Hattingen/Bochum. Jacqueline Herweg trägt aufgrund einer starken Skoliose Titanstangen in sich. Bei der Kurzbahnmeisterschaft hofft sie auf eine neue Einstufung.

Es ist ziemlich genau zwei Jahre her, als Jacqueline Herweg ihren letzten Wettkampf bestritt. Durch eine immer schlimmer werdende Verkrümmung der Wirbelsäule (Skoliose) wurde sie gezwungen, ihren Sport auf Leistungsniveau erst einmal einzustellen. Mit der war die Para-Schwimmerin der SG Ruhr einige Jahre unterwegs – und erfolgreich. Nachdem sie sich einer Operation unterziehen musste, ist sie nun zurück im Wasser. Sie startet am Wochenende in Remscheid bei der Deutschen Kurzbahnmeisterschaft der Para-Schwimmer und wird dort aufgrund der OP neu klassifiziert.

Die Skoliose entwickelte sich bei der jungen Frau im Grundschulalter, im Rahmen einer U-Untersuchung wurde sie festgestellt. Daher kam sie überhaupt zum Schwimmen, um ihrem Körper mit schonenden Bewegungen zu begegnen. „Anfangs konnte das Korsett, welches ich insgesamt zehn Jahre tragen musste, meine Wirbelsäule aufrichten und korrigieren. Ab der Pubertät und den nächsten Wachstumsschüben wurde es jedoch immer schlimmer, bis die Verkrümmung in der Brustwirbelsäule am Ende fast 90 Grad betrug“, erinnert sich Herweg. Ihr wurde damals schon zu einer OP geraten, doch Schmerzen hatte die Sportlerin nicht und versuchte daher, lange Zeit die OP zu vermeiden. „Nun war sie unumgänglich“, so die Bochumerin.

Rund 20 Schrauben halten die Titanstangen im Rücken

Jacqueline Herweg musste sich aufgrund ihrer immer stärker werdenden Skoliose einer Operation unterziehen. Dabei wurden ihr zwei Titanstangen an der Wirbelsäule angebracht.
Jacqueline Herweg musste sich aufgrund ihrer immer stärker werdenden Skoliose einer Operation unterziehen. Dabei wurden ihr zwei Titanstangen an der Wirbelsäule angebracht. © Jacqueline HerweG

Ihr Schwimmstil veränderte sich, die Trainer sahen es. Nachdem sie noch im Sommer 2017 bei den Internationalen Deutschen Meisterschaften in Berlin zehn Medaillen gewann, sprang sie im November desselben Jahres zum vorerst letzten Mal bei einem Wettkampf ins Becken. Am 4. September 2018 folgte die Operation, wobei der Schwimmerin zwei Titanstangen entlang der Wirbelsäule eingebaut wurden. Dadurch konnte die Wirbelsäule aufgerichtet und ein Stück weit korrigiert werden. Die Titanstangen verlaufen dabei vom zweiten Brustwirbel bis zum zweiten Lendenwirbel und sind mit etwa 20 Schrauben und Knochenersatzmaterial fixiert. Dadurch ist die Wirbelsäule im gesamten Operationsbereich versteift und somit in der Bewegung deutlich eingeschränkt.

Über zunächst moderate Bewegungen im Wasser arbeitete sich Herweg zurück. „Ich musste erst wieder lernen, mich im Wasser neu zu sortieren und die Techniken wieder ausprobieren. Ich musste ein neues Körpergefühl entwickeln und lernen meinem Körper wieder zu vertrauen“, erzählt die 24-Jährige. Anfangs taten die Bewegungen weh, was an der großen Narbenfläche und den weiter bestehenden muskulären Dysbalancen lag. Es gab einen Moment, in dem ein starker Stich durch den Rücken der Schwimmerin fuhr und ihr vor Schmerzen Tränen in die Augen schossen. Doch es war nichts passiert.

Schwimmerin kann Delphin-Technik nicht mehr ausführen

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Eine Disziplin kann sie nun aber nicht mehr schwimmen: Delphin, mit der sie in Berlin 2017 noch erfolgreich über die 400-Meter-Lagenstrecke war. Doch das verhindert jetzt die versteifte Wirbelsäule, der für die Beinkicks benötigte Vortrieb aus der Hüfte und die erforderliche Beweglichkeit im Brustbein sind nicht mehr möglich. Auch Rotationen nach hinten sind nicht mehr möglich, weshalb sie sich beim Kraulen und Rückenschwimmen anpassen musste. Den Rückenstart kann sie in der üblichen Form auch nicht mehr ausführen, ebenso wenig wie Rollwenden. „Dadurch fehlen mir Sekunden, die man sich auf der Strecke nur schwer wieder erschwimmen kann“, sagt Herweg, die das Schwimmen vermissen würde.

Die 24-Jährige ist froh, wieder im Becken zu ein. Sie liebt ihren Sport.
Die 24-Jährige ist froh, wieder im Becken zu ein. Sie liebt ihren Sport. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Deshalb ist sie froh, wieder ins Becken steigen zu können. Sie genießt es, zurück bei den Kollegen im Training zu sein und mitzumachen. „Ich liebe den Sport und will ihn nicht aufgeben“, betont die ehrgeizige Sportlerin. Ihr Ziel ist erstmal der Wettkampf im Remscheid selbst, um auf etwas hinarbeiten zu können und überhaupt wieder aktiv dabei zu sein. Dort wird sie nun neu klassifiziert, muss dafür unter Wettkampfbeobachtung mindestens eine 100-Meter-Strecke Freistil oder Rücken und die 100-Meter-Brust absolvieren. So könnte eine Klassifizierung in die sogenannte Schadensklasse (S-Klasse) möglich sein.

Mit einer S-Klasse dürfte Herweg auch international starten

Zuvor war sie in der AB-Klasse (Allgemeine Behinderungen) eingestuft, womit sie nur national starten darf. Da Schwimmer der S-Klassen auch international an den Start gehen dürfen, wäre das für Herweg ein Trainingsanreiz. Sollte es klappen, wäre das eine sehr positive und motivierende Nachricht. „Ich lasse mich da überraschen, in erster Linie bin ich froh, dass ich den Sport, wenn auch eingeschränkt, überhaupt weiter ausführen kann.“