Gelsenkirchen. Seit Jahren kann in der Emscher-Lippe-Halle kein Eishockey gespielt werden. Wie der Nachfolgeverein der Schalker Haie ums Überleben kämpft.
3.086,2 Kilometer – genau so lang war die Zusatz-Strecke, die jeder Spieler und Trainer des EHC Gelsenkirchen in der vergangenen Saison insgesamt zu den Trainingseinheiten und zu den Heimspielen zurücklegen musste. Berechnet hat diesen Wert EHC-Geschäftsführer Matthias Begel, um damit zu zeigen, welch großen Aufwand die Mitglieder des Klubs seit über drei Jahren auf sich nehmen, um Eishockey zu spielen.
Eigentlich trainiert und spielt der EHC, der der Folgeverein des früheren Zweitligisten Schalker Haie ist, in der Emscher-Lippe-Halle. Doch da die zunächst zum Impfzentrum umfunktioniert wurde und aktuell als Flüchtlingsunterkunft genutzt wird, muss der Klub auf andere Hallen in Dorsten, Duisburg und Wesel ausweichen.
EHC Gelsenkirchen: Tausende Zusatz-Kilometer fürs Training und für die Spiele
So kommen die tausende Zusatz-Kilometer pro Saison zustande, Auswärtsspiele sind da übrigens noch nicht eingerechnet. Und nun zeichnet sich ab: Die Emscher-Lippe-Halle wird wahrscheinlich gar nicht mehr für den Eissport reaktiviert. Rund 35 Jahre nach der Blütezeit der Schalker Haie steht Eishockey damit in Gelsenkirchen vor dem Aus.
Zwar können die Stadtwerke Gelsenkirchen als Betreiber der Emscher-Lippe-Halle noch nicht abschätzen, wie lange die Halle als Flüchtlingsunterkunft gebraucht wird. Dennoch dämpfen sie auf WAZ-Anfrage bereits die Hoffnungen auf ein Comeback des Eissports: „Eine erneute Nutzung als Eissporthalle ist angesichts der massiv gestiegenen Energiekosten und der absehbaren Nutzung als Flüchtlingsunterkunft eher ungewiss“, schreiben die Stadtwerke. Sie rechnen vor: Allein mit der Energie, die im Laufe einer Eislaufsaison zur Kühlung der Eisfläche gebraucht wird, könnten bis zu 400 Ein-Personen-Haushalte ein ganzes Jahr mit Strom versorgt werden. Über die Zukunft der Halle müsse nun die Kommunalpolitik entscheiden.
Rückkehr des EHC in die Emscher-Lippe-Halle rückt in weite Ferne
Eine Rückkehr des EHC in die Emscher-Lippe-Halle rückt damit in weite Ferne. Seit der Klub quer durchs Ruhrgebiet tingelt, hat er nach eigenen Angaben rund 20 Prozent der Mitglieder verloren. „Der Stamm bleibt zwar erhalten, aber es brechen massenhaft Kinder weg. Die weiten Strecken sind für viele einfach nicht zu stemmen“, sagt Geschäftsführer Begel, dessen Verein aktuell noch knapp 100 Mitglieder zählt.
Einen ähnlichen Rückgang hatte der EHC bereits 2015 verkraften müssen, als die Emscher-Lippe-Halle schon einmal als Flüchtlingsunterkunft genutzt worden war. Damals konnte der Klub nach einiger Zeit aber wieder zurück in die Halle und baute die Mitgliederzahl anschließend Stück für Stück wieder auf. Nun ist eine Rückkehr jedoch nicht in Sicht, der Klub steht vor einer ungewissen Zukunft. Begel fordert: „Wir wollen einfach wissen: Hat die Stadt weiterhin Interesse an Eishockey und würde etwas unternehmen, wenn es einen gewissen Rahmen nicht sprengt? Oder sagt die Stadt: Nein, wir haben keine geeignete Fläche und kein Geld für Eishockey? Das wäre auch eine klare Antwort und wir könnten uns überlegen, was wir machen. Nur dieses Hin und Her wollen wir nicht.“
Verein hat mehrere Vorschläge
Die Situation seines Vereins hat Begel auch kürzlich im Sportausschuss beschrieben. Danach sei tatsächlich Bewegung in die Sache gekommen. „Wir hatten erste Gespräche mit Vertretern der Stadt“, erzählt er. „Dabei wurde uns versprochen, dass wir eine Antwort bekommen. Das wird zwar noch dauern, aber immerhin tut sich nach sechs Jahren endlich etwas. Wir sind auf einem guten Weg.“
Begel hat bereits kreative Lösungen im Kopf, um außerhalb der Emscher-Lippe-Halle Eishockey zu spielen. „Man kann zum Beispiel Eisflächen mieten. Das sind solche Flächen, die es auch auf Weihnachtsmärkten gibt. Dann braucht es nur eine leerstehende Halle oder Industriebaracke, auch eine Traglufthalle würde reichen“, erklärt Begel und stellt fest: „Letztendlich brauchen wir die Fläche nur für sechs, sieben Monate, dann ist die Saison vorbei. Uns reicht die kleinste Halle, die es gibt. Die Emscher-Lippe-Halle war für uns sowieso zu groß.“
Stadt und Gelsensport suchen nach geeigneten Flächen
Aktuell suchen Stadt und Gelsensport nach geeigneten Flächen. „Noch haben wir keinen konkreten Vorschlag“, sagt Gelsensport-Geschäftsführer Marc Kopatz, betont aber: „Es wäre schön, so einen Traditionsverein und die Sportart in Gelsenkirchen zu halten.“
Auch der EHC will am liebsten nicht aus seiner Heimatstadt weg. „Wir können uns langfristig nur über Wasser halten, wenn wir in Gelsenkirchen bleiben. Oder wir müssen mit einem komplett neuen Konzept in einer anderen Stadt anfangen“, sagt Begel. Nun wartet der Klub aber erst mal auf die Entscheidung – und wird bis dahin noch einige Kilometer Zusatz-Strecke ansammeln.