammern, denn es gibt genügend Menschen, denen es in dieser Phase viel schlechter als mir geht. Jetzt gilt es, Geduld und Vertrauen zu den Fachleuten zu haben sowie die Anweisungen der Behörden ernst zu nehmen. Dann kommt auch für uns die Zeit, peu à peu zur Normalität zurückkehren zu können“, sagt er. Und freut sich bereits auf seine Rennpremiere als Mülheimer Trainer.