Rotthausen. Mit den Finanzspritzen des Holzhändlers marschiert der Gelsenkirchener Klub SV Rotthausen bis in die Fußball-Oberliga. Unvergessene Gartenpartys.
Können Sie sich vorstellen, dass die Sportfreunde Bulmke im nächsten Sommer den Sprung von der Kreisliga A in die Bezirksliga schaffen und dann bis zum Jahre 2027 in die Oberliga durchmarschieren? Im Fußball ist vieles möglich, werden Sie jetzt denken. Aber alltäglich ist es nicht, dass eine Mannschaft innerhalb von nur fünf Jahren von der Kreisebene bis in die höchste westfälische Amateurspielklasse emporsteigt.
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Dem SV Rotthausen ist das vor etwa drei Jahrzehnten gelungen – nicht zuletzt dank der finanziellen Unterstützung des Holzhändlers Otto „Ötte“ Weisenstein. Nach dem Bezirksliga-Abstieg 1986 dümpelte der traditionsreiche Klub vier Spielzeiten in der Staffel 2 der Kreisliga A herum, bevor dann auf der Sportanlage Auf der Reihe ein Höhenflug begann, den danach kein anderer Gelsenkirchener Verein mehr in dieser Form hinlegte.
Norbert-Furtkamp-Aus: Roger Petzke wollte seine Sachen packen
Als Baumeister des sportlichen Erfolges darf Norbert Furtkamp bezeichnet werden. Der Mann, der auch in Katernberg, in Schonnebeck und bei der SSV Buer erfolgreich wirkte, stellte eine Mannschaft zusammen, mit der er 1990 in die Bezirksliga und ein Jahr danach in die Landesliga aufstieg. Trotzdem musste er ein Jahr später gehen – weil es in er Vorbereitung auf die Saison 1992/93 einige negative Resultate gab, die „Ötte“ Weisenstein derart aufschreckten, dass er zu einer unpopulären Maßnahme griff und den beliebten und geachteten Norbert Furtkamp entließ.
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„Kurz zuvor bin ich von den Sportfreunden Wanne nach Rotthausen gewechselt“, berichtet Roger Petzke. Er war damals nicht nur ein begnadeter Spielmacher, sondern auch der Neffe von Norbert Furtkamp. „Ich wollte nach der für mich unerklärlichen Trainer-Entlassung sofort wieder meine Sachen packen und den Verein verlassen, aber mein Onkel machte mir deutlich, dass das eine nichts mit dem anderen zu tun habe und ich bleiben solle.“
Michael Sander als rechte Hand von „Ötte“ Weisenstein
Roger Petzke gehorchte und lernte „Ötte“ Weisenstein und den Verein im Laufe der folgenden Jahre von einer anderen, einer für ihn deutlich sympathischeren Seite kennen. „Es war eine sehr schöne Zeit, ich habe traumhafte Erinnerungen an diese Jahre“, teilt der heute 60-Jährige mit. Legendär waren vor allem die Mannschaftspartys im Garten des Hauses von „Ötte“ Weisenstein an der Laarstraße in Bismarck. „Diese Partys waren der Wahnsinn“, sagt Roger Petzke rückblickend. Und wenn er das so sagt, dann schwingt im Unterton das Bedauern mit, dass es das in dieser Form von der heutigen Spielergeneration nicht mehr praktiziert wird. „Wir haben halt eine andere Zeit“, fügt er hinzu.
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Michael Sander war als rechte Hand von „Ötte“ Weisenstein nicht nur ein hervorragender Geschäftsführer, sondern auch ein genialer Stimmungsmacher bei den Gartenpartys. „Wenn er zur Gitarre griff, haben alle mit eingestimmt“, berichtet Roger Petzke. Und wenn es dann dunkel wurde, hatte der gönnerhafte Klubchef immer seinen ganz großen Auftritt. „Ötte“ Weisenstein griff zur Badehose und zur Badehaube – und ab ging es in den Pool, der anschließend noch genug Platz für die gesamte Rotthauser Mannschaft bot.
Roger Petzke: „Es wurden keine utopischen Summen gezahlt“
„Die Nachbarn werden sich sicherlich noch heute an diese Abende erinnern“, merkt Roger Petzke mit einem Schmunzeln an. „Einige Male kam auch die Polizei zu Besuch.“ Das waren die etwas weniger schönen Momente. Einen solchen Moment hatte der korpulente Masseur Rainer Petrat ein anderes Mal ganz exklusiv, als er von „Ötte“ Weisensteins Berner Sennenhund an der Haustür freudig begrüßt, von ihm umgestoßen und zur Belustigung der übrigen Gäste gefühlt 75-mal über das Gesicht geleckt wurde.
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„Wir hatten eine tolle Kameradschaft, es war kein Stinkstiefel dabei“, sagt Roger Petzke. Noch heute verabredet man sich zu gemeinsamen Treffen, die nicht mehr ganz so wild ausfallen wie in den 90er-Jahren, aber immer noch regelmäßig von einer zweistelligen Anzahl an Spielern besucht werden. Roger Petzke räumt damit mit der Mär auf, dass der Kitt der Mannschaft das Geld war, das die Spieler dank „Ötte“ Weisenstein bekommen hatten. „Alles hielt sich im üblichen Rahmen“, berichtet Roger Petzke. „Es wurden keine utopischen Summen gezahlt. So spendabel Ötte auch war, aber für ihn hörte der Spaß auf, wenn jemand überzogene Forderungen gestellt hat.“
3:1-Sieg in der Glückauf-Kampfbahn bei den Schalker Amateuren
Mit Manfred Schwarze als Trainer gelang dem Spielverein im Jahre 1993 der Aufstieg von der Landes- in die Verbandsliga, und zwei Jahre danach folgte der erstmalige Sprung in die Oberliga. Ein damals sensationelles Ereignis, denn noch Mitte März 1995 rangierte der SV Rotthausen in der Verbandsliga nur auf Rang neun. Dann folgte ein imponierender Schlussspurt – unter Roger Petzke als Spielertrainer. Er hatte Wolfgang Ahlefelder in der Winterpause abgelöst. „Ein feiner Mensch, der uns in der Sommervorbereitung drei Wochen lang nur laufen ließ“, erzählt Petzke. „Von dieser Kondition zehrten wir zum Ende der Saison.“ Als Zweiter der Staffel 2 erreichten die Rotthauser das Entscheidungsspiel um den Aufstieg, das sie am Hülser Badeweiher gegen die favorisierte TSG Dülmen mit 1:0 gewannen.
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In der Oberliga hielt sich der SVR drei Jahre lang. 1998 ging es zurück in die Verbandsliga, aber bereits ein Jahr danach wieder rauf in die Oberliga. Das zweite Intermezzo in dieser Spielklasse dauerte nur ein halbes Jahr. Unmittelbar vor der Winterpause nach einem 3:1-Sieg bei den Amateuren des FC Schalke 04 in der Glückauf-Kampfbahn gingen die Lichter bei den Gelb-Schwarzen für immer aus.
Der Verein hatte einen Schuldenberg in sechsstelliger DM-Summe angehäuft. „Ötte“ Weisenstein soll, so wird erzählt, vor Gericht einen Koffer mit 150.000 DM auf den Tisch des Hauses gestellt haben, um auf diese Weise die Schulden zu tilgen. Nach dieser spektakulären Aktion zog sich der inzwischen leider verstorbene Gönner zurück. Am 12. April 2000 wurde der SV Rotthausen nach Insolvenz aufgelöst.