Herne/Wanne-Eickel. 2014 kam John Ogbaide aus Nigeria nach Deutschland. Der Stürmer des SV Holsterhausen hat sich im Ruhrgebiet erfolgreich eine Zukunft aufgebaut.

„Ich schaffe das.“ Das Mantra, welches John Ogbaide auf den heimischen Fußballplätzen stets antreibt, ist auch die Kernbotschaft, die dessen weite Reise zuvor begleitet hat. Der inzwischen 23-Jährige ist 2014 aus Nigeria geflohen. Und sein Wunsch, sich hier eine Zukunft aufzubauen, hat einen erstaunlich erfolgreichen Verlauf genommen.

Ogbaide hat lange schon einen festen Wohnsitz. Er hat eine Lehrstelle als Koch gefunden, eine sportliche Heimat, zudem eine Freundin. Die Zwischenprüfung ist zwischenzeitlich erfolgreich abgelegt, es geht auf die Abschlussprüfung zu und im Februar ist er Vater eines Sohnes geworden. Eine Geschichte beispielhafter Integration.

In Nigeria, dem Staat an der Westküste Afrikas am Golf von Guinea, ist John Ogbaide geboren. Mehr als 5000 Kilometer Luftlinie von Herne entfernt. Die Islamisten-Gruppierung Boko Haram treibt ihr Unwesen und verbreitet Angst und Schrecken. Fußball spielt er bereits seit Kindesbeinen von Herzen gerne, er geht ins Fußballinternat, spielt erfolgreich. Dennoch reift in dem Heranwachsenden der Plan, die Flucht zu ergreifen.

Der Sport als Türöffner

Die Reise führte ihn 2014 nach Deutschland, schließlich ins Ruhrgebiet, nach Herne. Alleine und ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. Der Sport wird dort sein wohl entscheidender Türöffner.

Seit 2016 stürmt John Ogbaide für den SV Holsterhausen - hier zieht er im Mai 2017 im Spiel gegen die SG Castrop-Rauxel ab. Damals noch auf dem Ascheplatz an der Wiesenstraße.
Seit 2016 stürmt John Ogbaide für den SV Holsterhausen - hier zieht er im Mai 2017 im Spiel gegen die SG Castrop-Rauxel ab. Damals noch auf dem Ascheplatz an der Wiesenstraße. © FUNKE Foto Services | Joachim Hänisch

John Ogbaide wollte so gerne wieder kicken und machte sich auf die Suche. In Horsthausen wurde er fündig.

Beim FC Marokko gab es das erste Kennenlernen mit dem Fußball vor Ort, damals im Fußballzentrum. Gleich nebenan jedoch bei der Sportvereinigung fühlte er sich besser. Erwin Bergmann nahm ihn in der zweiten Mannschaft auf. Und das Leben in Deutschland nahm für den gerade Erwachsen gewordenen jungen Nigerianer erste Form an.

Aus dem Fußballinternat in die Kreisliga B

Die Verständigung in der Fremde auf Englisch sowie mit „Händen und Füßen“ war dabei weit weniger problematisch als vielmehr ein Fußball-Kulturschock: Vom Fußballinternat in die Herner Kreisliga B – das kostete nachvollziehbar Nerven.

Er half deshalb vermehrt in der Ersten Horsthausens auf, denn auch Marc Gerresheim hatte Ogbaides Talent erkannt. Der gelernte Angreifer, Typ Dampflok, zeigte auch außerhalb des Platzes Entschlossenheit. Er klärte seine Wohnungssituation. Ein Praktikum bei den Stadtwerken Herne festigte zudem den Kontakt zu Andreas Meise, damals schon Trainer beim SV Holsterhausen.

Seit 2016 beim SV Holsterhausen

2016 wechselte John Ogbaide auf die (damalige) Asche an der Wiesenstraße – und fand dort seine sportliche Heimat. Manch ein SVH-Grande taufte ihn schnell „Epalle“, nach dem Kamerunischen Stürmerstar, der einst auch beim VfL Bochum spielte. Und wie durch gegnerische Strafräume bahnte er sich auch im Leben wuchtig seinen Weg.

2017 unterschrieb er einen Ausbildungsvertrag in einem namhaften Bochumer Gastronomiebetrieb – ein wichtiger Meilenstein. Und fast gleichzeitig verliebte er sich in eine junge Jamaikanerin, die in Wanne-Eickel wohnte.

SVH-Trainer Andreas Meise steht helfend und beratend zur Seite

Ende 2019 bestand er seine Zwischenprüfung. „Als einer von bis dahin nur acht Flüchtlingen in Herne“, berichtet Andreas Meise.

Er steht bis heute gerne helfend und beratend an der Seite des 23-Jährigen. Auch als eine Abschiebung ganz kurz bevor stand und so gerade noch abgewendet werden konnte. „Da war es wirklich fünf vor zwölf“, schwitzen Ogbaide und Meise heute noch im Rückblick.

Seine humorige Art macht es Ogbaides Mannschaftskollegen bis heute leicht, ihn zu mögen. John Ogbaide versteht viel Spaß und sorgt für gute Laune. Mittlerweile gutes deutsches Sprachverständnis hilft ihm dabei. Auf dem Platz allerdings, da hat er eine Erwartungshaltung, die nicht immer in die Kreisliga A passt.

Auch überkreislich eine Option

Er drängt nämlich auf den Erfolg und mag keine halben Sachen. Ogbaide ist bekannt für sein wildes Pressing, seine Hartnäckigkeit und zwei nahezu gleich starke Füße. „Und er hat einen unwiderstehlichen Schuss“, lobt Andreas Meise. John Ogbaide wäre auch nach Meinung des Trainers ganz klar überkreislich eine Option.

Vorerst jedoch bleibt der Angreifer in Holsterhausen – und würde dort nur zu gerne den Sprung in die Bezirksliga schaffen. Der frisch gebackene Vater visiert aktuell zudem seine Abschlussprüfung an. „Die muss er erst einmal schaffen“, treibt sein Trainer den angehenden Koch auch außerhalb des Fußballs stichelnd an. Doch John Ogbaide kontert umgehend und selbstbewusst. „Ich schaffe das!“, sagt er.

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