Hattingen. Eigentlich wollte er sofort wieder gehen. Sven Neuhaus trainiert bei den SFN – und nimmt Ex-Nationaltorhüter René Adler noch heute auf den Arm.
Seine Frau sei schuld, zu 100 Prozent, sagt Sven Neuhaus lachend. Wobei das Wort Schuld dabei gar nicht negativ konnotiert ist.
So oft es ihm die rar gesäte Zeit ermögliche, sei er, der heute 45-Jährige Ex-Fußballprofi, an der Burgaltendorfer Straße bei den Sportfreunden Niederwenigern – dabei war das nach seinem Karriereende 2014 an sich gar nicht geplant.
Zwar wählte der gebürtige Kupferdreher Hattingen als neuen Wohnort komplett bewusst aus, um zum einen selbst zu seinen Wurzeln zurückzukehren und zum anderen seinen Kindern einen festen Platz zum Aufwachsen nach den Jahren im Profifußball mit einigen Umzügen zu ermöglichen, mit den Sportfreunden Niederwenigern hatte er an sich aber nichts am Hut.
Eigentlich hatte Sven Neuhaus nie geplant, bei den SF Niederwenigern einzusteigen
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„Meine dicksten Freunde sind noch immer die, die ich in der Schule kennengelernt habe. Das wollte ich meinen Kindern ungern nehmen. Ich komme hier aus der Region, für mich war daher immer klar, dass ich gerne zurück möchte. Daher haben wir hier 2011 ein Grundstück gekauft“, sagt Neuhaus, der nach dem Ende seiner aktiven Spielerkarriere verschiedene Trainerlizenzen bis zur A-Lizenz erwarb.
„Ich hatte aber nie vor, wirklich als Coach zu arbeiten. Doch im Januar vergangenen Jahres kam Marcel Kraushaar auf mich zu. Ich kannte ihn, weil er zuvor der Tennistrainer meiner Tochter war. Da haben sie gefragt, ob ich mir nicht vorstellen könne, zu helfen, denn sie hatten sich kurz vorher von ihrem bisherigen Torwarttrainer getrennt“, so Neuhaus, den bis auf den Nachnamen nichts mit SFN-Co-Trainer Carsten und dessen Vater und Bundesliga-Trainer Uwe Neuhaus verbindet.
Unter der Woche ist Sven Neuhaus weiterhin in Hamburg
Eigentlich war der Terminkalender prall gefüllt, immerhin ist Sven Neuhaus beruflich unter der Woche in Hamburg, als Vorstandsmitglied der HSV-Stiftung „Der Hamburger Weg“ und Ansprechpartner für soziale Projekte des Hamburger SV tätig. Zudem hatte er an sich genügend Sportplätze für ein ganzes Fußballerleben gesehen.
Doch dann kam seine Frau ins Spiel. Unser Sohn ist mittlerweile zwar vom Nachbarverein SuS Niederbonsfeld ins Nachwuchsleistungszentrum von Rot-Weiss Essen gewechselt, hat aber ansonsten seine gesamte Freizeit auf dem Platz in Niederwenigern mit seinen Freunden verbracht. Da sagte meine Frau: Wenn wir schon all die Vorteile des Dorfes nutzen, dann solle ich doch auch mithelfen wenn Hilfe gebraucht wird“, so Neuhaus.
Minus sechs Grad beim ersten Training
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Anfang Januar 2022 war es so weit, Neuhaus leitete seine erste Torwarttrainingseinheit bei den Sportfreunden – und wollte am liebsten sofort wieder gehen. „Es waren Minus sechs Grad, ich hatte keine Fußballschuhe und keine Torwarthandschuhe mehr. Ich war schon sehr schlecht ausgestattet für meine Verhältnisse. Ich wusste nach einer Minute, warum ich es eigentlich nicht mehr machen wollte. Es war unfassbar kalt, nass und ohne jemanden zu nahe zu treten, habe ich Fußball gesehen, den ich so gar nicht kannte“, sagt Neuhaus.
Doch trotz dieser ganzen Umstände hatte sich doch irgendetwas in ihm verändert, plötzlich spürte er eine Verantwortung für die Keeper in Niederwenigern. „Ich habe mich ihnen verpflichtet gefühlt. Sie in eine Oberliga-Saison ohne torwartspezifisches Training zu schicken, das wollte ich nicht“, sagt Neuhaus, der seine Schützlinge seit dem hart rannimmt, sich selbst aber auch anpassen musste.
„Für mich war es normal, dass man nichts außer Fußball macht. Dann kann man den Jungs auch mehr Feuer geben als bei den Spielern, die den ganzen Tag vorher schon gearbeitet haben. Dennoch ist meine Erwartungshaltung sehr hoch, gerade im körperlichen Bereich“, so Neuhaus.
Einem neuen Torwarttrainer würde Neuhaus gerne unter die Arme greifen
Aus dem Plan, nur in der Vorbereitung mit anzupacken, wurde schnell ein halbes Jahr, dann ein ganzes und mittlerweile sind es schon fast zwei Jahre. Eine Dauerlösung soll es aber dennoch nicht sein. Durch die mangelnde Zeit würde er sich darüber freuen, wenn jemand seinen Job in Hattingen übernehmen könne und er nur noch mit Rat, Tat und seiner Erfahrung zur Seite stehen würde.
„Ich denke, das würde den Torhütern und auch dem Trainerstab zugute kommen und wäre die Ideallösung“, so Neuhaus. Denn zwar versuche er so oft wie möglich am Platz zu sein, zwei Mal die Woche mit den Torhütern zu trainieren und sich auch die Heimspiele anzuschauen, doch auch dies geht nur, wenn nicht zeitgleich sein Arbeitgeber, der Hamburger SV, spiele.
Über Schwarz-Weiß Essen und Fortuna Düsseldorf zum Hamburger SV
Dort beendete Neuhaus einst seine aktive Torwartkarriere nach der geglückten Relegation gegen Greuther Fürth 2014. Es war zwar nicht der perfekte Abschluss – dass sei eine Meisterschaft gewesen, „doch von der war ich weit weg“, wirft Neuhaus lachend ein – aber dennoch ein mehr als nur passender Moment, tschüss zu sagen.
Über die Stationen Borussia Byfang, Schwarz-Weiß Essen, Fortuna Düsseldorf, Greuther Fürth, FC Augsburg und RB Leipzig – damals noch Regionalligist – kam er 2011 zum großen Hamburger SV, spielte mit Stars wie Rafael van der Vaart, Marcel Jansen oder Dennis Aogo zusammen.
An sein Bundesligadebüt glaubte der damals schon über 30-jährige trotz seiner 153 Spiele in der 2. Liga aber nicht mehr. „Ich kam als Nummer zwei hinter Jaroslav Drobny zum HSV. Dann kam aber René Adler. Eigentlich wollte Drobny gehen, blieb aber dann doch. Aber hinter einem tschechischen und einem deutschen Nationaltorhüter zu sitzen, ist keine Schande“, so Neuhaus. Wahrlich nicht – zumal er noch René Adler bei Treffen noch heute verspottet, dass er im Training deutlich mehr Spiele als Adler gewonnen habe. „Da lacht er zwar noch immer drüber und glaubt mir nicht. Aber es war so“, so Neuhaus schmunzelnd.
Die Krönung der Karriere kommt mit 34 Jahren
Eine seiner Stationen als die schönste zu exponieren, das könne er zwar nicht. „Das kann ich nicht sagen. Sportlich war die Zeit in Augsburg die erfolgreichste, wirtschaftlich war Leipzig sicherlich nicht so schlecht. Aber ich hatte auch in Fürth eine super schöne Zeit. Habe mit Düsseldorf, Nürnberg und Leipzig in tollen Städten gewohnt. Und in Hamburg war es von der Lebensqualität und der Größenordnung ein Traum“, so Neuhaus.
Die Krönung seiner langen Karriere, erlebte er erst beim HSV, als er am 21. April 2014 im Bundesligaspiel gegen den 1. FC Nürnberg mit 34 Jahren eingewechselt wurde, sein Bundesligadebüt feierte, und in den Wochen danach gegen den 1. FSV Mainz 05 und – ausgerechnet – den FC Augsburg 90 Minuten lang im Tor stand. „Wenn ich daran denke, wie Samstag Mittag im Volksparkstadion das Licht angeht und man einläuft, da läuft es mir jetzt noch kalt den Rücken runter“, erinnert Neuhaus sich.
Dabei habe er das damals gar nicht so emotional wahrgenommen. Der Stolz auf das Erreichte stellte sich erst später ein. Neuhaus: „Wenn ich heute an die Zeit zurückdenke, bin ich stolzer darauf, als ich es zuvor jemals war. Wenn deine Freunde Rafael van der Vaart, Jansen und Co. sind, lachen die mich zwar aus mit meinen drei Bundesligaspielen. Aber ich hatte 18 Jahre lang Profiverträge, habe Erstligaspiele gemacht. Ich bin rundum zufrieden mit meiner Karriere.“
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