Herne. Wie gehen die großen Herner und Wanne-Eickeler Breitensportvereine mit dem Lockdown um? Zwischen neuen Wegen und Vereinsaustritten..

Die Pandemie diktiert das Leben in Deutschland. Auch im Sport. Nur die Profis dürfen, unter strengen Auflagen, spielen und trainieren. Der Breiten- und Hobbysport schaut dagegen seit über zehn Monaten nur zu. Keine Wettkämpfe. Kein Training. Kein Kontakt, und wenn doch dann nur virtuell.

Für die Herner und Wanne-Eickeler Hobbysportler und -sportlerinnen heißt das: maximal eine Joggingrunde durch den Gysenbergpark, eine Yogastunde vor dem Fernseher, ein Tennismatch gegen den PC oder ein nicht wirklich erquickender Dauerlauf auf dem Hometrainer.

Schwierige, aber nicht hoffnungslose Lage in Herne und Wanne-Eickel

Der Lockdown kann aber nicht nur für ärgerliche Zahlen beim Blick auf die Waage, sondern auch für Angstschweiß auf den Gesichtern vieler Vereinsvertreter sorgen. Wie dieser nicht nur abgewischt, sondern möglicherweise verhindert werden kann, darüber sprach die WAZ-Sportredaktion – natürlich virtuell – mit Vertretern der größten Breitensportvereine in Herne und Wanne-Eickel sowie ihrem Dachverband, dem Stadtsportbund.

Dabei wurde deutlich: Die Lage ist schwierig, aber nicht hoffnungslos. Die hellen Seiten: Es gibt neue Wege in der Kommunikation mit den Mitgliedern und frische Ideen für „Sport mit Abstand“. Die dunklen Seiten: Das Vereinsleben liegt brach, Mitgliederzahlen im gerade so wichtigen Jugendbereich gehen zurück, finanziell türmen sich Hürden auf durch Pacht, Miete, Verbandsabgaben, die unverändert eingefordert werden.

Rede und Antwort standen uns Elfi Heinemann für den TV Röhlinghausen (TVR), Petra Herrmann-Kopp für den Baukauer Turn-Club (BTC), Burkhard Ladewig für den TV Wanne 85 (TV 85), Wolfgang Siebert für den Herner Turn-Club (HTC), Peter Achilles für den TV Börnig-Sodingen (TV BS) und Silvia Jedamzik für den Herner Stadtsportbund (SSB).

Wie halten Sie während der Pandemie den Kontakt zu Ihren Mitgliedern?

TVR: Jeder Übungsleiter hat seine eigene WhatsApp-Gruppe installiert und hält so Kontakt zu seiner Gruppe. Mit älteren Vereinsmitgliedern, die derartige moderne Kommunikationsmedien scheuen, halten wir auf telefonischem Wege Kontakt, um über jegliche Art von Problemen zu sprechen.
BTC: Über WhatsApp-Gruppen, Telefonate und die sozialen Medien sowie über unsere Homepage. Und durch Aktionen wie die Verteilung von Nikolaus-Tüten im Dezember.
TV 85: Über die Abteilungsleiter sowie durch Weihnachtskarten und Infobriefe. Jugendliche und Kinder erhielten oder erhalten noch einen Trinkbecher mit dem Vereinsnamen und dem Wort „Danke!“. Zudem halten wir virtuelle Vorstandssitzungen ab.
HTC: Persönliche soziale Kontakte sind das Fundament für einen funktionierenden und lebendigen Sportverein. Das ist zurzeit nicht möglich. Kontakte über soziale Medien wie WhatsApp sind kein wirklicher Ersatz. Ferner gibt es Anschreiben per Brief und einzelne Gruppen rufen ältere Mitglieder an.
TV BS: Ostergrüße an Mitglieder, kleinere Weihnachtspräsente mit Anschreiben, Neujahrsgrüße, Kommunikation über Homepage sowie E-Mail, Kontakte in den Gruppen über WhatsApp und Zoom. Teilweise persönliche Kontakte der Übungsleiter, soweit coronabedingt erlaubt. Aktionen im Gysenberg, organisiert durch unsere Kinder- und Jugendgruppen (Kinder-Bewegungsparcours), Außensport auf den öffentlichen Freiflächen.
SSB: Per E-Mail und Telefon. Unsere Mitgliederversammlung fand im September 2020 unter strengster Beachtung der Coronaschutzverordnung statt.

Burkhard Ladewig vomTV Wanne 85 (TV 85).
Burkhard Ladewig vomTV Wanne 85 (TV 85). © Rainer Raffalski | Rainer Raffalski

Haben Sie ein digitales Angebot aufgebaut oder erweitert?

TVR: Einige Übungsleiter haben selbstverständlich ein Online-Angebot zur Verfügung gestellt – Sport mittels Video-Konferenz. Auch hier stellt sich jedoch das Problem, dass insbesondere ältere sowie finanziell nicht besonders gut gestellte Mitglieder hiervon leider keinen Gebrauch machen können.
BTC: Ja! Es gibt Online-Angebote in verschiedenen Sportarten, wir produzieren Videos und bieten diese über Skype für das Training einiger Gruppen an.
TV 85: Ja. Wir bieten virtuelle Präventionskurse an, die von den Krankenkassen weiterhin anerkannt werden, sowie ein digitales Taekwon-Do-Training.
HTC: Wichtige Informationen erfolgen über die HTC-Homepage und über verschiedene Homepages einiger Abteilungen. Es gibt Zoom-Angebote (Online-Training) im Yoga, Basketball und Tanzen. Weitere Gruppen sollen folgen. Bei vielen Mitgliedern fehlt aber die entsprechende digitale Ausstattung. Es gibt regelmäßige Videokonferenzen mit dem Vorstand, dem erweitertem Vorstand und mit den Trainerteams der einzelnen Abteilungen. Im letzten Jahr haben zudem engagierte Übungsleiter/innen einen digitalen Adventskalender auf Facebook gesetzt. Auf dieser Plattform bieten wir auch Challenges an.
TV BS: Es gibt entsprechende Angebote in den einzelnen Gruppen, ansonsten verweisen wir auf vorhandene digitale Angebote. Gruppenleiter im Reha-Sport haben Übungsvorschläge an ihre Mitglieder versandt. Zurzeit nutzen Übungsleiter die sozialen Medien, um die Mitglieder mit sportlichen Angeboten zu versorgen.
SSB: Ja. Ein erheblicher Teil der Übungsleiter-Ausbildung 2020 fand digital über eine Lernplattform statt. Dennoch konnte diese Ausbildung nicht abgeschlossen werden, weil die Durchführung der Abschlussprüfung eine Präsenzveranstaltung erforderlich macht, die 2020 nicht mehr durchgeführt werden konnte.

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  • Petra Hermann-Kopp vom Baukauer Turn-Club (BTC).
    Petra Hermann-Kopp vom Baukauer Turn-Club (BTC). © Svenja Hanusch | Svenja Hanusch

    Wie halten Sie Ihr „Vereinsleben“ aufrecht?

    TVR: Das klassische Vereinsleben ist aktuell vollständig zum Erliegen gekommen. Allerdings ist unser Vereinsheim einmal wöchentlich geöffnet, um unseren Mitgliedern, selbstverständlich unter strenger Beachtung der Hygienerichtlinien und nach vorheriger Anmeldung, als Anlaufstelle bei Problemen zur Verfügung zu stehen.
    BTC: Vereinsleben darf das zurzeit nicht genannt werden, trotz der digitalen Angebote. Ansonsten durch die persönlichen Kontakte der einzelnen Abteilungs- und Übungsleiter zu ihren Teilnehmern. Wenn immer es geht und passt, bieten wir unsere Angebote draußen an.
    TV 85: Da unsere Anlage gesperrt ist, gibt es nur ein kleines „Teilleben“.
    HTC: Wie oben schon beantwortet. Wir dürfen keine Trainingsempfehlungen für den Sport im Freien geben, außer zum Individualsport. Das Basketball-Bundesligateam ist vom Lockdown ausgenommen. Diese Spiele verfolgen viele unserer Mitglieder im Livestream und fiebern mit.
    TV BS: Das „gewohnte“ Vereinsleben findet nicht statt, alle regelmäßigen Veranstaltungen/Feste fallen derzeit aus. Der Geschäftsstellenbetrieb ist coronabedingt stark eingeschränkt. Vorstandsarbeit per WhatsApp bzw. vereinzelte Zusammenkünfte unter Beachtung der Corona-Regeln.
    SSB: Das trifft aus uns nicht zu.

    Wolfgang Siebert vom Herner Turn-Club (HTC).
    Wolfgang Siebert vom Herner Turn-Club (HTC). © Klaus Pollkläsener | Klaus Pollkläsener

    Macht sich die Krise finanziell bemerkbar (fehlende Einnahmen durch den Wegfall von Wettkämpfen/Turnieren/Vereinsfesten etc.)?

    TVR: Selbstverständlich sind, teilweise sogar deutliche, finanzielle Einbußen zu verzeichnen. Durch den Ausfall des Sportbetriebs entgehen uns Einnahmen aus unseren Kursen, ferner konnten Feste und Veranstaltungen nicht durchgeführt werden. Zudem buchen viele Mitglieder ihre Beiträge zurück, was für uns durch entsprechende Gebühren der Sparkasse mit zusätzlichen Kosten verbunden ist.
    BTC: Da unser großes Sommerfest im Schlosshof Strünkede ausgefallen ist, fehlen uns diese Einnahmen, ebenso die aus dem Trendsportbereich.
    TV 85: Uns fehlen Einnahmen aus Reha- und Präventionskursen. Allerdings müssen wir den Übungsleitern auch weniger Honorar bezahlen.
    HTC: Besonders der Ausfall des Tanzturniers macht sich bemerkbar, denn mit den Eintrittsgeldern konnten der Abteilungsbeitrag gering gehalten werden. Ich frage mich auch: Wie geht man überhaupt mit den Sonderbeiträgen, die wegen der hohen Kosten notwendig sind, einzelner Abteilungen um? Soll man sie reduzieren, obwohl die Verbandsbeiträge voll erhoben werden?
    TV BS: Ja, keine Einnahmen aus Kursen, keine Einnahmen beim Reha-Sport. Auch sonstige Einnahmen, die zum Beispiel beim Turnerball und beim Vereinsabend generiert werden, fehlen, ebenso die Einnahmen aus der Vermietung unserer Vereinsräume für private Feiern.
    SSB: Ja, erheblich. Zahlreiche Kurse und Qualifizierungen konnten seit März 2020 nicht durchgeführt werden.

    Elfi Heinemann vom TV Röhlinghausen (TVR)
    Elfi Heinemann vom TV Röhlinghausen (TVR) © Alexa Kuszlik | Alexa Kuszlik

    Gab es coronabedingte Austritte von Mitgliedern?

    TVR: Ja, insbesondere im Kinder- und Jugendbereich, etwa fünf Prozent.
    BTC: Wir haben einen Mitgliederrückgang von neun Prozent. Vor allem im Kinder- und Jugendbereich, da hier seit März 2020 einige Gruppenangebote komplett ausfallen.
    TV 85: Einige wenige, ansonsten eine Fluktuation wie in den vergangenen Jahren. Leider hatten wir bisher nur sechs Neuaufnahmen, in den Jahren zuvor waren es stets um die 50.
    HTC: Die Austritte halten sich im normalen Bereich der Fluktuation. Es fehlen aber neue, besonders jugendliche Mitglieder, die wir sonst in Arbeitsgemeinschaften der Schulen, bei Schulmeisterschaften oder in Camps gewinnen konnten. Überraschenderweise meldete sich bei uns allerdings ein Kind über einen Online-Kurs an.
    TV BS: Ja, der Mitgliederschwund liegt bei derzeit neun Prozent. Er setzt sich zusammen aus vorhandenen Austritten und den fehlenden „Neuzugängen“ im Kinder- und Jugendbereich, denen wir coronabedingt zurzeit kein Angebot machen können.
    SSB: Nein. Glücklicherweise hat sich bisher kein Sportverein in Herne und Wanne-Eickel aufgelöst. Somit haben wir auch keine Austritte aus dem SSB zu verzeichnen. Die Zahl der Sportvereine im SSB hat sich von 169 im Jahr 2020 sogar auf aktuell 172 leicht erhöht. Konkrete Zahlen zur Mitgliederentwicklung in den Herner Sportvereinen können wir ab März liefern.

    Silvia Jedamzik vom Herner Stadtsportbund (l.) und Peter Achilles fvom TV Börnig-Sodingen (TV BS).
    Silvia Jedamzik vom Herner Stadtsportbund (l.) und Peter Achilles fvom TV Börnig-Sodingen (TV BS). © Kerstin Buchwieser | Kerstin Buchwieser

    Erhalten Sie genügend Unterstützung vom Land/der Stadt Herne/der Politik? Sowohl finanziell als auch inhaltlich?

    TVR: Bislang haben wir keine finanzielle Unterstützung bekommen. Ausnahme bildet die im letzten Jahr erfolgte Erhöhung der Übungsleiterzuschüsse. Ärgerlich ist insbesondere, dass wir als Verein auch weiterhin sämtliche Verbandsabgaben und Beiträge zur Sportversicherung leisten müssen, obwohl der Sportbetrieb ruht. Auch die Pacht für unser Vereinsheim müssen wir weiterhin „stemmen“, Zuschüsse dafür fließen nicht. Die Räumlichkeiten werden ausschließlich außersportlich genutzt, insbesondere für Integrationsarbeit, Hausaufgabenbetreuung oder Bastelgruppen. Wir hätten es außerordentlich begrüßt, wenn die Herner Sparkasse den Vereinen gegenüber in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten auf die Erhebung von Kontoführungsgebühren verzichtet hätte. Wir zahlen dafür alleine jährlich über 2000 Euro!
    BTC: Wir sind mit der Unterstützung durch die Stadt Herne und den Landessportbund NRW zufrieden. Dies betrifft uns in erster Linie inhaltlich. Es gibt zurzeit leider nicht viele Möglichkeiten zur Hilfe, die in den Händen der Herner Politik liegt. Vom LSB gab es eine Erhöhung der Übungsleiterzuschüsse sowie Fördermöglichkeiten für Projekte und Aktionen, vor allem zur Mitgliederbindung und Digitalisierung. Mit unserer Vereinsstruktur und der betriebswirtschaftlichen Ausrichtung kommen wir damit zu Recht.
    TV 85: Finanziell ist es nicht anders als sonst. Der städtische Fachbereich Sport unterstützt uns umgehend bei unseren Anfragen und informiert ausreichend.
    HTC: Es gab von der Sportjugend NRW eine Aktion „#trotzdemSport“, an der wir teilgenommen haben. Inhaltlich ist die Sportjugend aber nicht hilfreich und spart nicht mit Bemerkungen wie „ das hätte der Verein wissen müssen …".
    TV BS: Bisher erfolgte eine finanzielle Unterstützung durch Anpassung der Mittel zur Förderung der Übungsarbeit. Es bestehen weitere finanzielle „Rettungsschirme“, die wir bisher nicht in Anspruch genommen haben. Dagegen laufen Verbandsabgaben, Versicherungsbeiträge, Miete bzw. Pacht und Unterhaltungskosten für die Falkschule weiter. Die inhaltliche Unterstützung unserer Vereinsarbeit durch den Landessportbund und durch die Stadt Herne ist aus unserer Sicht im Rahmen der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten gegeben.
    SSB: Wir erhalten eine sehr gute inhaltliche Unterstützung, vor allem durch den Landessportbund. Für Vereine in finanzieller Not gibt es ja die Soforthilfe „Sport“ vom LSB. Wir haben großes Verständnis dafür, dass die für uns relevanten Fachbereiche der Stadt Herne, wie zum Beispiel der Fachbereich Gesundheitsmanagement, während der Pandemie stark in die Kontaktnachverfolgung eingebunden sind und uns somit nicht gewohnt unterstützen können. Begrüßen würden wir, wenn die Verbände, an die die Vereine ihre Gebühren entrichten, reagieren und ihren Vereinen finanzielle Erleichterungen anböten.

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