Gelsenkirchen. .
Die Haare sind zwar etwas dunkler, doch die Hände mindestens genauso groß. Den Becher Apfelschorle im „Cafe Copas“ in Buer umschlingen sie zumindest problemlos.
Auch der Gesichtsausdruck, die Mimik, die Bewegungen mit den Händen während des Gesprächs. Marcel Neuer ist seinem Bruder Manuel schon sehr ähnlich.
Marcel ist ein Jahr älter, studiert katholische Theologie und Geschichte auf Lehramt an der Ruhr-Uni in Bochum. Gerade hat er seine Griechisch-Prüfung bestanden. „Ein Segen“, sagt er. Jetzt geht es erst einmal in die Ferien. Drei Wochen Ameland. Ferien auf dem Bauernhof. Mit der Jugendfreizeit der Kirchengemeinde St. Urbanus. Luxus: Fehlanzeige.
Der Bruder der deutschen Nummer eins, der Bruder des wohl besten Torhüters der Welt zu sein, macht Marcel stolz. Natürlich. Beinahe täglich wird der damit konfrontiert. In der Uni, in der Stadt, auf dem Sportplatz. „Es wissen schon viele Menschen, wer ich bin“, erklärt er und grinst. Und doch ist er eben nur der große Bruder von Manuel Neuer. Marcel führt sein eigenes Leben. Mit vollster Zufriedenheit übrigens.
"Manuel hat auf vieles verzichtet"
„Manuel hat für seinen Erfolg hart gearbeitet, auf vieles verzichtet, worauf ich nicht hätte verzichten wollen. Für ihn gab es nur die Schule und den Fußball“, erklärt Marcel.
Und dennoch bekleidet auch Marcel seit elf Jahren auf dem Fußballplatz eine Rolle, in der es viel Verantwortung zu tragen gilt. Marcel Neuer ist Schiedsrichter, zählt zu den erfolgreichsten des Kreises Gelsenkirchen. Er hat den Aufstieg in die DFB-Klasse geschafft, leitet ab der kommenden Saison sogar Spiele in der Jugend-Bundesliga.
Dass der eine Bruder Torwart, der andere Schiedsrichter geworden ist - für den 26-Jährigen kein Zufall: „Wir beiden mögen eben das Besondere, lieben Entscheidungsfreudigkeit. Spieler stehen 20 an der Zahl auf dem Feld. Aber es gibt eben nur zwei Torhüter und einen Schiedsrichter.“ Fußballspielen war nie Marcels Ding. „Das Potenzial ist da arg beschränkt“, sagt er und lacht. Nur wenn die Schiedsrichterauswahl Gelsenkirchen gelegentlich mal vor den Ball tritt, schnürt auch Neuer die Schuhe. Sein Stammplatz ist die rechte Abwehrseite. „Technisch nicht gut, kämpferisch aber nicht aufgebend“, erklärt er und lacht. Ließ es der Spielplan der Schalker zu, steuerte Manuel an Sonntagnachmittagen gelegentlich die Amateursportplätze der Umgebung an, um seinen Bruder an der Pfeife zu sehen.
Gespräch unter Brüdern
Umgekehrt drückte Marcel seinem Bruder samstags im Stadion die Daumen. Das hat sich jetzt erst einmal erledigt. „Wir stehen uns sehr nahe, haben uns immer unterstützt“, erklärt Marcel. Gerne erinnert sich Marcel an eine Geschichte aus der Schulzeit zurück. „Manuel ist nicht so der geborene Künstler. Da habe ich schon mal morgens noch schnell sein Kunstbild gemalt und es ihm dann in die Klasse gebracht. Mensch Manuel, du hast wieder deine Kunstsachen zu Hause vergessen, habe ich dann gesagt.“ Eine Zwei Plus übrigens. Selbstverständlich gab es auch vor Manuels Unterschrift beim FC Bayern München ein Gespräch unter Brüdern. „Manuel hat mir das so erklärt: Für ihn ist Fußball Beruf. Das kann morgen schon vorbei sein. Und jeder strebt eben danach, bei dem besten Arbeitgeber unter Vertrag zu stehen. Ich verstehe seine Entscheidung.“
Auch, wenn sich der Schalke-Fan Neuer eine andere gewünscht hätte. Natürlich.