Essen. Im Podcast mit Felix Neureuther lässt Bayern-Spielerin Lena Oberdorf tief blicken. Warum für die Ex-Fußballerin der SGS ihre Zeit nach dem Weggang aus Essen psychisch schwer war.

  • Fußballstar Lena Oberdorf von Bayern München war im Podcast „Pizza & Pommes“ vom Bayrischen Rundfunk zu Gast. Im Gespräch mit Ex-Skifahrer Felix Neureuther sprach sie über psychische Belastungen, die ihre Karriere begleiteten.
  • Der Druck auf die junge Spielerin sei nach ihrem Wechsel von der SGS Essen zum VfL Wolfsburg 2020 immer höher geworden. Zwar sei sie besser und erfolgreicher geworden, habe aber auch den Spaß am Spiel teilweise verloren.
  • Ihr heiß diskutierter Wechsel zu Bayern München vor der aktuellen Saison, der die bisherige Rekordablöse im deutschen Frauenfußball kostete, habe es nochmal schlimmer gemacht. Dies habe sich auch auf ihre physische Gesundheit ausgewirkt.

Fast sieben Jahre ist es her, dass der Frauenfußball-Bundesligist SGS Essen fast beiläufig die Verpflichtung einer 16-Jährigen bekanntgab. Von einem vielversprechenden Talent der TSG Sprockhövel, das bisher lediglich mit Jungs gekickt hatte, war die Rede. Wie viele andere vor oder nach ihr sollte sie langsam an die Eliteliga herangeführt werden. Doch davon konnte in ihrem Fall keine Rede sein: Schon zum Saisonstart fand sie sich in der Essener Startelf wieder und schoss im Revierderby gegen den MSV Duisburg als zentrale Mittelfeldspielerin gleich zwei Treffer. Und das war erst der Anfang des beispiellosen Aufstiegs von Lena Oberdorf.

Mit einer Rekordablöse verließ sie SGS Essen Richtung Wolfsburg

Ihr Höhenflug schien unaufhaltsam: Noch während ihrer Zeit bei der SGS räumte sie die Fritz-Walter-Medaille als höchste Auszeichnung deutscher Nachwuchsspielerinnen drei Mal ab und ist bis heute in der Nationalmannschaft die jüngste WM-Debütantin überhaupt. Und als Oberdorf zwei Jahre später zum VfL Wolfsburg wechselte, spülte sie noch eine Rekordablöse in die Essener Vereinskasse, obwohl man sich über die genaue Höhe bis heute ausschweigt. Auch, weil dieses Preisschild vermutlich die Öffentlichkeit derart erregt hätte, dass es für die damals 18-Jährige bei ihrer Ankunft in Niedersachsen eine Last geworden wäre.

Mit Krücke, Schiene und Daumen nach oben: Lena Oberdorf meldet sich fünf Tage nach ihrem Olympia-Aus auf Instagram zurück.
Mit Krücke, Schiene und Daumen nach oben: Lena Oberdorf meldet sich fünf Tage nach ihrem Olympia-Aus auf Instagram zurück. © Screenshot/Instagram | Screenshot/Instagram

In Wolfsburg ging es rasant weiter: Oberdorf gewann die Meisterschaft und vier Mal den Pokal. Sie stand 2023 im Champions-League-Finale und war in der engeren Auswahl beim Ballon d´or sowie der Wahl zu Europas Fußballerin des Jahres. Was folgte, war der nicht ganz geräuschlose Wechsel zum Rivalen FC Bayern im vergangenen Sommer. Fast eine halbe Million Euro soll der FCB dafür nach Wolfsburg überwiesen haben, was im Frauenfußball bis dato eine vollkommen verrückte Summe ist. Nur spielte Oberdorf bis dato noch gar nicht für die Roten. Denn noch vor dem Saisonstart zog sie sich einen Kreuzbandriss zu. Von außen betrachtet, war es der erste Dämpfer in ihrer rasanten Entwicklung.

Verletzung ist ein Stück weit Resultat der vergangenen Jahre

Im Podcast „Pizza & Pommes“ vom Bayrischen Rundfunk gibt Oberdorf tiefe Einblicke in ihr Leben als Profisportlerin. So sieht sie ihre Verletzung ein Stück weit als das Resultat der vergangenen Jahre, in denen es für sie immer höher, weiter und schneller ging. „In den ersten Jahren in Essen habe ich extrem viel gelernt“, sagt sie. Die Erwartungen waren gering und Oberdorf hatte „einfach Spaß“. Dazu sorgten die Mitspielerinnen für Bodenhaftung: „Eine Marina Hegering wusste genau, wann sie mir einen Spruch drückt und mich Bälle holen schickt.“

Doch mit ihren Leistungen stieg der Druck. Dann kamen die Nationalmannschaft und der VfL Wolfsburg dazu. „Es ist alles glatt gelaufen. Ich konnte den Traum leben, den ich schon als Kind hatte“, sagt sie auf der einen Seite. Auf der anderen habe sie auch gelernt, was es heißt, Profi zu sein: „Es geht immer darum, 110 Prozent zu bringen. Ein Spiel zu prägen - und zu gewinnen. Dabei habe ich aufgehört, Spaß zu haben. Man kommt in einen Trott. Es ist dann ein Job.“ Die Medien haben sie da längst zum „Wunderkind“ und „Jahrhunderttalent“ erklärt. All das hat Oberdorf nachdenklich gemacht, weshalb sie schon während ihrer Zeit in Wolfsburg den Teampsychologen aufsuchte.

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Für sie war klar: „Ich möchte selbst entscheiden, wer ich bin.“ Das Problem ist nur, dass das mit dem Profi-Sport mitunter nicht vereinbar ist. Die eigene Verletzlichkeit zu zeigen oder sich als Person angreifbar zu machen, ist unter dem Brennglas der Öffentlichkeit kompliziert und schmerzhaft. Diese Erfahrung machte Oberdorf nicht zuletzt, als ihr Wechsel nach München bekannt wurde. Die 23-Jährige erhielt eigenen Angaben nach etliche Hasskommentare über die sozialen Medien, manche wünschten ihr gar den Tod. Und dann war ihr letztes Spiel im VfL-Trikot ausgerechnet noch das Pokalfinale gegen den FCB. „Vor dem Anpfiff hatte ich in der Kabine eine halbe Panikattacke.“

Oberdorf verabschiedete sich mit dem Pokalsieg aus Wolfsburg

Auf dem Rasen aber funktionierte Oberdorf. Wolfsburg gewann mit 2:0, und sie verabschiedete sich mit dem Pokalsieg. Doch dann setzte sie ihre Kreuzbandverletzung außer Gefecht. Es wurde ruhiger, und Oberdorf begann mit der Aufarbeitung ihres rasanten Höhenflugs, für die im Profi-Alltag keine Zeit blieb. Ein Termin für ihre genaue Rückkehr auf den Rasen ist nicht veröffentlicht. Viel wichtiger als der Zeitpunkt ist aber ohnehin, dass Oberdorf den Fußball dann wieder genießen kann und der Spaß daran zurückkehrt. Auch sportlich dürfte ihre Entwicklung dann noch längst nicht abgeschlossen sein.