Essen/Bochum. Massimo Ostuzzi absolviert seinen Informatik-Doktor in Bochum, spielt Volleyball beim VV Humann Essen. Dafür hat er sich gegen eine Karriere auf höchstem Level entschieden.

Eines fiel Massimo Ostuzzi sofort auf, als er vor einem Jahr nach Deutschland zog. „Hier wartet jeder streng darauf, bis die Ampel auf Grün umschaltet, bevor man die Straße überquert“, sagt der 25-Jährige. Selbst wenn kein Auto in Sicht sei, laufe niemand. „Die Menschen verhalten sich hier sehr loyal gegenüber den Regeln. Wenn bei uns die Straße frei ist und kein Auto kommt, gehst du einfach.“

Noch einen weiteren Punkt bemerkte Ostuzzi schnell: die kostenlosen Autobahnen. „In Italien müssen wir für die Nutzung zahlen.“ In Deutschland nicht, der Italiener profitiert davon. Nahezu täglich nutzt er die A40, die Autobahn verbindet seine beiden neuen Lebensmittelpunkte: In Bochum studiert Ostuzzi seit einem Jahr an der Ruhr-Universität, erwirbt seinen „PhD Informatics“. Bedeutet: Doktor in Informatik.

Italienischer Volleyball-Spieler: So sieht seine Tagesroutine aus

In Essen-Steele zockt Ostuzzi seit Mai diesen Jahres Volleyball beim VV Humann, ist der erste ausländische Spieler in der Geschichte des Zweitligisten. Seine tägliche Routine: Morgens geht’s normalerweise um 9 Uhr in die Uni, dort verbringt er den Tag bis 17 oder 18 Uhr. Dann ab nach Hause, eben was essen – und nach Steele fahren zum Training. Wenn er wieder zu Hause ist, noch einen Film schauen oder mit seiner Freundin telefonieren, die weiterhin in Italien lebt.

Massimo Ostuzzi - VV Humann Essen
Massimo Ostuzi fühlt sich wohl beim Essener Volleyball-Zweitligisten VV Humann. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Ein komplett neues Gefühl ist es für Ostuzzi nicht, auf sich allein gestellt zu sein: Schon mit 18 Jahren zog der 25-Jährige zu Hause aus, verließ seine Heimat Vicenza, eine Industriestadt im Nordosten Italiens, knapp eineinhalb Autostunden entfernt von Venedig, um Volleyball spielen zu können. Seitdem kehrte Ostuzzi, der auch schon einen Master in Mathematik abgeschlossen hat, nur im Sommer regelmäßig zurück nach Hause. „Ich glaube, es wäre komplizierter gewesen, wenn ich direkt aus meinem Elternhaus nach Deutschland gezogen wäre“, erklärt der Italiener.

VVH-Zugang Ostuzzi: „Kein Problem damit, alleine zu leben“

„Trotzdem ist es ein neues Gefühl, weil es viel weiter weg ist als bisher. Dazu lebe ich in einem neuen Land, könnte nicht mal eben nach Hause fahren. Das ist der nächste Schritt.“ Ein Problem damit, allein zu leben, habe er nicht. Er leide nicht darunter. „Ich weiß aber, dass ein paar meiner Freunde dabei verrückt werden würden“, erklärt Ostuzzi schmunzelnd. In seinen ersten Monaten in Deutschland ging er lediglich ins Fitnessstudio, wollte eine Pause vom Volleyball nehmen.

Allmählich aber wuchs das Bedürfnis, wieder Sport mit Menschen zu machen. Er fragte einen Uni-Kollegen, ob er ihm auf der Suche nach einem Volleyball-Verein helfen könne – und der wurde fündig: in Essen. Richtige Lieblingsorte habe er hier noch nicht für sich entdeckt. In Essen sei das die Wolfskuhle, die Heimspielstätte des VV Humann, in der es bei den Heimspielen in der zweiten Bundesliga Nord traditionell heiß her geht. „Ich weiß, dass Fußball in Bochum ein großes Thema ist“, sagt Ostuzzi.

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Ein Bundesliga-Heimspiel des VfL im Ruhrstadion hat der Italiener noch nicht besucht, „aber ich würde gerne irgendwann mal dort hin. Jeder schwärmt davon und sagt mir, dass ich mal mitkommen muss. Dann werde ich das irgendwann wohl machen.“ Ostuzzi wohnt in der Nähe des Schauspielhauses, die nächste U-Bahn-Station ist „Oskar-Hoffmann-Straße“ – weit hat er es nicht von dort. Verständigen kann er sich mit seinen Uni-Kollegen und VVH-Mitspielern problemlos auf Englisch, versteht aber auch schon viele deutsche Worte.

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„Die Jungs haben sich sehr über mich gefreut. Das war das Gefühl, das ich bekommen habe“, sagt Ostuzzi zu seinem Wechsel. „Ein paar der Jungs waren vom ersten Moment an sehr offen, Englisch zu sprechen, andere ein bisschen schüchtern, aber das ist normal.“ In Deutschland würden ihm viele Menschen erzählen, dass sie schlecht Englisch sprechen könnten, erklärt der Italiener. Dabei sei das Durchschnittsenglisch der Deutschen deutlich besser als das der Italiener.

Massimo Ostuzzi - VV Humann Essen
Alles im Griff: Der italienische Zugang Massimo Ostuzzi des Volleyball-Zweitligisten VV Humann Essen. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Noch zwei bis drei Jahre bleibt Ostuzzi mindestens in Deutschland, bis er seinen Doktortitel in der Tasche hat. Auf absolutem Top-Level möchte der 25-Jährige kein Volleyball mehr spielen. „Das Ziel habe ich nicht mehr“, sagt der Außenangreifer. Zumal Ostuzzi die Erfahrung bereits in Italien gemacht hat, dort stand er in der zweiten und dritten Liga auf der Platte. „In Italien sind die ersten drei Ligen sehr professionell. Du trainierst morgens, abends, an Samstagen, am Sonntagmorgen und spielst dann am Sonntagabend.“

Italiener Ostuzzi möchte nicht auf Erstliga-Level spielen

Das sei sehr stressig gewesen, auch mental anstrengend. Und sein Körper habe ihm die Rückmeldung gegeben, dass das nicht das richtige sei. Sein Ziel: „Ich möchte Spaß haben und die Leute, die in die Halle kommen, glücklich machen.“ Konkrete Pläne für seine Zeit nach seinem abgeschlossenen Doktor in Bochum hat Ostuzzi noch nicht. „Das hängt von vielen Dingen ab“, sagt er. Zum Beispiel von seinen Prüfungen und Forschungsergebnissen.

Er überlegt, vielleicht weiterhin an einer Universität zu arbeiten, seinen „Postdoc“ zu machen – die Phase zwischen der Promotion und einer möglichen Professur. „Mein Gefühl ist aber, dass ich irgendwann in ein Unternehmen, in die Industrie wechseln werde – wahrscheinlich in Richtung Cybersicherheit, Beratung oder Kryptographie.“

VV Humann Essen: Vizepokalsieger nach Niederlage im Finale

Zum Pokalsieg des Westdeutschen Volleyball-Verbands (WVV) hat es nicht zwar nicht gereicht für den VV Humann Essen, der sich nach der 1:3 (25:22, 17:25, 21:25, 16:25)-Niederlage im Finale gegen den TuS Mondorf aber immerhin im zweiten Jahr in Folge als Vizechampion feiern lassen durfte. Ohne Schlüsselspieler Lukas Prions (erkrankt) starteten die Gastgeber in der Wolfskuhle angriffsstark in die Begegnung und konnten den ersten Satz für sich entscheiden, musste allerdings die nächsten drei Sätze an das Zweitliga-Spitzenteam abgeben.

Die nächsten Aufgaben werden nur unwesentlich einfacher: Am Samstag (20 Uhr) sind die Essener bei der Zweitvertretung der TSV Giesen Grizzlys zu Gast und empfangen zwei Wochen später (Sa., 02.11., 19.30 Uhr) erneut Mondorf - dann allerdings in der Liga. Tags darauf (So., 03.11., 16 Uhr) kommt Schlusslicht VC Juniors Frankfurt in die Wolfskuhle. „Ab Ende Oktober geht es dann gegen Teams auf Augenhöhe um Punkte gegen den Abstieg“, sagt VVH-Trainer Christoph Bielecki.