Ruhrgebiet. Nach Erkenntnissen aus Studien reichen Pausen zwischen Einheiten im Amateursport aus. Ein Experte von der Ruhr-Uni Bochum erklärt Hintergründe.

Ein eiskaltes Bad, Massagen, Dehnen. Es gibt viele Methoden, die Sportler nutzen, um ihrem Körper nach harten Einheiten etwas Gutes zu tun. Nach Meinung von Experten ist es für Breitensportler kein Nachteil, wenn sie ohne Regenationseinheiten dem Sport nachgehen. Dr. Thimo Wiewelhove, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Trainingswissenschaft der Fakultät für Sportwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum, erklärt dies.

Herr Wiewelhove, warum ist Regeneration im Sport wichtig?

Ermüdung und Regeneration sind integrale Bestandteile des Trainingsprozesses. Die Regeneration dient somit der Wiederherstellung und Superkompensation der Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit nach intensiven, ermüdenden Trainings- und Wettkampfbelastungen. Bleiben die hierfür notwendigen Erholungszeiten bei der Trainings- und Wettkampfplanung unberücksichtigt, nimmt das Risiko für chronische Überlastungsreaktionen sowie Leistungsstagnation oder Leistungsreduktion zu.

Gerade im Breitensport und selbst auf niedrigen Stufen des Leistungssports wird dem Thema nicht immer die größte Beachtung geschenkt. Woran kann das liegen?

Mehr Aufmerksamkeit durch die Medien

Beiträge in den öffentlichen Medien sowie bekannte Interviews haben ihren Anteil daran, dass das Thema Regeneration immer mehr in den Blickpunkt des Interesses rückt.

Bekanntes Beispiel: das „Eistonnen-Interview“ mit Per Mertesacker im ZDF nach dem WM-Spiel gegen Algerien 2014.

Aus meiner Sicht muss dem Thema im Breitensport auch nicht besonders viel Aufmerksamkeit geschenkt werden. Trainings- und Wettkampfumfänge sind in der Regel so gering, dass immer ausreichend Zeit zur Regeneration zur Verfügung steht. Allerdings sollte auch auf Breitensportniveau die Bedeutung einer angemessenen Ernährung vor, während und nach körperlichen Belastungen berücksichtigt werden. Hierbei stehen die Aufnahme von Kohlenhydraten und eine angemessene Proteinzufuhr im Vordergrund. Hingegen ist der Konsum von Alkohol sowie ein mangelhaftes Schlafmanagement absolut kontrainduziert und steht einer effektiven Regeneration entgegen.

Im Leistungs- und Hochleistungssport steht richtigerweise seit jeher die Steigerung der Trainingsqualität im Fokus trainingswissenschaftlicher und trainingspraktischer Bemühungen. Meiner Meinung nach richtet sich aber selbst auf den niedrigen Stufen des Leistungssports das Augenmerk auch immer mehr auf die Erholungsprozesse und deren Optimierung. Ich denke, dem Thema wird in vielen Sportarten sehr wohl ausreichend Beachtung geschenkt und ist zudem Gegenstand zahlreicher aktueller sportwissenschaftlicher Untersuchungen.

Welche Vorteile haben Sportler, die regenerative Einheiten in oder nach ihrem Training ein-bauen, gegenüber denen, die es nicht machen und welche Mythen gibt es hinsichtlich der Regeneration?

Die Regeneration in der Eistonne ist mittlerweile immer verbreiteter.
Die Regeneration in der Eistonne ist mittlerweile immer verbreiteter. © Ruhr-Universität Bochum

Trotz plausibler Wirkungstheorien lassen wissenschaftliche Evidenz keine klaren Vorteile durch den Einbau von Regenerationsinterventionen erkennen. Unbestritten ist die Bedeutung einer angemessenen Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr. Der systematische Einbau von Ruheperioden sowie ein optimiertes Schlafmanagement erscheinen ebenfalls ratsam. Trotz hoher Akzeptanz in der Sportpraxis ist die funktionelle Wirksamkeit von aktiven Erholungsmaßnahmen (d. h. moderate, dynamische und rein aerobe Aktivitäten großer Muskelgruppen wie Jogging, Fahrradfahren, Schwimmen oder sanftes Krafttraining) sowie Stretching, Kälte- und Wärmeapplikationen (z. B. Kaltwasserimmersion oder Sauna), Kompressionskleidung, Massage oder Foam-Rolling weiterhin fraglich.

Im Einzelfall berichten Sportler allerdings von einem gesteigerten Wohlbefinden und/oder einer Linderung des Muskelkaters und zeigen teilweise auch eine schnellere Wiederherstellung der körperlichen Leistungsfähigkeit. Einige wenige Untersuchungen fanden jedoch auch heraus, dass beispielsweise ein Einsatz der Kaltwasserimmersion im langfristigen Trainingsprozess die durch Krafttraining angestrebten Anpassungen verringerte. Das bedeutet, eine durch den Einsatz von Regenerationsinterventionen beschleunigte Regeneration steht möglicherweise im konkurrierenden Verhältnis zu den angestrebten Anpassungseffekten durch Training.

Gibt es eine Faustregel, wie eine regenerative Einheit aussehen sollte? Wenn ja, welche?

Aufgrund der geringen Evidenz zur Wirksamkeit einzelner Regenerationsstrategien, der individuell unterschiedlichen Ermüdungs- und Erholungsverläufe sowie der spezifischen Rahmenbedingungen einzelner Sportarten bzw. Disziplinen gibt es keine allgemeingültige Faustregel. Eine Entscheidung für oder gegen eine Regenerationsintervention bzw. Maßnahmenkombination sollte aber grundsätzlich unter strenger Einhaltung des Prinzips der Individualität und Sportartspezifität erfolgen.

Haben sie ein Beispiel?

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Beispielsweise wird das Prinzip der Sportartspezifität nachvollziehbar, wenn es um die Frage nach dem Sinn der Kaltwasserimmersion für Schwimmer oder eines Saunabads nach sportlichen Aktivitäten in großer Hitze geht. Das Prinzip der Individualität berücksichtigt dabei die individuellen Vorlieben des Sportlers. Eine Regenerationsintervention ist häufig nur dann erfolgreich, wenn sie vom Sportler als wirksam empfunden und aus voller Überzeugung eingesetzt wird.

Eine allgemeine Empfehlung für beispielsweise den Lauf- und Radsport oder den Fußball könnte folgendermaßen lauten: Unmittelbar nach dem Ende eines Wettkampfs oder einer intensiven Trainingseinheit sollte sich zunächst auf eine ausreichende Flüssigkeits- und Energiezufuhr konzentriert werden. Dies erscheint unter anderem deshalb logisch, da die Wiederauffüllung der entleerten Kohlenhydratspeicher vor allem in den ersten beiden Stunden nach sportlicher Aktivität beschleunigt abläuft. Im zeitlichen Ablauf folgt dann der Einsatz von Kälteapplikationen bzw. potenziell Entzündungshemmenden und abschwellenden (z. B. Kaltwasserimmersion oder Kompressionskleidung) Interventionen.

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Erst in ausreichendem zeitlichem Abstand zum Belastungsende (z. B. am Folgetag) scheinen blutflusssteigernde und wiederherstellungsbeschleunigende Maßnahmen (z. B. aktive Erholung und Massage) induziert. Dabei sollte zu jedem Zeitpunkt die Bedeutung von ausreichendem und erholsamem Schlaf nicht unterschätzt werden. Schließlich kann die zunehmende Verfügbarkeit von weiteren Interventionen und Technologien, wie z. B. Vibrations-Trainingsgeräte, für das Regenerationsmanagement von Interesse sein. Vereinzelte wissenschaftliche Studien berichten von regenerations-relevanten Effekten.

Ein eindeutiger wissenschaftlicher Wirksamkeitsnachweis fehlt jedoch. Durch geschickte Marketingstrategien sind verschiedene Geräte jedoch bereits teilweise im leistungssportlichen Umfeld im Einsatz. Aufgrund des hohen apparativen und finanziellen Aufwandes bei weitestgehend unklarer Evidenz kann aber bislang von einem flächendeckenden Einsatz abgeraten werden.

Hier gibt es Beispiele für praktische Übungen

Hattingen: Tipps für Regeneraton aus der Aktiv-Praxis Hattingen