Beim FC Schalke herrscht Aufbruchstimmung, trotz des Desasters der Bundesliga-Profis bei den Bayern. Der Grund dafür sind die Frauen...
44 ½ Stunden nach der 0:8-Klatsche zum Auftakt der Bundesliga beim Triplesieger Bayern München hat der FC Schalke 04 einen schönen Doppelsieg feiern dürfen. Das zwar vor mehr Zuschauern als beim „Geisterspiel“ in der Allianz-Arena, dafür allerdings ein paar Spielklassen tiefer.
Schalke ist nämlich in der Kreisliga angekommen, aber was heißt schon angekommen, hier geht es doch jetzt erst richtig los! Der Traditionsklub hat eine Frauenfußball-Abteilung gegründet, am Sonntag fand nun der erste Spieltag in der Kreisliga A Herne statt, in der auch die Gelsenkirchener Mannschaften am Start sind – eben auch Schalke 04.
„Das ist gut für den Frauenfußball und wird dafür sorgen, dass sich hier im Ruhrpott noch mehr Mädchen in Fußballvereinen anmelden.“
Ein Aschenplatz in Herne-Baukau und ein Kunstrasen in Castrop-Rauxel sind die Schauplätze dieser im Grunde historischen Ereignisse: Zum ersten Mal nach Jahrzehnten sind für Schalke 04 wieder Frauen am Ball. Weil sich bei den vorherigen Sichtungstrainings so viele motivierte Spielerinnen angeboten haben, insgesamt waren es über 200, hat der Verein gleich zwei Mannschaften für den Spielbetrieb angemeldet – Schalke blau und Schalke weiß.
Baukau führt, Schalke schlägt zurück
Schalke Blau spielt zum Auftakt bei BW Herne-Baukau, allerdings in Weiß, da die Hernerinnen in Dunkelrot auflaufen. Schalke Weiß trägt bei der SG Castrop-Rauxel tatsächlich weiß. Um 17 Uhr werden die beiden Partien angepfiffen – und das prestigeträchtige erste Tor für Schalkes Frauen gelingt Kristina Kirscht. Die Kapitänin von Schalke Blau ist auf der Sportanlage an der Cranger Straße in der zehnten Minute zur Stelle. Allerdings ist es „nur“ der Ausgleich zum 1:1, denn wenige Sekunden vorher hat Hedda Kreuzaler die Gastgeberinnen mit 1:0 in Führung geschossen. „Gut, dass wir so schnell den Ausgleich geschafft haben“, atmete Kristina Kirscht nachher auf.
Nach 24 Minuten und weiteren Toren durch einen Doppelschlag von Alina Gehle und Clara Pointke steht es 3:1 für Schalke Blau. Es ist schon das Endergebnis, denn in den folgenden 66 Minuten liefern sich die Spielerinnen auf der staubigen Asche Am Heyermanns Hof 2 zwar einen tapferen Kampf, aber so richtig in Tornähe kommen auch die favorisierten Schalkerinnen kaum noch. „In der zweiten Halbzeit haben wir ein bisschen zu kompliziert gespielt“, befand Trainer Stefan Colmsee. „Auch wenn der Gegner sehr tief stand und es schwer war, da durch zu kommen hätte ich mir gewünscht, dass die Mädels direkter mal den Weg zum Tor suchen.“
Schalke als Zugpferd in der Region
Ein paar Kilometer weiter machte es Schalke Weiß besser und fuhr das Lieblingsergebnis aller Schalker bei einem Auswärtsspiel ein – 0:4. Jeweils zweimal Vera Billermann und Melissa Grimaldi trafen für das Team von Coach Boris Liebing.
Für die beiden neuen Teams ist es sicher ein perfekter Start in die Saison, denn all zu hohe Siege hätten bei den Nachbarn den Anschein erwecken können, dass Schalke in der Kreisliga außer Konkurrenz spielt. Auf der anderen Seite darf man sich mit dem großen Namen natürlich in der untersten Spielklasse keine Blöße geben. „Wir freuen uns, dass wir gegen Schalke spielen dürfen“, gibt Lucyna Iskrzycki zu. „Das ist gut für den Frauenfußball und wird sicherlich dafür sorgen, dass sich hier im Ruhrpott noch mehr Mädchen in Fußballvereinen anmelden.“
Die Kapitänin der Baukauerinnen, die nach dem Abpfiff die knappe 1:3-Niederlage gegen Schalke Blau wie einen Sieg feierten, war sichtlich stolz. „Wir waren vorher schon nervös und wussten, dass der Gegner sehr stark sein würde. Dafür haben wir uns gut gehalten und sogar das erste Tor gegen Schalke geschossen“, lachte Lucyna Iskrzycki. „Davon können wir bestimmt noch lange erzählen. Außerdem haben eine Halbzeit 0:0 gespielt, auch das macht uns stolz und glücklich.“
90 Minuten auf Asche, dann 24-Stunden-Dienst bei der Feuerwehr
Während die Hernerin noch lange nach dem Spielende mit ihren Teamkolleginnen und Freunden und Familie plauschte, musste auf der anderen Seite Kristina Kirscht schnell ihre Tasche. Für die Spielführerin von Schalke Blau ging es direkt zur 24-Stunden-Schicht. Die Feuerwehrfrau hatte für das Spiel extra ihren Dienst getauscht, mit nach 90 Minuten auf der Asche müden Beinen ging es zur Arbeit. „Da muss man durch, wenn man seinen Traum wahr machen will“, erklärte die 30-Jährige gut gelaunt.
Nach Stationen beim VfL Bochum in der Regionalliga West und dem Mülheimer Niederrheinligisten SV Heißen, wo sie zuletzt auch als Co-Trainerin tätig war, wollte sie unbedingt im Trikot mit dem S04-Logo auf der Brust auflaufen. „Mein Freund hat gesagt, geh da hin“, hatte Kristina Kirscht einen guten Fürsprecher, als im Juli die Termine für die Sichtungstrainings im Schatten der Arena feststanden.
„Es waren zwar anstrengende Wochen, aber es hat sich gelohnt. Wir haben ein super Team zusammen, in dem ich eine der Oldies bin“, grinst die offensive Mittelfeldspielerin. „Obwohl wir ja ‘nur’ in der Kreisklasse kicken, hat Schalke das sehr professionell aufgezogen. In der Vorbereitung haben wir sogar eine Leistungsdiagnostik mit den Leichtathleten im Verein absolviert“, berichtet Kristina Kirscht.
Schalke Blau gegen Schalke Weiß
Im November kommt es dann zum vereinsinternen Duell zwischen Schalke Blau und Schalke Weiß. In die Bezirksliga aufsteigen kann nur ein Team, doch Konkurrenz gibt es nicht. „Wir haben ein sehr freundschaftliches Verhältnis untereinander und werden uns immer dann gegenseitig unterstützen, wenn die Spiele nicht zeitgleich angesetzt sind“, betont Trainer Stefan Colmsee.
Sein Vater Peter ist übrigens sein Co-Trainer bei Schalke Blau. Für den Geschäftsführer und Sportlichen Leiter beim Gelsenkirchener Landesligisten Viktoria Resse schließt sich ein Kreis, denn in den 80er-Jahren hat er schon einmal ein Schalker Frauenfußball-Team trainiert.
Seine Schwester Gisela stand sogar 1974 mit Eintracht Erle im ersten Endspiel um die Deutsche Meisterschaft im Frauenfußball, die Partie ging allerdings mit 0:4 gegen den TuS Wörrstadt verloren. „Seitdem hat sich der Frauenfußball total verändert, das Spiel ist viel schneller und die Spielerinnen athletischer geworden“, weiß Peter Colmsee.
Kristina Kirscht, die erste Torschützin der Schalker Frauenfußballerinnen der Neuzeit kann das nur bestätigen. Auch in der Kreisliga sind 90 Minuten – zumal bei Sonne, 25 Grad und auf staubiger Asche – ziemlich intensiv. Danach noch mal eben einen 24-Stunden-Dienst bei der Feuerwehr zu schieben, ist ein echter Schlauch...