Gelsenkirchen. Everton-Leihgabe Jonjoe Kenny bleibt zwar voraussichtlich nicht für immer,doch den Mythos Schalke hat er von der ersten Sekunde an verinnerlicht.
Eines ist diesem Jonjoe Kenny (22) wichtig, das betont er bei jeder Gelegenheit: Trotz seiner kurzen Vertragslaufzeit auf Schalke (einjährige Leihe, ohne Kaufoption) wolle er „nicht einfach nur ein Leihspieler sein, der mal kurz hier ist“. Jonjoe Kenny, der gebürtige Liverpooler mit dem kantigen nordenglischen Dialekt, hat viel größere Ziele im Visier: „Ich will mit Schalke Spiele und am besten Trophäen gewinnen. Das hat dieser Klub, der 60.000 Menschen zu jedem Heimspiel anzieht, mehr als verdient.“
Jonjoe Kennys Gespür für die Seele und die Sehnsüchte der Fans ist ihm quasi angeboren. Der 1,76-Meter-Mann ist seit frühester Kindheit ein Blauer – kein Königsblauer, sondern ein Evertonian, wie sich die Fans des Liverpooler Traditionsklubs nennen. Jonjoe Kenny wuchs nur rund eine Meile von Evertons Stadion Goodison Park auf, ging dort in der Gegend zur Schule und trainierte mit seinem Vater fast täglich in einem nahe gelegenen Park.
Jonjoe Kenny: „Der Goodison Park bedeutet so viel für mich“
Alles für seinen großen Traum: eine Karriere beim FC Everton. „Natürlich habe ich dafür viel geopfert“, verriet Jonjoe Kenny kürzlich im Klub-TV der Toffees: „All die Partys, wenn deine Freunde ausgehen, und du hast am anderen Morgen eine Auswärtsreise vor dir. Das tut natürlich weh. Aber es gibt keine bessere Medizin, als durch den Tunnel auf den Platz zu gehen und die Fans zu hören.“
Wenn Jonjoe Kenny über seine (sportliche) Heimat spricht, kann er bisweilen richtig ins Schwärmen geraten: „Der Goodison Park bedeutet so viel für mich. Ich habe viele Erinnerungen an meine Zeit dort – als Fan, als Balljunge, als Jugendspieler und an meine bisherigen Einsätze in der Premier League“, so Jonjoe Kenny. „Zum Evertonian bin ich wohl durch meinen Onkel geworden. Er ging samstags oft mit mir und meinem Cousin zu den Spielen.“ Aus jener Zeit weiß der Blondschopf noch allzu gut, was es bedeutet, als Fan mit seinem Verein zu fiebern: „Ich liebe diese Atmosphäre an Spieltagen. Die Pubs sind restlos gefüllt, alle reden über das bevorstehende Spiel und spekulieren über das Ergebnis – man spürt, wie die Spannung steigt.“
Zehn Einsätze 2018/19 in der Premier League
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Dennoch fasste Jonjoe Kenny als Teenager einen Beschluss. Er wollte mehr sein als nur Fan. „Ich war schon als junger Spieler sehr selbstbewusst, und ich wusste: Eines Tages würde ich für Everton spielen! Meine Eltern haben mir diesen Glauben stets gelassen.“ Immerhin: In der vergangenen Spielzeit langte es für Jonjoe Kenny zu zehn Einsätzen in der englischen Premier League (790 Minuten Einsatzzeit). Zu wenig zwar für seine eigenen Ansprüche – aber genug, um den Trainer eines einstigen Liga-Rivalen auf sich aufmerksam zu machen: David Wagner, bis Januar noch Chefcoach beim diesjährigen Absteiger Huddersfield Town, wollte Jonjoe Kenny unbedingt zu den Knappen holen. Und Sportvorstand Jochen Schneider erfüllte ihm den Wunsch. Der Engländer war Schalkes erster Zugang überhaupt in diesem Sommer.
Die sportlichen Qualitäten des Jonjoe Kenny lassen sich in einem Satz zusammenfassen: Er ist ein typisch englischer Außenverteidiger. „Ich bin ein aggressiver Spieler, gehe gern nach vorn, schlage Flanken, liebe es aber auch zu verteidigen und zu tacklen“, sagt Kenny über Kenny und sieht durchaus noch Steigerungspotenzial: „Ich habe ja erst ein paar Spiele in der Premier League absolviert. David Wagner kann mich wirklich besser machen – als Spieler und als Person. Auch die Erfahrung, weit weg von zu Hause zu leben, wird mich stärken. Ich möchte einfach der beste Jonjoe Kenny werden, der ich sein kann.“
U-20-Weltmeister mit England 2017 in Südkorea
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Wie der Blondschopf sich selbst am liebsten sieht? Erfolgreich. Das offenbarte er auch auf seinem Profilfoto bei WhatsApp. Darauf zu sehen: Jonjoe Kenny als Jugend-Nationalspieler mit dem silbern glänzenden U-20-WM-Pokal in den Händen. Der damals 20-Jährige stand 2017 in jenem englischen Nachwuchs-Nationalteam, das in Südkorea den Weltmeister-Titel gewann und die Hoffnung auf eine neue große Ära im Mutterland des Fußballs nährte.
Wie so viele seiner damaligen Mannschaftskameraden (unter anderem der Neu-Leipziger Ademola Lookman) wartet Jonjoe Kenny noch immer auf den ganz großen Durchbruch im Profi-Fußball. Dafür nimmt der rechte Verteidiger gern den einen oder anderen Umweg in Kauf: Schalke ist bereits seine dritte Leihstation, mit 18 war er zum damaligen Drittligisten Wigan Athletic gewechselt, mit 19 heuerte er bei Oxford United in der 4. Liga an. Zuletzt stand Jonjoe Kenny zwei Jahre im Profikader des FC Everton, wo er meist dem irischen Nationalspieler Seamus Coleman den Vorzug als Rechtsverteidiger lassen musste.
Klassische Arbeiterstädte: Gelsenkirchen und Liverpool
Und jetzt? Gelsenkirchen, Germany. Eine klassische Arbeiterstadt, wie Jonjoe Kennys Heimat Liverpool – und doch eine gänzlich neue Welt: „Ich wollte mich woanders beweisen und meine Karriere pushen“, verrät Jonjoe Kenny. „Da kam Schalke, dieser grandiose Klub mit diesen tollen Fans, genau richtig. Zudem kannte ich David Wagner aus der Premier League. Der Stil, den er spielen lässt, passt zu meiner aggressiven Spielweise.“ Dabei mag es Serien-Junkie Kenny (schaut unter anderem „Friends“) privat eher locker und lustig. „Ich mache gerne Witze, und ich freue mich schon auf viele Späße mit den neuen Teamkollegen“, sagt er. „Aber keine Angst: Wenn es ernst wird auf dem Platz, bin ich voll bei der Sache.“