Essen. Landesliga-Stürmer kam mit vier Jahren aus Tiflis nach Essen. 22-jähriger Student ist bei mindestens zwei Spielen live im Stadion.
Für die meisten Fußballfans aus Deutschland beginnt die Euro 2024 am Freitag (21 Uhr) mit dem Spiel der deutschen Nationalmannschaft in München gegen Schottland. Auch Edisher Ugrekhelidze wird dem DFB-Team dabei die Daumen drücken, doch noch mehr mit dem Herzen ist er erst vier Tage später dabei.
Am Dienstag, 18. Juni (18 Uhr, Dortmund), beginnt mit dem Duell gegen die Türkei für den EM-Neuling Georgien das Abenteuer Euro 2024. „Edi“ Ugrekhelidze, Stürmer beim Essener Landesligisten ESC Rellinghausen, wird live vor Ort sein und mit dem Debütanten aus der Kaukasus-Republik mitfiebern.
Edisher Ugrekhelidze ist in Tiflis geboren, kam mit vier Jahren nach Deutschland und studiert inzwischen Marketing sowie Economics an der Ruhr-Universität Bochum, nebenberuflich arbeitet er für eine renommierte Unternehmensberatung mit Sitz in Düsseldorf. Im folgenden Interview stellt der 22-Jährige, der es bis in die U-16-Nationalmannschaft Georgiens geschafft hat, die Truppe von Trainer Willy Sagnol vor – und erklärt, welche Chancen der Underdog bei diesem Turnier hat.
„Nach dem Sieg gegen Griechenland habe ich mich sofort ans Ticketportal gesetzt und zum Glück Karten für die Spiele gegen die Türkei und Portugal bekommen.“
Edi, was war in der Heimat Ihrer Eltern und in Ihrem persönlichen Umfeld im Ruhrpott los, als Georgien mit dem Sieg im entscheidenden Playoff-Match gegen Griechenland das Ticket für die EM klargemacht hat?
Edisher Ugrekhelidze: In Tiflis war Ausnahmezustand, die Menschen haben einfach nur gefeiert. Es war auch ein Wunder, denn Griechenland war in dem Spiel der Favorit, aber wir haben uns schließlich im Elfmeterschießen durchgesetzt. Ich freue mich riesig für die Mannschaft und das Land, es macht Georgien sehr stolz, bei solch einem großen Turnier dabei zu sein. Und im Weltfußball ist das sicherlich einer der größten Überraschungen überhaupt, dass wir das geschafft haben.
Wo hast du persönlich diesen Triumph erlebt?
In der Kabine in Rellinghausen. Wir hatten Training, dann habe ich den Liveticker auf meinem Handy angemacht – und bin nach dem finalen Elfer für uns schön vor Freude ausgerastet. Einen Autokorso durch Essen hat es aber nicht gegeben, dafür wohnen zu wenige Georgier in der Stadt (lacht). Danach habe ich mich sofort ans Ticketportal gesetzt und zum Glück Karten für die Spiele in Dortmund gegen die Türkei und in Gelsenkirchen gegen Portugal bekommen. Ich will aber auch nach Hamburg fahren, wo es gegen Tschechien geht.
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Welche Chancen räumst du Georgien in dieser Gruppe ein?
Wir sind die absoluten Außenseiter, aber aus dieser Position kann man nur das Beste erreichen. Ich denke nicht, dass wir sang- und klanglos ausscheiden, zum Beispiel ohne Punktgewinn. Die Mannschaft wird auf jeden Fall Herz und Leidenschaft auf den Platz bringen – und dann wird man sehen, ob es noch einmal für eine Überraschung reicht.
Der Auftakt ist gegen die Türkei, für Georgien wird es ein Auswärtsspiel mit vielen türkischen Fans im Dortmunder Stadion sein…
Das ist klar, aber solch eine Atmosphäre kann auch unheimlich pushen. Wir müssen uns nicht verstecken, auch wenn die Spieler niemand kennt – außer sicher unseren Superstar Khvicha Kvaratskhelia vom SSC Neapel und Keeper Giorgi Mamardashvili vom FC Valencia. Wir haben aber noch viele andere interessante Jungs im Team, die man sicherlich spätestens nach dem ersten Auftritt bei dieser EM kennen wird.
Zum Beispiel?
Zum Beispiel Zuriko Davitashvili von Girondins Bordeaux, der jetzt unter anderem bei Ajax Amsterdam im Gespräch sein soll. Aber auch Budu Zivzivadze, der in Deutschland ja ‚nur‘ beim Karlsruher SC in der zweiten Liga spielt. Er ist absoluter Stammspieler und ein wichtiger Mann für das Team.
Und Trainer Willy Sagnol? Er ist vielleicht der eigentliche Star Georgiens, seinen Namen kennt man aus der französischen Nationalmannschaft und von Bayern München…
Es ist eine Ehre, dass ein so berühmter Fußballer ein kleines Land wie Georgien trainiert. Natürlich ist es auch ihm sehr zu verdanken, dass uns die Qualifikation für die Euro gelungen ist. Ich hoffe, dass er bleibt, denn die Mannschaft kann man noch sehr gut weiterentwickeln.
Also, Hand aufs Herz: Wie weit kommt das Heimatland deiner Eltern – und wie weit das Land, in dem du seit 18 Jahren lebst?
Mit Georgien nehmen wir alles mit, was kommt, da wage ich aber keine Prognose, dass wir die Gruppenphase überstehen. Deutschland gehört für mich gemeinsam mit Frankreich und England zu den Topfavoriten. Ich freue mich auf eine tolle Atmosphäre und hoffe auf ein ähnliches ‚Sommermärchen‘ wie 2006, obwohl ich da noch zu jung war, um das alles zu begreifen. Da sind wir ja gerade erst in Deutschland angekommen. Super, dass der Fußball so viele Menschen aus vielen Ländern zusammenbringt, das möchte ich gerne in den nächsten Wochen voll auskosten.