Mülheim. Im Doppelinterview sprechen zwei Frauenfußballtrainer vor ihrem direkten Duell über ihre Erfahrungen und die Unterschiede zum Männerfußball.
In der Frauenfußball-Niederrheinliga treffen am Sonntag (13 Uhr, Sportplatz Am Berg) die SSVg Velbert und der SV Heißen aus Mülheim aufeinander. Grund genug, sich einmal mit den beiden Trainern Christian Reinhardt (Velbert) und Tobias Holz (Heißen) über den Stellenwert des Frauenfußballs zu unterhalten.
Wie sind Sie zum Frauenfußball gekommen?
Christian Reinhardt: Durch einen absoluten Zufall. Ich komme eigentlich aus dem absoluten Jugendfußball und da ist man die ein oder andere Mentalität der Damen nicht gewohnt. Ich mache es hauptsächlich, weil diese eine Mannschaft mir so ans Herz gewachsen ist. Das ist meine Mannschaft und danach werde ich keine andere Mannschaft mehr trainieren wollen.
Tobias Holz: Bei mir war es auch Zufall. Ein Kumpel hat mich überredet, sein Co-Trainer bei den U19-Mädchen von Heiligenhaus zu werden. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal Mädchen- und Frauenfußballtrainer werde, aber jetzt lebe ich dafür.
Was haben Sie mit den unterschiedlichen Mentalitäten konkret gemeint, Herr Reinhardt?
C.R.: Die Prioritäten im Damenfußball liegen einfach anders. Primär wollen die Spaß haben, einen guten mannschaftlichen Zusammenhalt, die wollen sich quasi zum Sport mit Freundinnen treffen und wenn es dann noch leistungsorientiert geht, ist gut, muss aber nicht. Das war für mich am Anfang ein Unterschied wie schwarz und weiß. Ich lerne jeden Tag noch dazu und es gibt in jedem Training wieder eine Situation, die man anders sehen muss.
Haben Sie das ähnlich erlebt, Herr Holz?
T.H.: Absolut. Das ist etwas ganz anders als der Herrenfußball. Man braucht als Trainer viel mehr Feingefühl und muss aufpassen, was man sagt.
Ist ja auch leicht zu beobachten, dass es bei den Frauen viel weniger Vereinswechsel gibt.
C.R.: Es ist brutal schwer, eine Spielerin zum Wechsel zu bewegen, weil bei denen eine höhere Liga überhaupt nicht zählt – also bei den wenigsten. Es zählt der Charakter, sie hören sich um, wie die Stimmung ist, wie die letzte Mannschaftstour war ..
T.H.: Das sehe ich ganz genauso. Deswegen ist es umso wichtiger, selbst Spielerinnen auszubilden. Da sind wir in Heißen schon viel, viel besser aufgestellt, als bei meinem alten Verein, wo es nur eine Mannschaft in der Jugend darunter gab.
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Was können sich denn die männlichen Fußballkollegen noch abgucken?
C.R.: Die Männer können sich, was die Bescheidenheit, die Disziplin und den Umgang miteinander betrifft, wirklich eine Menge abgucken. Bei uns in Velbert spielen ja sowohl die Herren als auch die Damen in der höchstmöglichen Verbandsklasse. Wir haben vor dieser Saison zum ersten Mal durchgesetzt, dass jede neue Spielerin ein paar Fußballschuhe bekommt. Wir sind mit denen in ein Sportgeschäft gegangen und sie durften sich ein paar Fußballschuhe aussuchen. Da haben sie sich tierisch drüber gefreut. Wir brauchen nicht darüber reden, wie ein Oberliga-Spieler reagieren würde, wenn man ihm für einen Wechsel zu uns ein paar Schuhe anbieten würde. Und (lacht) Mannschaftsfeiern von Frauen schlagen die von Männern um Längen. Die feiern auf einem anderen Level – auf einem sympathisch, positiven Level.
T.H.: Ich finde vor allem, dass Frauen beim Fußball weniger wehleidig sind. Sie halten mehr aus, selbst harte Fouls. Dadurch, dass das Spiel etwas langsamer ist, kommt die Technik viel mehr zum Tragen.
C.R.: Das stimmt! Wenn eine Frau liegt, dann hat sie wirklich was. Eine reine Schwalbe habe ich nie erlebt.
An Ihnen beiden sieht man, dass es völlig normal ist, dass ein Mann eine Frauenmannschaft trainiert. Umgekehrt sorgt es immer noch für viel Aufsehen. Warum ist das so?
C.R.: Ich glaube einfach die Qualität zwischen Männer- und Frauenfußball ist immer noch so unterschiedlich, dass Männer sich von einer Frau wenig sagen lassen würden. Außerdem: Wir sind hier im Ruhrgebiet, viele Mannschaften bestehen zum großen Teil aus Spielern mit Migrationshintergrund. Wenn man denen eine Frau dahin stellt, dann haben die ein Problem damit. Das ist ja leider auch eine Mentalitätsfrage.
T.H.: Ich glaube es ist eine Charaktersache, ob die Frau ernst genommen wird oder nicht. Selbst ich hatte am Anfang Respekt als so junger Trainer gegenüber einer erfahrenen Frauenmannschaft. Man muss sich mit seiner Art durchsetzen. Eigentlich sehe ich kein Problem darin, dass es auch umgekehrt funktioniert. Inka Grings in Straelen ist ja das beste Beispiel. Ich würde mir das sogar noch öfter wünschen.
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Wie würden Sie generell den Stellenwert des Frauenfußballs beschreiben?
C.R.: Leider viel zu gering. Obwohl es bei uns in Velbert langsam kommt. Werden die Kapazitäten knapp, hat aber eine erste Mannschaft oder die U19 immer noch Vorrang. Wir können immerhin schon der ein oder anderen ein Benzingeld bezahlen, das ist ein Anfang. Wir haben einen sehr guten Draht zum Fanclub der ersten Mannschaft. Die „blauen Löwen“ kommen zu jedem Heimspiel und wir sind zum letzten Auswärtsspiel der vergangenen Saison mit einem Fanbus mit denen gefahren.
T.H.: Ich denke der Frauenfußball kommt so langsam. Es entstehen immer mehr Jugendmannschaften. Bei uns speziell kann ich mich nicht beschweren, wir werden auch vom Vorstand gut vertreten und es kommen auch Spieler der Herrenmannschaften zu unseren Spielen. Insgesamt ist der Unterschied schon riesig, wenn man sieht, dass man mit etwas Glück in der Kreisliga B schon Geld bekommen kann. Der Stellenwert der Frauen könnte natürlich noch größer sein, aber man muss auch realistisch bleiben.
Kommen wir zur sportlichen Aktualität: Velbert liegt aktuell auf einem Abstiegsplatz, Heißen sechs Punkte davor. Schon ein richtungsweisendes Spiel, oder?
Christian Reinhardt: Ich sehe den Vorteil, dass wir vier Heimspiele bisher gehabt und davon zwei zu Null gewonnen haben – gegen Mannschaften wie Tusa und Hemmerden, die mit unten drin stehen. Deswegen ist Heißen auch ein Gegner, den wir zu Hause schlagen müssen.
Tobias Holz: Das ist ein Spiel, wo ich mit seit Anfang der Saison drauf freue. Da ich aus Heiligenhaus komme, ist es für mich ein persönliches Derby. Ich kenne viele aus Velbert und da kommen schon Emotionen auf. Uns erwartet ein heißes Spiel, das für uns ultrawichtig ist.
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Für beide zählt am Ende nur der Klassenerhalt, richtig?
C.R.: Ja. Wenn wir das schaffen, hat die Mannschaft unheimlich großes Potenzial. Denn die Neuzugänge sind alle zwischen 17 und 21 Jahren alt. Diese Unerfahrenheit hat uns zu Saisonbeginn aber noch das Genick gebrochen. Ich habe Spielerinnen dabei, die haben in der letzten Saison noch in einer Neuner-Liga gespielt. Und jetzt Frauen-Niederrheinliga, das ist eine andere Welt.
T.H.: Der Klassenerhalt hat für uns auch Priorität. Wir haben durch mehrere Abgänge nicht mehr so einen großen Kader. Deswegen ist das der erste Schritt und dann müssen wir sehen, ob wir den ein oder anderen Neuzugang bekommen.
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Und wer gewinnt?
C.R.: Velbert - mit zwei Toren Unterschied.
T.H.: (lacht) Dann halte ich natürlich dagegen und sage, dass wir mit zwei Toren gewinnen.